Erst Ja, nun Nein zu Höffner-Ansiedlung: Grüne: Ratsbeschluss nicht „gekippt“ – Befürworter: „Verheerendes Signal“

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"Gemeinsam für ein starkes und grünes Unna" werben die Grünen auf ihrer Website. - Foto; Screenshot Die Grünen Unna

„Keine Mehrheit für Hochregallager an der Provinzialstraße – Grüne geben nachhaltigem Gewerbe den Vorzug„:

So titelt die Grünen-Fraktion im Stadtrat Unna ihre Pressemitteilung nach der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am Mittwochabend, 7. Februar.

Wie berichtet, „kassierten“ Grünen und CDU mit ihrer Abstimmungsmehrheit dort den Ratsbeschluss vom 7. 12. 2023 quasi wieder ein (zum Formalen unten mehr) und sagten Nein zur Aufstellung des Bebauungsplans an der Provinzialstraße in Massen.

Dort will die Firma Höffner auf ihrem eigenen Grundstück einen Servicestandort für Möbelkunden realisieren.

Ob sie das jetzt noch kann, ist ebenso offen wie die Frage, ob ein Fachausschuss „mal eben“ einen Ratsbeschluss aushebeln kann.

Die Grünen sehen das so. Sie argumentieren wie folgt:

„Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat im Ausschuss für Stadtentwicklung und Mobilität am 7. Februar erneut gegen die Errichtung eines Hochregallagers an der B1 / Höhe Provinzialstraße gestimmt.

Nachdem in einer Ratssitzung im letzten Jahr zwar die Einleitung eines Verfahrens nicht abgelehnt wurde, fand der Beschluss zum erforderlichen Aufstellungsbeschluss keine Mehrheit.

Heißt: Der Rat sagte Ja zur Einleitung des Verfahrens – zu dem daraus folgenden Aufstellungsbeschluss sagt der Fachausschuss hingegen zwei Monate später Nein.

Auf Nachfrage unserer Redaktion erläuterte Carsten Hellmann von der Grünen-Geschäftsführung die Sicht seiner Fraktion:

„Der Rat hat durch die Zuständigkeitsordnung bestimmte Entscheidungen abschließend den Ausschüssen übertragen. Der ASM ist abschließend zuständig für Aufstellungs- und Offenlegungsbeschlüsse bei Bauleitplänen.

Beim Beschluss des Rates im Dezember handelte es sich um den Antrag eines Unternehmens auf Einleitung eines Bebauungsplans-Verfahrens. Die Verwaltung hat die Ablehnung eines solchen Verfahrens empfohlen, was jedoch im Rat keine Mehrheit fand.

Als erster Schritt des Bebauungsplanverfahrens wurde deshalb ein Aufstellungsbeschluss mit den dafür notwendigen Informationen und Unterlagen von der Verwaltung erarbeitet und im ASM zur Abstimmung gestellt. Die Vorlage zum Aufstellungsbeschluss fand keine Mehrheit.

Der Aufstellungbeschluss als formaler Teil des Bebauungsplanverfahrens unterscheidet sich aber inhaltlich von dem Beschluss über die Ablehnung des Antrags zur Verfahrenseinleitung. Über den Aufstellungsbeschluss ist also nicht vorher im Rat abgestimmt worden.

Deshalb kann man nicht davon sprechen, dass hier ein Ratsbeschluss gekippt wurde.

Das Bebauungsplanverfahren ist mehrstufig. Nach dem Aufstellungsbeschluss hätte der ASM auch noch über den Offenlegungsbeschluss zu entscheiden.

Eine positive Entscheidung im ersten oder zweiten Verfahrensschritt garantiert nicht, dass es am Ende zu einem Bebauungsplan kommt.“

Für die Grüne Fraktion „passt die Ansiedlung nicht in eine nachhaltige Entwicklung für den Wirtschaftsstandort Unna, der den ökologischen und ökonomischen Anforderungen unserer Zeit gerecht wird“, heißt es weiter in der Pressemitteilung der Grünen.

„Damit schließt sich die Grüne Fraktion den Argumenten der Unnaer Stadtverwaltung und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Kreis Unna an. Wie außerdem zuletzt von NABU und BUND in einer Stellungnahme zu Rcht kritisiert wurde, werden immer noch zu viele Flächen in Unna versiegelt – mit den bekannten Folgen für die Umwelt.“

Fraktionsvorsitzende Claudia Keuchel warne vor unbedachtem Flächenverbrauch: „In Zeiten knapper Ressourcen müssen wir priorisieren, welche Ansiedlungen unsere Stadt wirtschaftlich nachhaltig entwickeln und wer sich in Unna nur ansiedeln möchte, um vor allem die verkehrsgünstige Infrastruktur abnutzen zu wollen. Wenn wir innovativen kleinen und mittelgroßen Unternehmen eine Entwicklungsperspektive bieten möchten, dann können wir uns den Ausverkauf wertvoller Gewerbeflächen nicht leisten.“

In dem Zusammenanhang wird auch auf den Regionalplan des RVR verwiesen, der überhaupt nur noch eine begrenzte Fläche in Unna vorsehe.

Ronja Kossack, stellv. Vorsitzende im Ausschuss für Stadtentwicklung und Mobilität, glaubt zudem:

„Ein Teil der von Höffner versprochenen Arbeitsplätze wird zeitnah der Automatisierung zum Opfer fallen, so wie es in der gesamten Branche zu beobachten ist. In einem 44 Meter hohen Hochregallager, welches eine massive Flächenversiegelung und eine beachtliche Verkehrsbelastung mit sich bringen wird, sieht die Fraktion daher keine nachhaltige Investition in die Zukunft unserer Stadt.“

Freie Liste Unna (FLU): Verheerendes Signal an künftige Investoren

Klaus Göldner, Fraktionsvorsitzender der Freien Liste Unna (FLU), erklärte sich noch gestern Abend in einem Kommentar unter unserem Artikel über den Beschluss im Ausschuss „fassungslos“.

Schon im Rat, erinnert Göldner, habe sich die FLU vehement für die Ansiedlung Höffner und das offene Bekenntnis dazu ausgesprochen.

„Mit knapper Mehrheit hatte sich der Rat, die Vollversammlung aller Ratsmitglieder unserer Stadt, im Dezember für das Ansiedlungsvorhaben des Investors ausgesprochen“, rekapituliert Göldner das Geschehen.

„Der Rat setzt die Richtlinien der Politik, und nachgeordnete Ausschüsse haben gefälligst den Weg zur Umsetzung des Beschlusses zu ebnen. Wortklaubereien und vorgeschobene Formalien dürfen über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen. So ist das!

Man muss in der Politik auch Niederlagen verkraften und akzeptieren können. Ich weiß, wovon ich spreche.

Dann auf diese Weise einen Ratsbeschluss umzukehren, ist mindestens fragwürdig. Ich denke, dieser Vorgang wird noch juristisch überprüft werden.

Aber abgesehen davon ist dies einmal mehr ein verheerendes Signal an den Investor Krieger und alle anderen, die in Unna in größerem Stil investieren wollen.

Die geplante Anhebung des Gewerbesteuersatzes in Unna wird alle Investoren zusätzlich abschrecken, die unsere Stadt angesichts der prekären finanziellen Lage dringend braucht. Wer sollte es dem Herrn Krieger verübeln, wenn er nunmehr auf seinem Teil des „Entwicklungsareals“ ein Birkenwäldchen wachsen läßt. Er kann es sich leisten.

Ob Unna es kann, wird sich zeigen.“

SPD: So geht man mit Investoren nicht um

„Es gibt gute Argumente für und gegen Höffner. Man kann dazu stehen wie man will. Aber diesen Umgang mit einem Investor kann sich die Stadt Unna nicht leisten, wollen wir ein verlässlicher Partner für Unternehmen bleiben und als Wirtschaftsstandort attraktiv sein.“

Deutliche Worte findet der SPD-Fraktionsvorsitzende Sebastian Laaser nach dem Verlauf der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Mobilität. Der so genannte ASM hatte mit den Stimmen der grün-schwarzen Projektgemeinschaft die 60 Millionen-Euro-Ansiedlung des Möblers gegen die Stimmen von SPD, FDP, WfU und FLU gekippt, für die es in der Dezember-Sitzung des Stadtrates noch eine knappe Mehrheit gegeben hatte.

„Hier wird das Votum des höchsten politischen Gremiums der Stadt Unna innerhalb weniger Wochen von einem Fachausschuss ausgehebelt. Das Signal nach außen bedeutet nicht nur für Höffner, sondern für alle interessierten Investoren, die dieses Geschehen beobachten:

In unserer Stadt gibt es keine Planungssicherheit, keine Glaubwürdigkeit“,

so Laaser.

Für die SPD-Fraktion, deren Mitglieder durchaus unterschiedlicher Meinung zu einer Höffner-Ansiedlung waren und deshalb in der eigentlich entscheidenden Ratssitzung ohne Fraktionszwang abgestimmt haben, ist das aktuelle Geschehen der Höhepunkt in einem insgesamt „unmöglichen und in keiner Weise nachvollziehbaren Umgang mit einem Investor“.

Natürlich müsse genau geschaut werden, wer zu Unna passe und wer nicht. Aber in diesem Fall habe es eineinhalb Jahre quälender Diskussionen und eines teuren Gutachtens bedurft, bevor Höffner überhaupt selbst  offiziell seine Pläne der Politik habe vorstellen dürfen. „Und statt dann nach dem grundsätzlichen Ja des Stadtrats das Mehrheitsvotum zu akzeptieren und in konstruktive Gespräche einzusteigen, wird derart rüde mit einem Unternehmen umgegangen, dem in Unna eine der wenigen überhaupt noch zur Verfügung stehenden Gewerbeflächen gehört.“

Und: „Wir sollten alle wissen, wie schlecht Unna finanziell dasteht. Der aktuelle Haushaltsplanentwurf führt uns das deutlich vor Augen. Wir brauchen Investoren und höhere Gewerbesteuereinnahmen dringender denn je. Einfach nur an der Gebührenschraube zu drehen, wie es das Rathaus nun ab 2025 vorsieht, reicht da nicht.“

Kritik üben die Sozialdemokraten auch am politischen Miteinander. Nachdem im ASM zunächst ein Vertagungsantrag der SPD mit den Stimmen von Grünen und CDU weggestimmt worden war, geschah das ebenfalls mit einem Beratungsantrag der FDP.

Sebastian Laaser erinnert an die Geschäftsordnung des Rates, die sich die Mitglieder des Gremiums 2023 auch für die Arbeit in den Fachausschüssen einstimmig gegeben haben: Die gute Unnaer Sitte, Beratungsbedarf einer Fraktion bis zur nächsten Ratssitzung zu akzeptieren – früher in der Ehrenordnung des Rates verankert – solle selbstverständlich beibehalten werden, hatten alle Beteiligten versichert. „Dieses demokratische Instrument ist nun mit Füßen getreten worden, ebenso wie das in der Geschäftsordnung verankerte Recht auf geheime Abstimmung, das die Grünen zu Unrecht nach der Dezember-Ratssitzung so heftig kritisiert haben.

Es sollten nicht alle bewährten Regeln gebrochen werden, nur um den politischen Willen durchzusetzen.“

FDP: Halten Antrag und Beschluss für rechtswidrig

Mit „Entsetzen“ blickt die FDP-Fraktion auf die gestrige Ausschusssitzung zurück. Der Antrag zur Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans wurde mit 10:9 Stimmen abgelehnt.

Die Liberalen erklärten in einer Stellungnahme:

„Wir halten den Antrag und folglich auch den Beschluss für rechtswidrig.

Begründung:

Der Rat ist lt. Gemeindeordnung des Landes NRW das höchste Entscheidungsgremium einer Gemeinde. Das gilt selbstverständlich auch für die Kreisstadt Unna.

In der Ratssitzung am 07.12.2023 stand folgender Antrag der Verwaltung zur Abstimmung:

„Der Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gemäß § 12, Servicestandort Unna, für einen Bereich südlich der Provinzialstraße in Unna-Massen wird nach Abwägung der widerstreitenden Interessen abgelehnt“

Vor der geheimen Abstimmung wies der Bürgermeister Herr Wigant ausdrücklich daraufhin, dass die Ratsmitglieder, die der Ansiedlung Höffners zustimmen möchten, diesen Antrag ablehnen müssen.

Das geschah mit 21:20 Stimmen.

Also wurde der Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zugestimmt. Dieser Ratsbeschluss ist eindeutig.

Dieser eindeutige Ratsbeschluss kann nicht durch einen dem Rat nachgelagerten Ausschuss in sein Gegenteil verkehrt werden.

Über das Demokratieverständnis der Ratsfraktionen CDU und Grünen, die in einer Sachfrage im Rat unterlegen waren und diese nicht hinnehmen wollen, können sich die geneigten Leser ein eigenes Bild machen.“

Nach dem nach den gescheiterten Bewerberverfahren ist dies die zweite Blamage für die Kreisstadt Unna. Dies kann einfach nicht unkommentiert bleiben.“

6 KOMMENTARE

  1. Und erneut hat Unna eindrucksvoll bewiesen, dass der Esel vollkommen berechtigt das Wappen der Stadt ziert.

    Es ist jedoch zu traurig, um darüber noch lachen zu können.

  2. In der Stellungnahme erklären die Grünen gleichzeitig, das man nicht davon sprechen kann, daß hier ein Ratsbeschluss gekippt wurde und führen dabei wieder ellenlang die Gründe auf, warum sie ihn kippen wollen. – Schräger geht es nicht.

    Ein Hochregallager, welches die sparsamste Form der Flächenversiegelung ist, wird von den Grünen wegen seiner massiven Flächenversiegelung kritisiert. Die angeblich vorhandenen kleineren und nachhaltigeren Interessenten in Unna, die auf weniger Fläche eine Investitionssumme von 60 Millionen Euro bündeln, würden mich ernsthaft interessieren. – Das Argument wirkt wie ein plumper Täuschungsversuch.

    Während man aus idiologischen Gründen gezielt Unna mit unzähligen Einzelmaßnahmen ins Verkehrschaos führt um wie angekündigt Autos zu verhindern, erklärt man nun, das wegen der Verkehrssituation in Unna eine solche Gewerbeansiedlung, die direkt an der Autobahnauffahrt liegt, nicht möglich ist.
    – Das wirkt schon etwas diabolisch.

    Das erinnert mich an die interne Hausregel eines großen privaten Fernsehsenders. Wenn man dort damals gesagt hat, das man so einen Unsinn eigendlich niemanden vermitteln kann, kam die lapidare Antwort: „Das sackt schon irgendwie durch“

    In Unna gibt ist „ärgerlicherweise“ den Rundblick, der dazwischen stört. Das
    einzige unabhängige journalistische Nachrichtenportal in der Region, wo nicht im Hintergrund die FUNKEgruppe Einfluß nimmt. Ohne ihn könnte man Stellungnahmen der Parteien und deren Arbeit viel einfacher ohne Diskussionen „durchsacken“ lassen.

  3. Die Grünen träumen in ihrer Blase von klein- und mittelgroßen Unternehmen.

    Offensichtlich ist ihnen entgangen dass ihr Vorturner in Berlin, ein Märchenonkel der sich als Wirtschaftsminister versucht, nicht nur die Weichen gestellt sondern den Zug schon auf höchste Fahrt gebracht hat und die Wirtschaft voll an die Wand fährt.
    Besonders betroffen davon der Mittelstand.

    Insofern haben kleine Unternehmen und Mittelstand keine Ambitionen sich in Deutschland anzusiedeln.

    Hinzu kommt, wie schon mal angemerkt in der Woche, im Gegensatz zu Unna mit dem Schürenfeld in Frb. kurzfristig ein voll entwickeltes und erschlossenes Industriegebiet welches ebenfalls Investoren braucht.

    Aber reale Welt und wirtschaftliches Denken ist eben nicht die Stärke der Grünen.

    Wenn Geld in der Kasse fehlt weiß man ja von wem man es erpressen kann.

  4. Auch peinlich in der Stellungnahme:

    „Ein Teil der von Höffner versprochenen Arbeitsplätze wird zeitnah der Automatisierung zum Opfer fallen, so wie es in der gesamten Branche zu beobachten ist.“

    Das Gegenteil ist der Fall, durch den modernen Neubau auf neustem Stand wird Höffner von Anfang an langfristig besonders wettbewerbsfähig sein.

    Die Grünen haben wohl auch verpasst, das die Automatisierung in großen Unternehmen bereits erfolgt ist. Waren die überhaupt schon mal in einem drin?

    Selbst der Wareneingang von Fiege im alten Karstadtlager zum Beispiel wird vorne in das System eingespeist und nach der Sortierung und Bearbeitung am anderen Ende der Hallen nach hunderten Metern Wegstrecke wieder zum Versand ausgespuckt. Auch dort gibt es schon lange einen großen Turm, wo in einem eindrucksvollen Tempo automatisch Paletten bewegt werden. Sehr beeindruckend wenn man so etwas mal sieht. Eigendlich gibt es kaum noch eine Logistikhalle, wo das nicht so abläuft.

    Lagerfachkraft bedeutet heutzutage auch IT Spezialist oder spezialisierter Wartungstechniker. Dazu kommen natürlich noch die Arbeitsplätze in der Verwaltung
    Vom Speditionskaufmann über die Reinigungskräfte bis zum Hausmeister. Vom Empfangsbereich über den Pförtner bis zum mittleren odere oberen Management. Von der Kantine über das Wachpersonal bis zum Gärtner.

    Vielleicht auch einige Arbeitsplätze für Genderbeauftragte, Klimabeauftragte, Integrationsbeauftragte, Nachhaltigkeitsbeauftragte, Diskriminierungsbeauftragte oder Gleichstellungsbeauftragte, die den Grünen besonders am Herzen liegen :-).

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