„Quellen erübrigen sich“: Ein düsterer Masterplan, zehn dröhnend schweigende Bürgermeister und fünf dröhnende Metaller

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Symbolbild "düsteres Geheimnis" - Quelle Pixabay
  • Meinung

Die im offenen Brief der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie dem Landrat getroffenen Aussagen beziehen sich auf einen aktuellen öffentlichen Diskurs, der Interessierten jederzeit in einer Vielzahl von Medien zugänglich ist. Die Nennung von Quellen oder gar eine Verlinkung erübrigen sich deshalb.“

Ah ja. Hm. Quellen oder „gar eine Verlinkung“ erübrigen sich. Schade eigentlich. Deutlicher gesagt: ärgerlich.

Jene schnippisch-schmallippigen Zeilen erhielt unsere Redaktion am 6. Februar als einzige Antwort auf eine Presseanfrage, die sie vier Tage zuvor an die eine ganze Fußballmannschaft Adressaten gemailt hatte: an die Pressestelle des Landrates im Kreishaus Unna sowie an sämtliche 10 Bürgermeister und Bürgermeisterinnen im schönen Kreis Unna.

Wieso dieser Aufwand?

Alle Stadtoberhäupter und der Landrat hatten ein paar Tage zuvor einen Aufruf unterzeichnet, der die aktuellen Kundgebungen „gegen Rechts“ bzw. „gegen Rechtsextremismus“ lobt (mit der so wichtigen Begriffsunterscheidung ist es leider meist nicht weit her) und die Bürger dazu ermuntert, für Demokratie und Toleranz einzustehen.

Letzteres ist nun zweifellos eine rundum gute und wichtige Sache, weshalb unsere Redaktion gern die entsprechende Pressemitteilung aus dem Kreishaus übernahm. Diese Mitteilung, am 1. Februar verschickt, enthielt zwei Links: einen zu einer Videobotschaft der Bürgermeister und des Landrates, einen anderen zu einem dazugehörigen „offenen Brief“, den alle 10 Stadtoberhäupter handschriftlich unterzeichnet haben.

Der Artikel hatte sich für uns im positiven Sinne bereits erledigt, war also veröffentlichungsreif, als wir beim Lesen dieses verlinkten Briefes über folgenden Absatz stolperten:

„Wer zehntausende Menschen mit Migrationsgeschichte… aus der Bundesrepublik vertreiben will, plant einen Angriff auf unser Grundgesetz. Dieser sogenannte Masterplan ist nicht nur offenkundig verfassungswidrig. Er wirkt wie der unverhohlene Wunsch, an die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte anzuknüpfen.“

Auf diesen Absatz folgte nichts weiteres zu diesem unheilschwangeren „Masterplan“. Keine Erklärung, kein Hinweis auf den Urheber, kein Link zu irgendeiner weiterführenden Quelle. Nichts.

Nun ist es regelmäßigen Rundblicklesern bekannt, dass wir immer großen Wert auf die Rückvollziehbarkeit von Behauptungen legen, insbesondere wenn es um schwerstwiegende Behauptungen geht wie das Vorhandensein eines hoch verfassungswidrigen „Plans“, mit dem seine Urheber unmittelbar an die massenmörderische NS-Zeit anzuknüpfen gedenken. Sowas hätte man dann als kritischer Leser und politisch interessierter Bürger doch bitte mal im Original vorliegen und gelesen.

Umso irritierender war das vollkommene Aussparen weiterer Erklärungen in dieser Mitteilung aus der Kreispressestelle, welche sich sonst gerade dadurch auszeichnet (das ist als Kompliment gemeint), ihren Verlautbarungen auch zu trivialsten Themen stets pflichtbewusst und nachvollziehbar Rückverweise und Links zu weiterführenden Informationen beizufügen. Wie es eben zu erwarten ist von einer mit Profis besetzten und steuerfinanzierten kommunalen Pressestelle.

Hier nun mal: gar nichts. Hmh.

Wir sind zwar auch nicht auf den Kopf gefallen und konnten uns natürlich „denken, was und wer gemeint war“, doch sich irgend etwas zu denken und die Rätselei ohne Erklärungen an die Leser weiterzureichen ist nicht Aufgabe von Journalisten und sollte eigentlich auch nicht Aufgabe von Bürgermeistern und Landräten sein, die ihren Bürgern, die für ihr Auskommen sorgen, zur Dienstleistung verpflichtet sind. Daher, siehe oben, Anfrage in Fußballmannschaftsstärke, an Kreispressestelle und 10 Bürgermeisterpressetellen. Mit einer für uns bisher einmaligen Resonanz: Null.

Keine einzige Rückmeldung auf elf Presseanfragen. Man macht in diesem Job auch nach Jahrzehnten immer wieder neue Erfahrungen.

Nach dreimaligem Nachhaken bei der Kreispressestelle, zweimal telefonisch, einmal schriftlich, schickte deren Leiter uns dann endlich diese eingangs zitierten dürren zwei Zeilen; die auf uns den Eindruck machten, als sei schon unsere Anfrage (die wir sogar noch mit einem freundlichen Neujahrsgruß verbunden hatten) eine Zumutung gewesen. Aus den 10 Städten und Gemeinden kam noch nicht einmal die knappe Antwort, dass keine Antwort kommen werde, was auf uns ebenso feige wie unhöflich wirkte und uns zumindest bei denjenigen Pressestellen wirklich etwas ärgerte, die uns sonst stets eifrig zur Verbreitung ihrer städtischen Informationen nutzen und mit denen wir seit Jahren zur meist beidseitigen Zufriedenheit zusammenarbeiten.

Bei zweien von ihnen, wir nennen sie hier mal nicht, haben wir dann einfach mal angerufen und stießen auf peinlich berührte Ausflüchte. Der eine Pressesprecher wimmelte uns ab mit einem hastigen „bin im Termin, hab gerade leider überhaupt keine Zeit!“, die andere verlegene Pressekraft ließ uns von ihrem Stadtoberhaupt ausrichten, der offene Brief erkläre sich durch das Video (was nicht der Fall ist), und überhaupt habe diesen Brief ja der Kreis bzw. der Landrat initiiert und nicht er/sie selbst, der Bürgermeister/die Bürgermeisterin.

Ob man als BürgermeisterIn denn nicht eine öffentliche Verkündigung liest, bevor man sie persönlich unterschreibt und in die Welt sendet? Auf diese Frage, die wir uns nicht verkneifen konnten, erwarteten wir dann wirklich keine Antwort.

Gemäß der Empfehlung des Kreispressesprechers, wir und alle anderen Interessierten sollten sich die fehlenden Informationen selbst irgendwoher beschaffen, bemühten wir abends Dr. Google, der uns aufs Stichwort „Masterplan“ als ersten Treffer eine Band anbot. Stilrichtung Power-Metal.

Die ist vom Wacken-Open Air bekannt. Das wussten Sie nicht? Wir auch nicht. Aber jetzt.

Die schweren Jungs von „Masterplan“ dürften sich über den plötzlichen Traffic aus dem Kreis Unna gewundert haben; oder auch doch nicht, denn die eigentlichen Fakten hinter jenem von 10 Bürgermeistern plus Landrat beschworenem „Plan“ dürften wohl die wenigsten interessieren in Zeiten, in denen ein Bürgermeister nicht einmal mehr weiß, was er nur wenige Tage zuvor selbst mit schwungvoller Feder unterschrieben hat.

Egal. Es ist Freitagabend. Wochenende. Hört mal rein in „Masterplan“. Die Jungs gehen ab.

  • Silvia Rinke, Redaktion RB

3 KOMMENTARE

  1. Die Pressesprecher vom Kreis Unna und der Stadt Unna haben ja kaum tägliche Anfragen von Journalisten zu bearbeiten.

    Sprecherin des Kreis Unna ist Frau Leonie Joost, ehemalige Journalistin beim Hellweger Anzeiger.
    Seit Januar 2023 ist Anna Gemünd Pressesprecherin bei der Stadt Unna, ehemalige Journalistin beim Hellweger Anzeiger.
    Im April 2023 kam Kevin Kohues als neuer Pressesprecher dazu, der ehemalige Redaktionsleiter vom Hellweger Anzeiger.
    Der Grüne Johannes Ray Heese, Kreisgeschäftsführer und Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei den Grünen in Unna, ist Journalist beim Hellweger Anzeiger.

    Die sind also schon alle inoffiziell durch ihre jahrelange berufliche Zusammenarbeit mit dem Hellweger eng vernetzt, wahrscheinlich auch privat.

    Als einziges relevantes Nachrichtenportal, wo der Bürger in Unna sich sonst noch über die aktuelle örtliche Tagespolitik informieren kann, kenn ich nur noch den Rundblick, die einzige Konkurrenz zum Hellweger Anzeiger.

    Bei Informationen ohne Bezahlschranke und mit relevanter Interaktion in den Netzwerken sind es sogar die einzigen Journalisten, die in Unna noch unabhängig aktiv sind.

    Inzwischen gibt es im östlichen Ruhrgebiet praktisch nur noch eine engvernetzte Mediengruppe, die im Hintergrund vom mächtigen FUNKE Konzern dominiert wird und in die auch der Hellweger Anzeiger eingebunden ist.
    Der vorherige Chef des Bundeskanzleramtes sowie Bundesminister für besondere Aufgaben in der ersten Regierung Schröder, Bodom Hombach, hat da viel im Auftrag der Inhaberfamilie von Funke in die Wege geleitet.

    Wenn ich an der Stadtspitze wäre, würde ich den Journalisten vom Rundblick ein Angebot machen, was sie nicht ablehnen können :-).

    Wie ein Journalist, der es beruflich bedingt verinnerlicht hat, kritisch zu hinterfragen, plötzlich zum Experten für die unkritische Vermittlung von Botschaften seiner Auftraggeber werden kann, habe ich allerdings ich bis heute nicht begriffen. Wo haben die das gelernt?

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