Bitte, verweilen Sie im „Versuchslabor Unna“!

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Fotomontage aus Bilder von Martin Trillhose, Silvia Rinke und Pixabay.com

„Du hast einen Park, den du aber komplett an Alkis und Junkies abgibst. Und weil du es einfach nicht gesch***en kriegst, dieses Stück Grün für den Großteil deiner steuerzahlenden Stadtbewohner begehbar zu machen, stampfst du für sehr viel Geld direkt neben diesem Park einen neuen Park aus dem Boden. Das ist ungefähr so, als ob man ständig umzieht, weil die Wohnung einfach zu schmutzig geworden und man zum Aufräumen zu faul ist.“

Lesermund tut dieser Tage in Unna viel Wahrheit kund.

Der eine Verweilplatz ist noch gar nicht fertig, da nimmt sich die lokale Politik tatendürstend bereits den nächsten vor.

Am Morgentor soll seit 2018 ein sogenannter „Shared Space“ entstehen, ein geteilter Raum, dessen Kosten just um 420.000 Euro explodiert sind; ein Raum mit (viel) mehr Platz für Fußgänger und Radler, dafür umso weniger für Automobile sowohl im mobilen wie im immobilen Zustand.

So weit ist das nichts Neues. Die ersten Planungen für die Neugestaltung des Morgentorplatzes zwischen Ostring, Morgenstraße und Stadtgarten als „Shared Space“ datieren noch aus der späten Kolter-Ära (unter Bürgermeister Werner Kolter, SPD).

Sie bekamen unter Schwarzgrün oder besser Grünschwarz jedoch einen frischen leuchtgrünen Anstrich verpasst und mussten daher wieder ganz neu „gedacht“ und zeit- wie kostenintensiv „überplant“ werden. Denn als Leitmotiv dieser aktuellen Ratsperiode in Unna gilt, das wird immer offensichtlicher: „Park statt Parkplatz – verweilen Sie im Versuchslabor, liebe Bürger- und Besucherschaft!“

Wahrzeichen Unnas – Eselsbrunnen auf dem Alten Markt, hier Grünschwarz eingefärbt. (Foto RB)

Da dieses früher auch als unfreundlicheres „Autos raus aus der Innenstadt“ bekannte Motto sozusagen zur DNA der Unnaer Grünen gehört, kann man ihnen jetzt schlecht ankreiden, dass sie nach der Wahl exakt das tun, was sie vor der Wahl angekündigt haben.

Statt sich mit wachsendem Erregungspegel an den Grünen abzuarbeiten, sollten sich Gegner der akuten Verweiloasenorgie besser mit der CDU beschäftigten.

Denn dass die Grünen ihrem schwarzen „Projektpartner“ zwecks Mehrheitsbeschlussfähigkeit schnell mal unauffällig einen Eimer grüner Farbe über den Kopf gekippt haben, blieb ihnen in den Spielregeln der Demokratie völlig unbenommen. Verblüffend ist einzig immer wieder, dass die CDU als Einzige bis heute nichts von ihrer Ergrünung bemerkt oder bemerkt haben will.

Wie ein Kind, das sich beim Versteckspielen die Hände vor die Augen presst und schreit „Ich seh euch nicht, ihr seht mich also auch nicht!“, behauptet auch die ergrünte Unnaer CDU hartnäckig weiter, sie sei gar nicht grün, sondern wie seit jeher schwarz, und jeder, der etwas anderes behaupte, wolle entweder schlicht der CDU etwas Böses oder sei schlichterdings farbenblind.

Wir schweifen ab. „Verweilen“ war das Thema.

Überschlagen wir doch mal kurz, wo es sich in Unna bisher „verweilen“ lässt bzw. wo bisher am eifrigsten verweilt wird.

Extrablatt am Alten Markt in Unna. (Archivbild RB)

Da ist unbestritten der Alte Markt mit seinen historischen Fassaden und der ansässigen Gastronomie (wichtig). Hier wird der Verweilende ansprechend verköstigt und kann gleichzeitig (auch ganz wichtig) das tun, was Menschen beim Verweilen in Innenstädten einfach am liebsten machen: „Leute gucken“.

Die einen oder anderen „Leute gucken“ kann der Verweilende auch auf dem Evangelischen Kirchplatz am heiter sprudelnden Wasserspiel, am Brunnen auf dem Rathausplatz, auf der Rundbank im pittoresken Nicolaiviertel, auf dem Lindenplatz oder überall sonst in der Bummelzone.

Da wie dort sprießt allerdings eher spärliches Grün, das ist zugegeben ein großes Manko an der gesamten Fußgängerzonengestaltung.

Umso mehr Grün findet sich dafür unmittelbar an der Stadtmauer, üppig sprießend mit schönem altem Baumbestand: Man nennt dieses Areal „Stadtgarten“.

Ist Unnas Lokalpolitikern unbekannt, dass sie einen Stadtpark haben? Falls nein, und davon gehen wir mal aus: Wieso widmen sich Politik und Stadt nicht zumindest AUCH dort ihrem aktuellen Verweil-Postulat? Wieso eröffnet man statt dessen immer neue Versuchslabore in der Unnaer City?

Foto: S. Rinke / RB

Unnas Stadtpark ist sogar ziemlich viel größer als diese beiden handtuchgroßen Flecken, die jetzt demnächst als „Shared Space“ am Morgentor und als „Reallabor“ (eine immer wieder herrliche Bezeichnung) an der Schulstraße ganz neu zum Verweilen einladen sollen, weil sie – das ist ja natürlich der Sinn dahinter – bisher als schnöde Parkplätze dienten.

Denn parken sollen die Unnaer Besucher und möglichst auch Bewohner nach dem „Verweilstadt“-Prinzip ausschließlich in den dafür vorgesehenen Bauwerken, ober- oder unterirdisch. Kann man versuchen, kann klappen, muss es aber nicht.

Denn auch der Autofahrer ist eigen, nicht nur der Verweiler. So mag sich der motorisierte Innenstadtbesucher, ein bisschen zuviel geärgert, durchaus entscheiden, demnächst in einer anderen Stadt zu verweilen.

Ebenso muss es nicht, kann es aber gelingen, einen Ex-Parkplatz mitten in der City mit 70.000 Euro Steuerzahler-Startkapital optisch zum „Verweilplatz“ anzuhübschen, dem Bürger 12 Pflanzkübel nebst Erstausstattungsmobiliar in die Hand zu drücken und ihm anschließend fröhlich zu sagen: „Mach mal, Bürger!“

Dieses „Reallabor“ an der Schulstraße kommt einem Freiluft-Versuchslabor in der Tat sehr nahe:

Die Forschenden (in schwarze, grüne und in diesem Fall auch rote Laborkittelchen gehüllt) richten mit je einem Dutzend Pflanzkübeln und Sitzbänken, einem Kinderspielgerät und einer Fahrradreaparturstation die Versuchsanordnung her, verkünden am 22. April lauthals „Start!“ und überlassen diese überdimensionierte Petrischale fürs nächste halbe Jahr dem Bürger.

Dieser Hauch von Anarchie mutet für eine biedere Kreisstadt wie Unna fast tollkühn an, gelingen kann das Exeriment dabei durchaus – man muss und soll nicht im Ansatz gleich jede neue Idee zernörgeln.

Es gelingt mit viel persönlichem Enthusiasmus, ganz viel persönlichem Einsatz vieler Bürger (nicht nur denen, die direkt am Laborrand wohnen) und vor allem mit Áusdauer, denn 6 Monate können sich ziehen. Und keiner glaubt wirklich ernsthaft, dieser gewesene Parkplatz mutierte nach der Laborphase wieder zum Parkplatz zurück.

Verglichen wird das Schulstraßen-Verweillabor oftmals mit dem direkt gegenüberliegenden, wahrlich zauberhaften Gärtlein „Mille Fiori“.

Dieses hegt und pflegt das anwohnende Künstlerpaar Nowodworski mit künstlerischem Feingefühl und viel Liebe in seiner privaten Zeit.

Wer nun allerdings sorgenfrei davon ausgeht, dass sich dieses blühende Kleinod einfach wie von Bienchen bestäubt als Wunder der Natur aufs angrenzende Laboratorium ausbreiten wird, dürfte einem Irrtum erliegen.

Nicht nur, weil das „Labor“ um ein Vielfaches größer ist, sondern weil sich eben Enthusiasten und zugleich Kundige finden müssen, die sich aus persönlichem Verantwortungsgefühl (!) kümmern.

Sofern dies aber auch lediglich die Ratspolitiker von CDU, Grünen und SPD sein werden, die das Projekt mit ihrer Stimmenmehrheit ja explizit auf den Weg gebracht haben, dürfte man sich keine Sorgen zu machen brauchen, denn mit diesen Damen und Herren ist rein zahlenmäßig schon einmal genügend Man- und Womanpower vorhanden. Man darf frohes Schaffen und gutes Gelingen wünschen!

Blicken wir zum anderen werdenden „Verweilplatz“ der Unnaer City, dem am Morgentor, wo ebenfalls bisher noch Auto herumstehen, die das laut der neuen Verweil-Devise künftig nicht mehr sollen dürfen.

Während sich der reine Sinn eines kleinen Parks inmitten der betonlastigen Fußgängerzone an der Schulstraße noch problemlos erschließt, bleibt der Sinngehalt eines Verweilens zwischen Morgenstraße und Ostring bis heute ziemlich im Nebel. Wer legt sich direkt am dreispurigen Verkehrsring auf eine Liege und verweilt?

Zumal: Direkt nebenan hat Unna ja einen Stadtpark, und zwar einen richtig großen.

Kommen wir daher auf das Eingangszitat jener Leserin zurück, die sich auf Facebook zum Morgentorplatz wie folgt äußerte:

Du hast einen Park, den du aber komplett an Alkies und Junkies abgibst. Und weil du es einfach nicht gesch***en kriegst, dieses Stück Grün für den Großteil deiner steuerzahlenden Stadtbewohner begehbar zu machen, stampfst du für sehr viel Geld direkt neben diesem Park einen neuen Park aus dem Boden. Das ist ungefähr so, als ob man ständig umzieht, weil die Wohnung einfach zu schmutzig geworden und man zum Aufräumen zu faul ist.“

Eine andere Leserin fragt sich kopfschüttelnd,

„, … wer so viel Zeit zum Verweilen hat. Für wen sind diese Verweilplätze gedacht? Ich gehöre zur arbeitenden Schicht und das bisschen Freizeit verbringe ich bestimmt nicht dort.“

Eine weitere äußert ihr Unverständnis mit konkretem Blick auf das schon Vorhandene:

„Wir haben doch jetzt einen kostengünstigen (70.000 Euro), von Bürgern gepflegten Verweilplatz (Reallabor) an der Schulstraße. Wozu für 1 Mio. noch einen inclusive der Fällung von Baumbestand? Abgesehen davon ist daneben der Stadtpark, wo man auch verweilen könnte, wenn er durch die Stadt mal etwas aufgehübscht und sicherer würde.“

Schließlich gerät mancher innerhalb der Leserschaft inzwischen regelrecht in Rage über diese als sinnbefreit und planlos wahrgenommenen Stadtplanungsprojekte:

„Verblöden denn alle jetzt nur noch? Macht den Stadtpark schöner, den Bornekamp, begrünt die Betonwüstenstadt – aber macht doch aus nötigen Parkplätzen nicht schwachsinnige Projekte, die vollkommen überflüssig sind. Verweilplätze gibt es in Unna genug, wenn man die denn auch hegen und pflegen würde.“

Verärgert zieht diese zuletzt zitierte Leserin das Fazit:

„Die Steuergelder werden einfach verschwendet, ohne den Bürger selber zu fragen. Eine Abstimmung wäre vielleicht mal gut gewesen.“

Ob die Steuergelder fürs neue Verweilen in der autoarmen Unnaer City tatsächlich verschwendet sind oder aber ganz im Gegenteil positiv, zukunftsträchtig und lohnend angelegt wurden, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen.

Spätestens mit dem flankierenden Start des neuen Parkraumkonzeptes wird dann die komplette Unnaer Innenstadt zum Versuchslabor, und auf die Ergebnisse, wir denken ans einstige „Reallabor Kreishauskreisel“, darf man jetzt schon höchst gespannt sein und sollte dabei gute Nerven mitbringen.

  • Kommentiert von Silvia Rinke

6 KOMMENTARE

  1. Gut, zutreffend geschrieben und schön zu Wissen dass nicht nur die „kleine“ Community hier auf der WEB Seite den Irrsinn der Grünschwarzen ablehnt sondern auch auf FB wohl Unverständnis und Verärgerung vorherrscht. (Habe da keinen Einblick)
    Allerdings werden die Schwarzen von den Grünen nicht nur am Nasenring herumgeführt.
    Dass was sie betreiben ist Betrug und Ver..sche am Wähler denn wer bei der CDU sein Kreuz gemacht hat wollte sicher nicht den vorhergesagten ideologischen, mehrheitlich bürgerfeindlichen und steuervernichtenden Unsinn der Grünen in der politischen Verantwortung.

    • Die nächste Wahl wird diesbezüglich sehr spannend, Gremling. Ja, die Meinung der Fb-Community deckt sich zu 80 bis 90 Prozent mit der hiesigen, das ist nicht immer so und schon gar nicht so deutlich. Einen schönen Abend von der Redaktion!

  2. Toller Bericht Frau Rinke.
    Auch ich habe schon ähnlich geschrieben, haben Sie denn den neuen umgeänderten Plan schon gelesen ( Achtung ab hier wird es ironisch)
    Die Kosten für den neuen Platz sind ja gestiegen, wegen der Bepflanzung des Geländes. Diese wird laut Plan aus Hanfpflanzen, einschließlich Hochbeeten und Wärmelampen bestehen.
    Die Bänke sind für die Grünen, die nur mal schnell einen durchziehen, die Liegen sind für den länger andauernden Rausch und für die, welche sich komplett aus der Realität geschossen haben, bleibt die Wiese unter den alten Bäumen.
    Die Schüler singen Freitags: wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unser Mariuana raucht.
    Anschließend geht es mit dem aus Steuergeld unterstütztem Lastenrad zur Tiefgarage Busbahnhof. Dort steigt man in das seriöse SUV um, um am nächsten Tag die Kids bis vor die Klassentür zu fahren, parken geht ja nicht, weil die Besuchermassen ja außerhalb des Verkehrsrings alle Parkplätze belegen.
    Montags geht es dann von der Tiefgarage wieder mit dem Lastenrad ins Rathaus, um die Ideen die man im bekifften Zustand hatte, in die Tat umzusetzen.
    Die Anwohner dürfen dann für 5,00 € eine Kifferkarte am alten Parkscheinautomaten ziehen und haben dann die Berechtigung, wenn mal ein Platz frei ist, auf den Bänken platz zu nehmen.
    ( Ironie Ende )
    Ich hoffe, die denken auch an 10er Karten, ist ja bald Sommer, und ohne ist die Lokalpolitik ja kaum zu ertragen.

    • Vielen Dank für , Herr Heilek! Ja, ich habe mir die veränderten Pläne zu Gemüte geführt. Was soll man sagen… wir werden es interessiert verfolgen! Viele Grüße von Silvia Rinke

  3. Das hat es auf den Punkt gebracht. Für mich ist der schönste Platz “ Mille Fiori“ , hat bestimmt nicht 70.000 Euro gekostet und ist wunderschön. Da setze ich mich tatsächlich mal hin. Stadtgarten habe ich ausprobiert und für zu unsicher erklärt. Schade eigentlich, so schöne Bäume aber ich muss den Dealern nicht bei ihren Geschäften zusehen. Alle aktuellen Pläne sind Schwachsinn. Aber sie bezahlen das ja nicht aus eigener Tasche. Dann fällt das ja nicht schwer

  4. Für das Geld und die Kosten für den Abriss hätte man schon locker die Eissporthalle anfangen können zu renovieren. Diese war und wäre für unsere Jugend ein super Verweilort. Nächstens wird bestimmt wieder für das verschwendete Geld die Grundsteuer angehoben oder lieber gleich hochbezahlte Pöstchen geschaffen („Verweilort-Manager“)

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