„Ich wählte Wigant!“
Das öffentliche Bekenntnis der neuen Unnaer Grünen-Spitzenfrau Claudia Keuchel zum Bürgermeisterkandidaten der CDU 7 Tage vor der Stichwahl schlug am Sonntagabend erwartungsgemäß wie eine Bombe ein.
Während die Sozialdemokraten, die mit Katja Schuon auf „Unnas erste Bürgermeisterin“ hoffen, noch bis zur Wochenmitte in Schockstarre zu verharren schienen (mit Parteichef Sebastian Laaser haben wir heute telefoniert, Bericht folgt), schickte die CDU am Sonntag keine 10 Minuten nach Keuchels Verkündigung eine freudige Pressemitteilung hinterher:
Darin betonen die Christdemokraten künftige Schnittmengen mit den Grünen und danken Keuchel, die als Grüne Bürgermeisterkandidatin nur haarscharf selbst an der Stichwahl vorbei schrammte, für ihre persönliche Unterstützung.
Die Betonung liegt auf „persönlich“. Claudia Keuchel hatte in ihrer Pressemitteilung unterstrichen, dass ihre Präferenz keine Parteiempfehlung darstelle. Gleichwohl wirkte ihr öffentliches Bekenntnis, dass sie „für einen Wechsel Wigant wähle“, natürlich als Signal für die künftige Zusammenarbeit im Rat, zumal zu erwarten ist, dass sie (auf Listenplatz 1 in den Rat eingezogen) auch die Fraktion leiten wird.
Rudolf Fröhlich, Fraktionsvorsitzender der CDU, sieht mit den Grünen ungeachtet der früher überwiegenden Meinungsunterschiede im neuen Rat auch neue inhaltliche Schnittmengen. Auch bei der CDU, ließ er anklingen, sei schließlich angekommen, dass die Bürgerinnen und Bürger von den Parteien ein stärkeres Engagement für Umwelt- und Klimaschutzbelange forderten. Der enorme Erfolg der Grünen NRW-weit bei den Kommunalwahlen und eben auch in Unna sei auch bei der CDU als klares Signal angekommen.
Thematische Schnittmengen mit den Grünen sieht der CDU-Fraktionschef etwa bei Sicherheit und Ordnung, konkret bei der Forderung des neu in den Rat eingezogenen Grünen Sandro Wiggerich nach einem umfassenden Ordnungs- und Sicherheitskonzept für den Kurpark.
Den bisherigen Streit um den geplanten neuen Lidl und Edeka auf der privaten Freifläche an der Massener Bahnhofstraße sieht Fröhlich beigelegt, da sich der Rat mit breiter Mehrheit auf eine Bürgerbefragung im Stadtteil verständigt habe. „Wir belassen es nicht bei einer üblichen Bürgerinformation, sondern es gibt eine Befragung, mit Postkarten und parallel online“, machte Fröhlich gegenüber unserer Redaktion deutlich.
Gleichwohl ergab die Kommunalwahl am 13. 9.,, dass die Befürworter des neuen Einzelhandelsdoppels – das waren allem voran SPD und CDU – im Stadtteil Massen zusammen mehr Stimmen erzielten als die Gegner, Grüne und FLU. Dennoch will man die Bürger noch einmal direkt nach ihren Präferenzen zu den Einkaufsmärkten fragen, mit besagter Postkarten- und Onlineaktion.
Bei dem wohl größten Streitpunkt – der Westtangente – werde mit den Grünen keine Einigung zu erzielen sein, gibt Rudolf Fröhlich das Ergebnis aus den Gesprächen mit den Grünen-Vertreter/innen wieder. Die CDU halte an ihrer Zustimmung zu der Umgehungsstraße fest, die Grünen an ihrer Ablehnung. Die SPD will die Umgehungsstraße bekanntlich ebenfalls.
Claudia Keuchel, die für ihr öffentliches Pro Wigant-Bekenntnis erwartungsgemäß neben Zustimmung auch heftige Kritik bekam, fasste ihren Standpunkt pragmatisch zusammen: „Unsere Aufgabe ist es, die richtigen Partner für die entsprechenden Entscheidungen für grüne Themen zu finden. Ich nenne das angewandte Kommunalpolitik… ich stehe für eine sachorientierte Politik, parteiübergreifend.“
Währenddessen stellt sich eine weiterer künftiger Grünen-Ratsvertreter öffentlich hinter CDU-Bürgermeisterkandiat Dirk Wigant. Sandro Wiggerich aus Königsborn stellte am Dienstagabend in einem Facebookpost fest:
„Mit großem Bedauern habe ich am 13. September miterleben müssen, wie unsere Grüne Bürgermeisterkandidatin Claudia Keuchel trotz eines herausragenden Ergebnisses den Einzug in die Stichwahl knapp verpasst hat. Seitdem habe ich mir – wie viele Menschen in Unna – die Frage gestellt, wen ich am kommenden Sonntag wählen kann.
Hierüber habe ich in den letzten Tagen intensiv mit Freund*innen innerhalb und außerhalb der Grünen Partei diskutiert. Vertreter der Grünen haben mit SPD und CDU Gespräche geführt und über ihre Eindrücke berichtet. Am vergangenen Sonntag hatte ich außerdem die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit Dirk Wigant.
Seine erklärte Bereitschaft, sich auf Grüne Themen konstruktiv einzulassen, hat mich beeindruckt. In der heutigen Debatte zwischen den beiden Bürgermeisterkandidaten wurde dies für alle sichtbar: Dirk Wigant äußerte detaillierte Vorstellungen zu Grünen Themen wie Bürgerbeteiligung, der Vermeidung von Autoverkehr in der Innenstadt u.a. durch Smart-City-Anwendungen, Ausbau von Radwegen, städtischem Flächenmanagement, einer neuen Baumschutzsatzung und Gutscheinen für alle Bürger/innen für private Baumpflanzungen – bei gleichzeitigem Bekenntnis zur Erhaltung des kulturellen Angebotes.
Katja Schuon will offenbar viel, blieb aber bei Fragen der Ausführung eher an der Oberfläche; zu einer neuen Baumschutzsatzung hatte sie keine erkennbare Meinung.
Mir ist die Entscheidung nicht leicht gefallen, aber nach intensiver Abwägung bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Dirk Wigant von den verbliebenen Bürgermeisterkandidaten derjenige ist, der am ehesten auf Augenhöhe, wertschätzend und vertrauensvoll mit den gewählten Ratsmitgliedern zusammenarbeiten wird und mit dem sich Grüne Politik für Königsborn und Unna am besten gestalten lässt.
Ich persönlich schließe mich daher Claudia Keuchel an und werde am kommenden Sonntag für einen echten Wandel Wigant wählen. Als Grüne Partei geben wir generell keine Wahlempfehlung zur Stichwahl ab, da wir in unserer bunten Mitgliedschaft ein breites Meinungsspektrum in dieser Frage haben und unsere Wähler/innen ohnehin selbst eine mündige Entscheidung treffen werden.
Ungeachtet der Stichwahl hoffe ich jedenfalls, dass wir bei allen Differenzen in Einzelfragen in der kommenden Ratsperiode mit allen Parteien und Gruppen im Rat in sachlicher Atmosphäre ergebnisorientierte Politik für die Menschen in Unna gestalten können. Für den von allen gewünschten konstruktiven Umgang im Rat ist es auch hilfreich, persönliche Entscheidungen der jeweils anderen zu respektieren und nicht durch die Verbreitung haltloser Unterstellungen herabzusetzen.“
Und ein weiterer neu in den Rat gewählter Grüner, Klaus Koppenberg, äußert in einem ebenfalls öffentlichen Facebookstatement seine Zuversicht für eine gedeihliche gemeinsame Ratsarbeit:
„Wahlergebnisse können unterschiedlich interpretiert werden. Ich verstehe das Ergebnis der aktuellen Kommunalwahl als Wählerauftrag an drei ähnlich starke Parteien, angemessene Kooperationswege zu suchen.
Das werden auch neue Wege sein müssen, die im Moment noch nicht sicher zur Verfügung stehen.
Deshalb schließe ich mich der Wahlempfehlung einzelner grüner Parteimitglieder, deren Entscheidung ich ebenfalls für gut begründet halte, nicht an.
Ich kann mir eine zuverlässige Zusammenarbeit mit beiden Kandidaten vorstellen. Unabhängig von den Empfehlungen einzelner gibt es bisher keine Festlegung der Grünen auf einen Partner. Das, was bisher besprochen wurde, ist die Verabredung auf eine neue Form der Zusammenarbeit. Das hat einen „Ermöglichungscharakter“ und keinen „Verhinderungscharakter“.
Die Grünen haben aufgrund des deutlichen Zugewinns beim Wahlergebnis neben SPD und CDU einen Auftrag bekommen, bestimmte Inhalte anzugehen und sich dafür themenorientiert Partner zu suchen. Es liegt auch an den jeweiligen Partnern, sich einzubringen.
Aktuell hat sich die CDU einen inhaltlichen Vorsprung verschafft, weil sie schneller interessante programmatische Schnittmengen zum grünen Programm definiert hat. Die politische Kultur wird sich entwickeln müssen. Häufiger als bisher wird bei Abstimmungsprozessen, unsicheres Gebiet zu betreten sein. In diesem Sinne ist die entstandene Dynamik vor der Bürgermeisterwahl am Sonntag beispielhaft für das, was den Parteien bevorsteht.
Meine Empfehlung besteht darin, sich auf die Themen zu konzentrieren und im Abstimmungsprozess mit der nötigen Ambiguitätstoleranz zu Werke zu gehen. Die inhaltlichen Profilierung aller Beteiligten kann zu einem Gewinn für die ganze Stadt werden.“
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