Im Bürgermeisterwahlkampf im Sommer 2020 hatte sich der damalige Beigeordnete Dirk Wigant allem voran eines vorgenommen: Als Verwaltungschef die Bürger so oft wie möglich in Entscheidungsprozesse einzubinden, sie mitreden und mitzubestimmen lassen über ihre Stadt. Gut zweieinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt vermissen viele Unnaerinnen und Unnaer und die politischen Ratsfraktionen gerade diese versprochene Bürgernähe an Bürgermeister Wigants Amtsführung.
Den vorläufigen Höhepunkt der BürgerUNfreundlichkeit sehen SPD, WfU und FLU mit der von Wigant vorgeschlagenen neuen Geschäftsordnung für den Rat erreicht: Der Entwurf sei ein „Skandal“, da er Bürger wie Politiker gängele und ihnen buchstäblich den Mund verbiete.
Am heutigen Donnerstag, 2. März, steht die neue Geschäftsordnung im Haupt- und Finanzausschuss auf der Tagesordnung.
Lesen Sie hier noch einmal, was der damalige CDU-Bürgermeisterkandidat in einem Interview mit Rundblick Unna im August 2020 ankündigte.
Herr Wigant, Sie sind momentan Beigeordneter bei der Stadt. Was soll sich unter einem „Bürgermeister Dirk Wigant“ verändern – in der Verwaltung, in der Politik, für die Bürger?
Dirk Wigant: Ich möchte Bürgerbeteiligung! Vor der Ratsentscheidung, bei allen wichtigen Themen, die die Bürgerinnen und Bürger betreffen, will ich den Mehrheitswillen kennen. Sie sind über das gesetzlich Notwendige hinaus frühzeitig mit einzubinden. Ein Beispiel: die Auseinandersetzung um eine Einzelhandelsansiedlung in Massen. Hier reklamiert jedes Lager für sich, die Mehrheit hinter sich zu wissen. Umfragen, die das tatsächliche Stimmungsbild erfassen würden, gibt es jedoch bislang nicht. Man ist klug beraten, Entscheidungen nicht am Mehrheitswillen der Menschen vorbei zu treffen.
Bei welchen anderen aktuellen Projekten hätten Sie die Bürger vorher gefragt?
Wigant: Beim Einkaufscenter Mühle Bremme zum Beispiel oder natürlich bei der Eishalle. Hier hätte man sich durch frühe Befragung der Bevölkerung viel Zeit und Geld sparen können. Es muss ein grundsätzliches Umdenken stattfinden: Wir müssen mit den Bürgerinnen und Bürgern entscheiden, nicht über sie! Und keine Klientelpolitik – ich würde von Demokraten erwarten, dass sie ein Votum, das sie so bekommen haben, dann auch respektieren.
Wie wollen Sie diesen Bürgerwillen praktisch erkunden? Sollen die Bürger Zettel in aufgestellte Boxen werfen?
Wigant: Natürlich will ich grundsätzlich auch hierfür neue digitale Medien nutzen. Das Ziel muss sein, so viele wie möglich in die Entscheidungen einzubinden, so dass der Rat die Meinung der Bevölkerung kennt und sie stets berücksichtigt. Und es muss zielgruppenbezogen sein: Es ist wenig sinnvoll, in Hemmerde zu einem Einkaufszentrum in Massen zu fragen. Zusätzlich kann das Interesse für das Gemeinwesen durch Bürgerhaushalte oder ein Bürgerbudget und damit echte Einwirkungsmöglichkeiten für den Ortsteil gestärkt werden. Ehrenamtscard und Ehrenamtstag bringen mehr Wertschätzung für freiwilliges Engagement. Ein Neubürgerempfang zeigt Zugezogenen direkt die vielen Beteiligungsmöglichkeiten und hilft, Kontakte zu knüpfen…
Was ist für Sie eine bürgernahe Stadtverwaltung?
Wigant: Eine Verwaltung, die sich als Dienstleister, Bürgerinnen und Bürger als Kunden versteht. Auch die Digitalisierung spielt dabei eine große Rolle. Nicht nur der neue Bürgermeister, sondern die gesamte Verwaltung muss ja nicht immer persönlich aufgesucht werden. Corona hat da die Richtung ja schon aufgezeigt. Alle Unnaer/innen werden aber wählen können, ob sie ihre Angelegenheiten digital oder weiterhin, bei gleicher kompetenter Beratung und kurzen Bearbeitungszeiten, durch einen persönlichen Besuch erledigen möchten – je nach eigenem Bedarf.
Wo wollen Sie personelle Schwerpunkte setzen?
Wigant: Eben bei der Bürgerbeteiligung an sich – vor wichtigen Entscheidungen, z. B. über Infrastruktur, Umwelt / Klima / (Masterplan) Mobilität bis hin zum Ausbau des kommunalen Ordnungsdienstes und der Einführung einer Mängelmeldeapp mit garantierten Antwortzeiten.
Kommen wir zu den Finanzen. Wie wollen Sie als Verwaltungschef Unnas Haushaltsprobleme in den Griff bekommen?
Wigant: Zunächst mal werde ich mich politisch dafür einsetzen, dass Bund und Land die von ihnen verursachten Probleme auch lösen. Der derzeit diskutierte Schuldenschnitt wäre ein solches Instrument. Ich will aber nicht nur nach Hilfe von außen rufen.
… sondern?
Wigant: Klug sparen, so dass es Bürgerinnen und Bürger möglichst gar nicht merken: organisatorische Veränderungen, Vermeidung von Doppelstrukturen, Effizienzsteigerungen auch durch Digitalisierung und interkommunale Zusammenarbeit…
Da gab es ja vor Jahren die Diskussion, die Kulturanbieter – Kulturamt, Lindenbrauerei und Stadthalle – unter einem Dach zu bündeln: Würden Sie dieses Thema wieder neu aufs Trapez bringen?
Wigant: Als Volks- und Betriebswirt sowie ehemaliger Verwaltungsleiter der Kulturbetriebe Unna fände ich es richtig, die Diskussion wieder aufzunehmen. Um das Angebot möglichst zu erhalten, geht es mir darum, Bereiche zu bündeln und effizienter zu organisieren. Das gilt aber genauso für die gesamte städtische Organisation.
Sie meinen: Da gibt es die Stadtverwaltung, die Wirtschaftsbetriebe, die Stadtbetriebe, die Stadtwerke…
Wigant: Man sollte grundsätzlich fragen: Welche Bereiche müssen eigentlich noch in eigenen Gesellschaften untergebracht sein? Welche könnten im Sinne der Effizienz und der Kostenersparnis in die Verwaltung (re-)integriert werden? Und wir sollten auch nicht die Ergebnisse der Gemeindeprüfungsanstalt NRW außer Acht lassen: Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem, obwohl Unna schon heute zu den 20 teuersten NRW-Kommunen bei der Grundsteuer B gehört, an der meiner Meinung nach auch nicht weiter gedreht werden darf.
Wir möchten im Folgenden gern Ihre Meinung zu folgenden sehr strittig diskutierten Unnaer Themen hören:
1. Eishalle – wie stehen Sie zur Kritik einer bewussten Verschleppung der Sanierung durch die Stadtverwaltung?
Wigant: Zunächst hätte man bei der Entscheidung die Bürgerinnen und Bürger schon anders mitnehmen, sie zumindest fragen müssen. Dann hätte man im Vorfeld wohl andere Entscheidungen getroffen. Aber das wird ja dank neuer Beteiligungsformen nicht mehr passieren. Die Stadt hat bei der Eishalle eine Verpflichtung als (mittelbare) Eigentümerin sowie als Bauaufsichts- und Genehmigungsbehörde. Diese Verantwortung dafür, dass keine Menschen zu Schaden kommen, kann ihr niemand abnehmen, auch wenn dies noch so lautstark formuliert wird. Die Renovierung einer über 40 Jahre alten Eishalle ist ein äußerst komplexes Unterfangen. Ein Neubau wäre sicherlich einfacher zu realisieren, widerspricht aber dem Wortlaut des Bürgerentscheids. Auch die vielen Änderungsvorschläge im Nachhinein haben das Projekt sicher nicht beschleunigt.
2. Verkehrspolitik – Grüne und SPD propagieren die Verkehrswende mit klarer Bevorzugung des Verkehrsmittels Fahrrad. Was sagt ein Dirk Wigant den Autofahrern?
Wigant: Ich schreibe niemandem vor, ob er Rad oder Auto zu fahren hat, den Bus nimmt oder zu Fuß geht. Ich persönlich fahre viel Fahrrad, etwa auch zur Arbeit. Daneben bin ich aber auch Fußgänger (mit einem kleinen Kind an meiner Seite) und Autofahrer, manchmal auch Bus- oder Bahnfahrer. Ich möchte keine Verkehrsart gegen eine andere ausspielen oder priorisieren und niemanden bevormunden, sondern Anreize schaffen. Man muss selbst entscheiden können. Als Vorbild sehe ich hier die Niederlande, wo Verkehrsarten konsequent und sicher baulich voneinander getrennt sind. Dann fährt man auch gerne Rad. In Unna fehlt ein zeitgemäßes Mobilitätskonzept, das mit Anreizen statt Verboten arbeitet. Gerade bei einem so wichtigen Thema kommt aber wieder mein Grundansatz zur Geltung: Wir müssen mit den Bürgerinnen und Bürgern entscheiden, nicht über sie! Ich will einen neuen Masterplan Mobilität. Er löst unseren 30 Jahre alten Verkehrsentwicklungsplan ab und wird in regelmäßigen Dialogveranstaltungen und Workshops mit den Bürgerinnen und Bürgern, bei denen alle Verkehrsarten ohne einseitige Bevorzugungen berücksichtigt werden, zeitgemäß entwickelt.
Und „zeitgemäß“ finden Sie in Zeiten der Klimakrise auch den Bau neuer Straßen – Stichwort Westtangente?
Wigant: Auch Stauvermeidung ist lokaler Klima- und Umweltschutz! Wichtige Entlastungsstraßen wie die Westtangente/OWIIIa müssen deshalb jetzt endlich gebaut werden!
Ein drittes großes Thema für Unna: die Fußgängerzone: Im zweiten Anlauf liegt ja jetzt endlich der Förderbescheid vor. Sehen Sie bei den Planungen noch Abänderungsbedarf (es sind ja schon wieder einige Diskussionen losgegangen), oder finden Sie: Es muss jetzt endlich losgehen, nach den Plänen, die beschlossen wurden?
Wigant: Hier hat es umfangreiche Beteiligungsprozesse gegeben. Jeder neue Antrag auf Umplanung würde jetzt wieder neue Prozesse auslösen und verzögern. Es kann und soll jetzt losgehen an der Massener Straße und planerisch auch weitergehen mit dem nächsten Abschnitt, der Bahnhofstraße.
4. Jugendangebote – teilen Sie die Kritik, dass Unna inzwischen kaum noch etwas für die Jugend bietet? Wenn ja, wo sehen Sie Möglichkeiten der Abhilfe?
Wigant: Vielleicht sieht es auf den ersten Blick so aus, weil bei vielen Angeboten nicht „Stadt Unna“ draufsteht. Wenn ich aber z. B. die Jugendkunstschule, den Zirkus Travados oder unsere Ferienaktionen sehe, dann bieten wir in Unna viele Dinge, die weit über das Angebot vergleichbarer Städte hinausgehen. Zudem leisten, auch mit städtischer Unterstützung, Vereine, Hilfsorganisationen und die Feuerwehr hervorragende Jugendarbeit. Die Stadt unterstützt auch viele offene Treffs. Das ist mir wichtig zu erwähnen, weil ich selber mit kirchlicher Jugendarbeit groß geworden bin und dort Freundschaften gefunden habe, die ein Leben lang halten. Last but not least gibt es Schulprojekte, Tagesveranstaltungen und vor allem Spiel-, Bolz- und sonstige Flächen in einer großen Zahl, die zum Teil ja auch auf Initiative von Jugendlichen erst zustande kamen, wie z. B. der Skaterpark.
… zwischen einer Hauptverkehrsstraße und einer Autobahn. Wieso findet man so etwas nicht im Kurpark oder im Bornekamp?
Wigant: Man muss Stellen finden, die für die Jugendlichen attraktiv sind und von der Bevölkerung nicht als störend empfunden werden. Manchmal liegt es nämlich gar nicht daran, dass Geld oder Umsetzungswille fehlen. Es ist grundsätzlich wichtig, dass wir nicht an den Interessen der Jugendlichen vorbeiplanen, sondern sie aktiv einbeziehen, damit die Angebote auch angenommen werden. Und vom Rathaus kommt dann Hilfestellung zur Realisierung.
Unsere Abschlussfrage: Wieso sollen die Unnaerinnen und Unnaer Dirk Wigant zum Bürgermeister wählen?
Wigant: Ich habe 30 Jahre Berufserfahrung in nahezu allen Aufgaben einer Kommunalverwaltung. Unna ist meine Heimatstadt, hier lebe ich gerne, bin ich geboren und aufgewachsen, habe die Stadt also in allen Facetten genossen und kenne sie inklusive der Verwaltung aus dem Effeff.
Mein beruflicher Weg und das Volkswirtschaftsstudium mit dem Schwerpunkt öffentliche Betriebe und Verwaltungen würden mir ermöglichen, das Bürgermeisteramt zum Wohle dieser Stadt gut ausfüllen zu können. Nicht nur durch berufliche Erfahrungen, auch in anderen Kommunen, bin ich innovativ, um Unna an entscheidender Stelle nach vorne bringen zu können. Ich sage aber auch deutlich, dass ich vor dieser Aufgabe großen Respekt habe. Um sie zu bewältigen, verstehe ich mich als Teamplayer. Zusammen mit den Unnaerinnen und Unnaern, der Verwaltung – und natürlich auch mit der Politik, wo wir dringend ein neues Miteinander brauchen und eine Streitkultur, die Andersdenkende nicht angreift, sondern einlädt.
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Das Interview führte Silvia Rinke.
Und Zack….hat uns die Realität eingeholt. Toppen kann er das nur noch wenn er wieder antritt. Ich hoffe das es nicht so ist. Ärmer geht es nicht und ich fühle mich verascht
Sehr aufschlussreich, stehen doch diese Aussagen im Widerspruch zu dem Verhalten des BM bereits seit der Stichwahl.
Erinnern wir uns an das mehr als blamable konspirative Treffen mit der Grünen, dilettantisch ausgeführt. Kurz danach gab es eine Wahl Empfehlung der Grünen zum CDU BM Kandidat.
Nach der Wahl dann der nächste tollpatschige Versuch einer Manipulation die von Offenheit und Ehrlichkeit weit entfernt ist. Die Anpassung der Stellenbeschreibung eines Dezernenten, passend zurechtgeschneidert zum Lebenslauf der Grünen Vorsitzenden.
Ist leider in die Hose gegangen auf Grund von Indiskretionen, aber ja dann doch noch gut gegangen da ein anderes Mitglied der Grünen diese Stelle nicht nur erhalten sondern, wie vor kurzem Berichtet, auch höher dotiert werden soll als zwingen erforderlich.
Und so geht es lustig weiter mit dem Schmuh der Rot Grünen im Rat. Haben sie doch in allen Abstimmungen, sofern Fraktionszwang eingehalten wird, die Mehrheit.
In diesem Fall frage ich mich allerdings ob denn die Mitglieder der CDU das immer so mit dem Wählerversprechen in den Ortsteilen vereinbaren können. Offensichtlich nicht wie in Kessebüren zu sehen.
Was von den Grünen zu halten ist bezüglich offener Diskussion und Bürger Beteiligung ist ja nun hinreichend bekannt.
Insofern passt natürlich, im Gegensatz zu anderen Kommunen die ein Streaming ihrer Sitzungen als Selbstverständlichkeit zu der offenen und ehrlichen Ratsarbeit sehen, in Unna sowohl das Wort der Anwesenden als auch die Übertragung von Ratssitzungen in der neuen Geschäftsordnung beschnitten oder nicht vorgesehen ist.
Sorry Korrektur, in dem Fall natürlich: „lustig weiter mit dem Schmuh der SCHWARZ Grünen im Rat“
Meine Güte St. Gremling!
Es ist sicher für manchen (nicht für mich) schon erschreckend, über wie viele Insiderkenntnisse Sie verfügen. Vermutlich schreiben Sie deshalb auch unter Pseudonym. Ich kann das nachvollziehen, weiß ich doch aus eigener Erfahrung, wie man mit Leuten umgeht, die Zusammenhänge schildern, die ein Teil des Rates -einschließlich Bürgermeister- mitunter lieber geheim gehalten hätte. Wenn es Ihnen vielleicht eines Tages -so wie mir- egal ist, dass Sie von einigen Menschen nicht mehr gegrüßt werden, würde ich mich gerne mal mit Ihnen offen unterhalten. Man gewöhnt sich sogar daran, unter „Generalverdacht“ zu leben. Bis dahin werde ich mit stiller Freude Ihre kritischen Kommentare lesen und manchmal sogar genießen.
Vielen Dank Herr Göldner.
Ich bevorzuge eben einen ehrlichen, offenen und vertrauensvollen Umgang miteinander. Selbst wenn der „Ton“ dabei auch schon mal etwas rauer ist. Und in der Politik sollte immer der Wählerauftrag dabei im Vordergrund stehen und nicht Parteiinteresse, persönliches Wohlergehen und Vetternwirtschaft.
Insofern schätze ich ihre Arbeit und das Engagement ihrer Fraktion. Einschließen muss ich dazu auch die WfU.
Selbst habe ich übrigens genug Rückgrat und keine Angst nicht mehr gegrüßt zu werden. Es tragen aber noch mehr in Unna unseren Hausnamen.
Und wie sie selbst schildern können Ratsmitglieder und der BM so etwas nicht abgrenzen. Deswegen schreibe ich unter Pseudonym, bin aber der RB Unna Redaktion bestens bekannt.