Bürgerwille eiskalt abserviert? „Mehr Demokratie“ NRW fordert neuen Bürgerentscheid und Abschaffung der Kostenschätzung

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Seit fünf Jahren geschlossen: Eishalle am Ligusterweg in Unna. (Foto: S. Rinke)

„Bürgerwille eiskalt abserviert?!“ Der Verein „Mehr Demokratie NRW“ ist auf den Unnaer Eishallenstreit aufmerksam geworden. Er fordert: Im Zweifel müsse es einen erneuten Bürgerentscheid geben.

In einer vom 22. Juni datierten Pressemitteilung des Vereins mit Sitz in der Landeshauptstadt Düsseldorf heißt es zu dem Streit:

„Im Mai 2019 haben sich die Bürger Unnas bei einem Bürgerentscheid für eine Sanierung ihrer Eishalle ausgesprochen. Ziemlich genau zwei Jahre später hat der Stadtrat vergangenen Mittwoch (16.06.) entschieden, diesen Bürgerentscheid aufzuheben und nicht umzusetzen. (HIER berichten wir)

Begründet hat der Rat seinen Beschluss mit gestiegenen Kosten für die Sanierung.

„Zwei Jahre nach einem Bürgerentscheid endet dessen Bindungswirkung, rechtlich ist der Rat also auf der sicheren Seite. Mit Blick auf unsere Demokratie würde ich aber dringend empfehlen, den politischen Auftrag der 16.000 Bürgerinnen und Bürger nicht zu ignorieren, die sich beim Bürgerentscheid für die Eishalle ausgesprochen haben“,

so Achim Wölfel, Leiter des Landesbüros NRW von Mehr Demokratie.

Dass sich die äußeren Umstände nach einem Bürgerentscheid wesentlich ändern, könne laut Wölfel durchaus vorkommen. Im Zweifel brauche es dann aber eine erneute Abstimmung der Bürger.

In Unna stimmten die Bürger am 26. Mai 2019 über den Erhalt der dortigen Eissporthalle ab. Der Stadtrat hatte im Jahr 2018 die Schließung der Eissporthalle beschlossen. Die Bürgerinitiative „Unna.braucht.EIS“ wandte sich mit einem Bürgerbegehren gegen diesen Ratsbeschluss.

Bei einer Abstimmungsbeteiligung von 52,9 Prozent sprachen sich 59,4 Prozent der Abstimmenden für eine Sanierung der Eissporthalle aus.

Zu einer Umsetzung des Bürgerentscheids ist es bis heute nicht gekommen, immer wieder wurden die Sanierungskosten kontrovers diskutiert. Verschiedene Sanierungsszenarien samt Kosten wurden im April 2021 im Stadtrat vorgestellt.

Nachdem diese Szenarien teurer ausfielen als die ursprünglich von der Verwaltung geschätzten Kosten, beschäftigte sich der Stadtrat mit möglichen Alternativen zur Sanierung. So steht etwa der Bau einer Traglufthalle als kostengünstige Alternative, vorgeschlagen vom Königsborner Jugend-Eishockey-Club, im Raum.

„Unabhängig davon, wie es mit der Eishalle weiter geht, hat das gesamte Verfahren in Unna erneut überdeutlich gezeigt, dass die Kostenschätzung bei Bürgerbegehren abgeschafft werden sollte!“, so Wölfel.

Die Unnaer Stadtverwaltung ging bei ihrer ursprünglichen Kostenschätzung für das Bürgerbegehren von Sanierungskosten in Höhe von rund 8,5 Mio. Euro aus. Diese Kostenschätzung war auch auf der Unterschriftenliste des Begehrens abgedruckt.

In einem kürzlich erstellten Gutachten geht man nun von Sanierungskosten in Höhe von mehr als 12 Mio. Euro aus. Wölfel:

„Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger nicht auf eine Kostenschätzung der Stadt verlassen können, dann sollte diese auch nicht auf eine Unterschriftenliste gedruckt werden müssen.“

Die Frage nach den Kosten eines Bürgerbegehrens sei enorm wichtig, sie gehöre aber in die öffentliche Debatte und nicht auf eine Unterschriftenliste. So fordert Mehr Demokratie, dass die Kostenschätzung in NRW nach bayerischem Vorbild aus dem Anforderungskatalog für Bürgerbegehren gestrichen wird.

Reformbedarf bestehe laut Wölfel auch bei der sogenannten Sperrfrist für Bürgerentscheide. Diese Sperrfrist beträgt in NRW zwei Jahre. Vor Ablauf dieser Frist kann das Ergebnis eines Bürgerentscheids weder durch ein erneutes Bürgerbegehren noch einen Ratsbeschluss abgeändert oder aufgehoben werden. Die einzige Ausnahme davon ist ein erneutes Votum der Bürger im Rahmen eines Ratsbürgerentscheids.

Laut Wölfel sollten die Erfahrungen mit dem Unnaer Bürgerentscheid zum Anlass genommen werden, um ernsthaft über Sinnhaftigkeit und Ausgestaltung der Sperrfrist nachzudenken. Denn:

„Die derzeitige Regelung ermöglicht es, unliebsame Bürgerbegehren in der politisch überschaubaren Zeit von zwei Jahren auszusitzen und anschließend per Ratsbeschluss zu kippen.“

Besser wäre deshalb eine Verlängerung der Sperrfrist auf vier bis fünf Jahre oder eine Regelung, die eine Aufhebung von Bürgerentscheiden einzig durch erneute Bürgerentscheide erlaube.

Weiterführende Informationen:
1. Kostenschätzung kostet Nerven und Zeit: https://nrw.mehr-demokratie.de/themen/buergerentscheid/was-wir-wollen/kostenschaetzung/
2. Gericht bestätigt: Verwaltung muss Kostenschätzung für Bürgerbegehren in Essen abgeben: https://nrw.mehr-demokratie.de/presse/presse-einzelansicht/gericht-bestaetigt-verwaltung-muss-kostenschaetzung-fuer-buergerbegehren-in-essen-abgeben/

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