„Baumflügelaktion“ blieb symbolisch – Stadt Unna lässt am Samstag 7 große Linden an Hertinger Straße für neuen Bildungsstandort fällen

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Engelsflügel schmückten seit vergangenem Sommer 7 Linden an der Hertinger Straße in Unna, die für die Verkehrserschließung des neuen Grundschul-und Kitastandorts an der Brockhausstraße weichen sollen. (Archivfoto: FLU)

Der stumme Protest mit Engelsflügeln an den betroffenen Bäumen blieb symbolisch. Sieben alte Linden werden am kommenden Samstag, 3. Februar, an der Hertinger Straße für den neuen Grundschul- und Kitastandort gefällt.

Es soll Ersatzpflanzungen geben, versichert die Stadt Unna in einer Pressemitteilung vom heutigen Donnerstag, dem 1. Februar.

„Die sieben Linden werden nicht etwa ersatzlos gefällt, sondern es werden in unmittelbarer Nähe neue Bäume gepflanzt, um den Alleencharakter der Straße zu bewahren. Dabei wird es sich um 13 Winterlinden handeln.“

Wie berichtet, entsteht an der Brockhausstraße eine neue Grundschule und eine neue Kindertagesstätte. Die Kosten stiegen sukzessive von ursprünglich 21 auf inzwischen 38 Millionen Euro.

Die dreizügig geplante Grundschule wird als neue Gemeinschaftsgrundschule Unna die beiden Innenstadtgrundschulen Falk- und Nicolaischule unter ihrem Dach vereinen.

„Im Rahmen der Ausbauplanung der Kreuzung Hertinger-/Brockhausstraße wurde abgewogen zwischen einer Variante mit einer Linksabbiegespur auf der Hertinger Straße und einem Kreisverkehr“, erinnert die Stadt. „Für eine Linksabbiegespur hätten 12 Bäume gefällt werden müssen.“

Zum „größtmöglichen Schutz der vorhandenen Linden“ wurde die erste Variante des Kreisverkehrs überplant. „Ein junger Baum kann zudem versetzt werden“, heißt es in der heutigen Mitteilung.

Nach einem entsprechenden politischen Beschluss erteilten der Naturschutzbeirat Kreis Unna und die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Unna dieser Planung im Jahr 2020 ihre Zustimmung.

Halbseitige Sperrung der Hertinger Straße am Samstag, 3. Februar
Brockhausstraße wird zur Einbahnstraße

Die Hertinger Straße wird während der Fällung der Bäume am Samstag, 3. Februar, zwischen 7.30 und 12 Uhr in Höhe der Brockhausstraße halbseitig gesperrt. Der Verkehr wird mit Hilfe einer Baustellenampel geregelt.

Die Brockhausstraße wird in dem genannten Zeitraum zwischen der Hertinger Straße und der Straße An der alten Ziegelei in Fahrtrichtung Westen (Ziegelstraße) zur Einbahnstraße. Der Verkehr in Fahrtrichtung Osten (Richtung Hertingerstraße) wird umgeleitet über die Breslauer Straße und Bachstraße.

Um eine Vollsperrung der Hertingerstraße zu vermeiden, werden die betroffenen Linden nicht gefällt, sondern schrittweise gekappt. Halteverbote in dem betroffenen Bereich wurden bereits am Mittwoch, 31. Januar, eingerichtet.

Rückblick: Protest mit Baumflügeln

Seit Sonntagabend, 27. August, zierten weiße Engelsflügel 7 Linden an der Hertinger Straße in Unnas Süden. Wir berichteten.

Die Aktion der Freien Liste Unna (FLU) zusammen mit Landschaftsgärtner Holger Zühlke soll die Bürger darauf aufmerksam machen, dass diese kerngesunden, 80 Jahre alten Bäume der Verkehrserschließung für den neuen Kita- und Grundschulstandort an der Brockhausstraße weichen sollen.

Sowohl im Umweltausschuss als auch in der vorgeschalteten Baumschutzkommission stimmten ausschließlich die Vertreter der FLU dagegen.

Landschaftsgärtner Zühlke erklärte im vergangenen Sommer in einer umfassenden Mitteilung ausführlich die Bedeutung seiner „Baumengelflügel“.

„Mit dieser Initiative sollen Bürgerinnen und Bürger, der Stadtrat und die Verwaltung ermutigt werden, sich aktiv an der Pflanzung, Pflege und dem Schutz von Bäumen, Alleen und Straßenbegleitgrün zu beteiligen.

Das Grün verschwindet:

Innerhalb der letzten 15 Jahre wurden im Bereich der Unnaer Alleen und Straßen weit über 100 Straßenbäume gefällt – und nicht wieder ersetzt.

Diese Umweltpolitik der Stadt Unna wird bedauerlicherweise bewusst gesteuert. Aufgrund fehlender Bereitstellung von
Finanzmitteln im Haushalt der Stadt ist es weder möglich noch geplant, Bäume und Straßenbegleitgrün zu ersetzt.

Die vielen Baumstümpfe und Baumlücken in den Allen sind ein deutliches Zeichen für eine Umwelt- und Klimapolitik, die offenbar Sparmaßnahmen untergeordnet ist.

Außer der vermeintlichen Verpflichtung der Politik durch die „Städtische Baumschutzsatzung“, den Erhalt der Baumstandorte zu sichern, genießen Bäume kaum noch Unterstützung in Unna.

Ein Beispiel dafür ist die Planung eines innerstädtischen Kreisels in der Hertinger Straße:

Im Rahmen des Vorhabens sollen sieben gesunde, über 80 Jahre alte Linden geopfert werden. Ohne ein vorliegendes Verkehrsentwicklungskonzept (jetzt Mobilitätskonzept – in Planung) der Stadt wird laut externen Planern ein überdimensionierter Kreisel mit großem Entwicklungspotential für PKW geplant.

Auch werden großzügige Parkplätze an der Hertinger Straße geschaffen, die weiteren PKW-Verkehr anziehen. Einem auch in der
Zukunft gewollten geringerem Verkehrsaufkommen wird dadurch bewusst entgegengewirkt.

Notwendige Fahrradanbindungen werden aufgrund eines fehlenden Gesamtkonzepts vernachlässigt. Jahrzehntealte, nicht ersetzbare Bäume werden dafür geopfert.

Der Erhalt von Bäumen und Alleen ist eine generationsübergreifende Aufgabe, die nicht durch Sparzwänge oder politische Wechsel beeinträchtigt werden darf.

Foto Zühlke

Künstlerischer Anspruch:

Der Engel ist in unserer Kultur vor allem ein Symbol für Schutz, Hilfe und Begleitung dar. Angesichts der Gefährdung unseres Baumbestandes durch schädliche Umwelteinflüsse, Versiegelung der Städte und damit einhergehender Bedrohung durch Insektenbefall und Wassermangel, sind die Baum-Engelflügel ein Symbol und ein Anstoß, um das Bewusstsein für die Wertschätzung und den Schutz der Bäume zu schärfen.

Diese unkonventionelle und ungewöhnliche Darstellung zwischen Baum und Engelflügeln regt zum Nachdenken an. Zudem kann eine übersinnliche Verbindung – zu etwas Göttlichem oder den Baum als göttliches Wesen – hergestellt werden.

Umsetzung: Flügel kaufen und Bäume spenden

Durch den Erwerb der Engelflügel und ihre Befestigung an den Baum mithilfe eines Gurtes kann sich jeder symbolhaft für den Erhalt von Bäumen einsetzen.

Bei jedem Kauf eines Baum-Engelflügels (150 EUR/Paar) spenden wir 100 Euro für die Neubepflanzung von Bäumen in Unna.

So sind es gerade die Bürgerinnen und Bürger, die bei dem Anblick von Bäumen und Alleen Liebe für die Natur empfinden und gleichzeitig die städtische Lebens- und Wohnqualität aufgrund des Grüns höher beurteilen. Bäume sensibilisieren unser Bewusstsein und haben ein hohes Emotionspotential. Alleen sind Heimat, Lebensqualität und wertvolles Kulturgut, das wir auch für
künftige Generationen erhalten müssen.

Ohne Bäume kein Leben:
Bäume definieren den Straßenraum, spenden Schatten, Sauerstoff und sind
Lebensraum und Nahrungsquelle vieler Tierarten. Sie filtern und binden Feinstaub und
wirken somit natürlich gegen die Feinstaubbelastung.

Durch die Verdunstungskälte reduzieren sie die Überhitzung der städtischen Bereiche. Straßenbegleitgrün und Bäume
dämpfen auf natürliche Weise den Straßenlärm.
Alleen: ein Dreiklang aus Funktionalität, Naturschutz und Ästhetik.

Ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto – egal ob unter Kastanien, Linden oder
Platanen: Wir, die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, müssen unsere Straßenbäume
schützen, bestehenden Alleen erhalten und dafür sorgen, dass zukünftig neue Alleen
entstehen.

Beispielsweise muss bei einem Ausbau von Straßen der Grunderwerb für
Neupflanzungen und Straßenbegleitgrün von Anfang an berücksichtigt werden
– siehe als
negatives Beispiel die Viktoriastraße.

Zusätzlich muss ein ausreichendes, feststehendes
Budget jährlich für den Erhalt und die Neupflanzung von Bäumen und Straßenbegleitgrün
geschaffen werden.

Nur wenn wir das Thema ‚Alleen‘ und Straßenbäume permanent in der öffentlichen
Diskussion halten, vermeiden wir das schleichende Verschwinden dieses großen
Kulturgutes aus unserer Stadt.

Zahlreiche Alleen sind in der Vergangenheit dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen. Die noch vorhandenen Alleen wurden in Nordrhein-Westfalen in einem Kataster erfasst und unter gesetzlichen Schutz gestellt.

Das NRWAlleenprogramm fördert darüber hinaus die Wiederherstellung sanierungsbedürftiger und
die Anlage neuer Alleen.“



5 KOMMENTARE

  1. Es ist an Schwachsinn nicht mehr zu überbieten, was hier in Unna passiert.
    Da wird am Bürgerpark Morgenstraße wegen zwei 20 cm Bäumen ein Baustopp verhängt und alles mit Mehrkosten von mehr als 400000€ neu geplant und dann wird vom Stadtrat unter der Befehlsleitung der Grünen beschlossen, dass 7 Bäume für ein Bauvorhaben einfach weggeschnitten werden.
    Wenn man als Privatmann oder Unternehmer ein Bauvorhaben durchbringen möchte,in welchem Bäume weg müssen, wird auch ein Baustopp veranlasst, aber mit immensen Auflagen.
    Es ist ein Irrglaube, wenn man davon ausgeht, dass Neuplanzungen, sofern sie denn auch kommen die CO2 Bilanz von 80 Jährigen Bäumen ersetzen.
    Den Privatleuten will man Schottergärten verbieten, aber als Kommune darf man machen, was man will.
    Unser Bürgermeister hat mal davon gesprochen, diese Stadt in Zusammenarbeit mit dem Bürger zu gestalten, jetzt bekommen wir Bürger Dinge vorgesetzt und müssen uns dann nur entscheiden, diese hinzunehmen oder aus Unna wegzuziehen.
    Es ist traurig, was aus den Ideen der Grünen geworden ist, es gab mal sehr gute Ansätze, aber seitdem ungelernte und Kinderbuchautoren diese Partei dazu nutzen ihre eigenen Ideen durchzusetzten, kommt man sich vor, wie in einer Diktatur.
    Schade für Deutschland und Unna

  2. Das ist wirklich schade. Die Hertinger Straße wird durch die Fällung, entgegen anderer
    Beteuerungen, ihren Chatakter einbüßen. Wofür? Für eine völlig überteuerte Grundschule mit zwei Zügen, die am Ende gegen 40 Mio. Euro kosten wird. Das hätte man an anderer Stelle besser und erheblich billiger haben können. Jede Wette: Man vermeidet das Thema zurzeit. Aber die Grundsteuer wird auch in Unna wieder steigen, obwohl sie jetzt schon viel zu hoch ist. Solche Projekte sind mitschuldig.

  3. Gerade habe ich mir einen Kaffee geholt und dabei über das Ruhrtal in die Berge und die Wälder mit den Millionen Bäumen des Sauerlandes geschaut. Dort freut man sich jeden Tag aufs Neue, in so einer schönen Gegend seinen Lebensmittelpunkt zu haben. Man kann theoretisch südlich der Ruhr in die Wildnis eintauchen und tagelang bis nach Lüdenscheid durch Wälder durchwandern :-).

    Beim Schreiben sehe ich dabei zu, wie die Flugzeuge über der Einflugschneise Unna landen. Die Stadt ist in den letzten Jahren fast bis auf den letzten Meter zugebaut worden. Nach dem Betoneinkaufscenter und der Großbaustelle hinter dem Bahnhof nun die Großbaustelle B1/Hertinger Straße und zusätzlich nebenan die jahrelange Großbaustelle Autobahnkreuz Unna.

    Das wird der Stadt den Rest geben.
    Sie wurde vom Moloch Ruhrgebiet verschluckt und wird eine ähnliche Entwicklung wie der Norden von Essen, Bochum oder Dortmund nehmen. Die B1 wird dabei auch in Unna zur sozialen Trennlinie zwischen dem Norden und dem Süden.

    Das man dabei eine der letzten schönen Baumalleen in Unna zerstört, ist nur ein Beispiel von vielen.

    Die Gesamtentwicklung ist allerdings nicht mehr aufzuhalten, unabhängig von den 7 Bäumen.

    • Ein paar positive Entwicklungen in Unna gibt es allerdings:
      Rechtsunverbindliche Fahrradpiktogramme, die kleine Reallaborfläche, 30km/h Straßen, 2 ausleihbare Lastenfahrräder und ein aufgeschütteter Sandhaufen vor dem Rathaus zum spielen :-).

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