Auch in der letzten Ratssitzung vor der politischen Sommerpause ging es für Unnas Fraktionen am Donnerstag (23. Juni) noch einmal ein höchst unerfreuliches Thema: die Frage, wie man sich auf juristisch korrektem Wege Ratsleuten entledigt, die dort – unter moralischen oder gefühlt rechtlichen Aspekten – eigentlich „nichts mehr zu suchen haben“. Die auch gar nicht körperlich anwesend sind, gleichwohl seit Monaten weiterhin ihre Fraktionsgelder beziehen und durch das Verharren auf ihrem Posten Nachrücker blockieren.
Die Rede ist von Christoph Tetzner, Ex-WfU, Ex-Linke.PLUS, und von Meinolf Schmidt von den Freien Wählern.
Zumindest das leidige Kapitel Tetzner ist jetzt für seine letzten beiden politischen Heimaten abgeschlossen. Der über das WfU-Ticket in den Rat gewählte Lokalpolitiker, der noch vor der konstituierenden Sitzung unter Mitnahme seines per Liste erworbenen Mandats die WfU verließ und sich der LINKEN anschloss, ist zum 14. Juni 2022 offiziell aus dem Rat ausgeschieden.
Bürgermeister Wigant gab das dem Rat am Donnerstag zur Kenntnis. Der ehemalige Unnaer Bürger, der jetzt in Griechenland lebt, verlor sein Mandat aufgrund seines Wohnortwechsels (der Erstwohnsitz eines Unnaer Ratsvertreters muss Unna sein) und hat, so der Bürgermeister, gegen seinen Ausschluss auch keine Rechtsmittel eingelegt.
Die derzeit dreiköpfige WfU-Fraktion kann den bei der Kommunalwahl errungenen vierten Sitz also endlich nachbesetzen. Nachrücker wird voraussichtlich der Polizeibeamte Sven Arnt sein.
Weiterhin entschiedene Uneinigkeit herrscht hingegen im Fall Meinolf Schmidt, dem mit einem Strafbefehl belasteten Ratsherrn der Freien Wähler. Jenen Strafbefehl hatte sich Schmidt wegen Meineids im Zusammenhang mit der Kommmunalwahl 2020 eingehandelt.
Aus dem Kreisverband trat er am 30.04.2022 mit seiner Wählergemeinschaft aus – aus dem Stadtrat Unna nicht, bis heute nicht.
Also, forderten FLU und WfU, fordern wir ihn doch als Rat zum Austritt auf.
Dazu kam es am Donnerstag aber nicht.
Die Causa Schmidt wurde noch vor der ersten Wortmeldung auf Antrag des Bürgermeisters von der Tagesordnung genommen. Wigant zur Begründung:
„Ich möchte den Rat davor bewahren, eine rechtswidrige Entscheidung zu treffen.“
Der Rat kann Schmidt nämlich weder „hinauswerfen“, noch kann er ihn auffordern, sein Mandat zurück zu geben. Bzw. kann er das schon, nur begeht er damit einen Rechtsverstoß.
Meinolf Schmidt hat sich bis auf Weiteres krank gemeldet, bezieht also weiterhin sein Geld. Für ein politisches Mandat, das er, so regte sich FLU-Fraktionschef Klaus Göldner auf, „erschlichen“ und niemals ausgeübt hat.
Der Rat folgte Wigants Vorschlag dennoch mit großer Mehrheit und nahm die Causa Schmidt von der Tagesordnung. Tenor: Man sei sich ja einig, dass man ihn liebend gerne loswerden würde. Doch man wolle keinen Rechtsverstoß mit entsprechenden juristischen Konsequenzen riskieren.
Dass darüber keine Diskussion mehr erlaubt war und man das Verweilen eines Ratsvertreters unter solch fragwürdigen Umständen einfach weiter „erdulden“ soll, regte WfU-Fraktionschefin Ingrid Kroll und vor allem aber FLU-Fraktionschef Klaus Göldner über die Maßen auf.
Die FLU schickte uns noch während der Ratssitzung eine von Göldner vorbereitete Ansprache zur Causa Schmidt – eine „ungehaltene Rede“ im doppelten Wortsinn.
Eine ungehaltene Rede – Was Klaus Göldner (FLLU) zur Causa Schmidt gesagt hätte, wenn er hätte reden dürfen
„Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,
da in der Causa Meinolf Schmidt die rechtlichen Möglichkeiten nahezu ausgeschöpft sind, möchte ich Ihnen zu Anfang meiner Ausführungen ein Versprechen geben: Ich werde dieses Thema heute letztmalig in diesem Rahmen ansprechen, obwohl ich noch immer zu denjenigen Mitgliedern dieses Rates gehöre, die diese Situation für unerträglich halten.
In der letzten Sitzung des Hauptausschusses wurde gefragt, warum ich mich in dieser Angelegenheit so penetrant engagiere. Das will ich Ihnen gerne sagen. Es geht mir ganz sicher nicht darum, einen bereits beschädigten Menschen für sein Fehlverhalten zu „teeren und zu federn“, wie Frau Keuchel es ebenso bildhaft wie unpassend ausgedrückt hat. Nein, es geht einzig und allein um Schadensbegrenzung. Es geht darum, eine Person aus diesem Rat zu entfernen, die ihr Mandat ausschließlich mit betrügerischen Mitteln erlangt hat und jetzt nicht dazu bereit ist, die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Herr Schmidt gehört nicht in diesen nach demokratischen Grundsätzen gewählten Stadtrat. So einfach ist das, meine Damen und Herren.
Es ist schlimm genug, dass diese Situation überhaupt erst entstanden ist und aufgrund einer Gesetzeslücke wohl auch nicht durch Zwangsmaßnahmen geheilt werden kann. Wäre bei Herrn Schmidt auch nur noch ein letzter Funke von Restanstand vorhanden, hätte er den überfälligen Rücktritt längst selbst vollzogen und wir wären bereits lange wieder zur Tagesordnung über gegangen.
Da Herr Schmidt aber offensichtlich nicht freiwillig geht und er rechtlich wohl auch nicht dazu gezwungen werden kann, bleibt diesem Rat nur die Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen.
Politikverdrossenheit und Glaubwürdigkeitsverlust sind besonders in den letzten Jahren ein vorherrschendes Thema bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes. Eine Wahlbeteiligung von gerade einmal 55 Prozent bei der vor wenigen Wochen durchgeführten Landtagswahl sollte ein dringendes Alarmsignal sein. Fast jede(r) zweite Wahlberechtigte verzichtete hier freiwillig auf ein Grundrecht, für das andernorts gekämpft und gestorben wird. Es ist den Mitbürgerinnen und Mitbürgern in unserer Stadt nicht zu vermitteln, dass jemand diesem Rat angehört, der für sein Mandat getäuscht und betrogen hat.
Man sagt, Straftaten dürfen sich nicht lohnen. In diesem Falle aber übersteigt die Summe der regelmäßigen Aufwandsentschädigungen, die Herr Schmidt im Laufe der Ratsperiode einstreicht, die gegen ihn verhängte Geldstrafe um ein Vielfaches.
Dies zu verhindern, sollte das Bestreben aller ehrlichen Ratsmitglieder sein. Dennoch scheint dieses Ziel nicht von allen Mitgliedern des Rates geteilt zu werden. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Die einen denken wohl, dass Herr Schmidt durch den selbstverschuldeten Ansehensverlust bereits genug bestraft ist. Andere wiederum haben ihm möglicherweise politisch einiges zu verdanken.
Der zurzeit aber beste Grund, einen Rücktrittsappell zu verweigern ist die Rechtsauffassung, dass selbst die Aufforderung an Herrn Schmidt, angesichts der Umstände freiwillig sein Mandat zurück zu geben, nicht zulässig sei. Diese Auffassung fußt auf dem Urteil eines Obergerichtes, welches jedoch in einem anderen Verfahren gesprochen wurde. Der Fall Schmidt ist in seiner Ausprägung jedoch bislang einmalig, was immer und überall hervorgehoben wird. Gleichwohl formuliert der Kreis Unna die Auffassung, dass eine Aufforderung zum Rücktritt zwar keine Rechtswirkung entfalte, jedoch aber möglicherweise beim Adressaten den subjektiven Eindruck einer Sanktion erzeuge, was wiederum die „freie Mandatsausübung“ beeinträchtigen könnte.
Welches Mandat, meine Damen und Herren? Herr Schmidt hat kein ehrliches Mandat und seine Ausübung beschränkt sich ausschließlich auf die Entgegennahme der monatlichen Aufwandsentschädigungen. Er hat sich zunächst einmal für das gesamte laufende Jahr beim Bürgermeister abgemeldet.
Und da soll es nicht erlaubt sein, ihn zu dem einzig richtigen Schritt aufzufordern? Er könnte doch die Aufforderung einfach ignorieren, oder den Rücktritt ablehnen. Wir hätten damit aber alles uns Mögliche getan, ihm sowie unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu zeigen, dass wir ein solches Verhalten missbilligen.
Dass man das genannte Urteil nicht zwingend so auslegen muss, wie es der Kreis Unna in seiner Stellungnahme macht, beweist ein Fall aus Castrop Rauxel. Dort wurde einer grünen Ratsfrau und Impfverweigerin im November 2021 vom Rat einstimmig und unbeanstandet der Rücktritt nahegelegt. Eine Straftat hatte diese zuvor nicht begangen. Geht doch, meine Damen und Herren.
Für den Fall, dass Sie unserem Antrag zustimmen sollten und wir gemeinsam Herrn Schmidt zum Rücktritt auffordern, hat der Bürgermeister bereits im Vorfeld angekündigt, diesen Beschluss zu beanstanden. Nun gut, wie bereits festgestellt, hätte dieser Beschluss lediglich Appellcharakter und keinerlei Rechtswirkung. Welche Rechtsfolge sollte denn dann die Beanstandung des Bürgermeisters auslösen? Das wäre doch mal eine weitere spannende Frage in der Kreisstadt Unna, die nach Aussage von kommunalen Verbänden und Aufsichtsbehörden angeblich zumindest in der Erzeugung spannender Rechtsfragen führend ist.
Nein meine Damen und Herren, lassen Sie sich nicht bange machen. Lassen Sie uns gemeinsam dieses Zeichen setzen und Herrn Schmidt zum Rücktritt auffordern. Wir werden ja sehen, was dann passiert.
Klaus Göldner, Fraktionsvorsitzender“
Und noch eine weitere Replik hatte Göldner vorbereitet. Sie bezog sich auf einen Antrag der CDU im Zusammenhang mit der „Causa Schmidt“: Es solle eine Resolution ans Land verabschiedet werden, nach der jedes Ratsmitglied, das über eine Liste in den Rat einzieht und danach seine Fraktion verlässt, künftig aus dem Rat ausscheiden soll – das Mandat geht an die Fraktion zurück:
„Das könnte Ihnen so passen! Wer die Nibelungentreue gegenüber der Partei verletzt und diese verlässt, wird auch aus dem Rat geworfen. Das wäre natürlich toll. Widerworte gibt’s nicht mehr und jede(r) folgt bedingungslos dem vorgegebenen Parteikurs.
So die Beschreibung des imperativen Mandats àla Meyer/Fröhlich. Da hat aber jemand offensichtlich in Verfassungsrecht nicht richtig aufgepasst.
In unserer Demokratie gilt das freie Mandat. Mandatsträger und Mandatsträgerinnen sind einzig ihrem Gewissen verantwortlich. Einen Fraktionszwang gibt es nicht. So ist es in unserer Verfassung verankert, die auch der Adressat Ihrer Resolution nicht ändern könnte.
Der Gipfel in Ihren Ausführungen ist jedoch, wie Sie zudem Ratsmitglieder in Klassen einteilen wollen. Direkt gewählt ist die 1. Klasse. Darf selbständig denken und agieren. Listenwahl ist 2. Klasse. Hat zu gehorchen oder aus dem Rat zu verschwinden.
Was muss man geraucht haben, um einen solchen Antrag zu stellen?
Ich denke, mit diesem Vorstoß haben Sie sich mindestens als jemand geoutet, der unser demokratisches System nicht richtig verstanden hat.
Schon komisch:
Auf der einen Seite halten Sie es rechtlich für nicht zulässig, einen bestraften Wahlbetrüger zu bitten, sein ergaunertes Mandat zurück zu geben.
Auf der anderen Seite wollen Sie Ratsmitglieder aus dem Rat werfen, deren einziges Vergehen es ist, ihre Fraktion zu verlassen.
Ja geht’s noch?“
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Da gebe ich Herrn Göldner zu 100% Recht und man kann sich in Unna nur noch schämen und bieten den Nichtwàhlern eine wahre Plattform. Unser Bürgermeister sollte in sich gehen und nicht nur „verwalten“, sondern Unna gestalten! Es ist teilweise unerträglich wie sich diese „grün-schwarze“ Stimmgemeinschaft mit ihren sagenhaften 26 Stimmen selbstherrlich darstellt. Wobei man unterstellen kann, das Frau Keuschel hier die Hosen an hat und unseren Bürgrrmeister das letzte Wort nimmt! Respekt!
Wohne seit 20 Jahren in Neuss. Wenn ich hier lese, was in meiner Geburtsstadt vor sich geht… teils unfassbar. Sehr traurig. Derartiges wäre hier großteils schlicht undenkbar
Hallo Olaf, schön, dass Sie über den Rundblick Kontakt zu Ihrer Heimatstadt halten. Man hätte solche Dinge auch hier nicht für möglich gehalten. Schöne Grüße nach Neuss!
[…] Mit dieser Frage hat sich in der politischen Sommerpause die Ratsfraktion „Wir für Unna“ (demnächst vierköpfig – Bericht HIER) auseinandergesetzt. […]
[…] Erst vor wenigen Wochen wurde ihm sein Ratsmandat dann entzogen, da sich Tetzner schon seit Monaten nicht mehr in Unna aufhielt, sondern seinen Erstwohnsitz nach Griechenland verlegt hatte. Wir berichteten. […]
[…] Über die „Causa Schmidt“ berichteten wir zuletzt am 26. Juni vorigen Jahres. […]
[…] Über die „Causa Schmidt“ berichteten wir ausführlich am 26. Juni vorigen Jahres. […]