Kreis-AfD arbeitet „Turbulenzen“ um geplatzte Kreistagsliste Unna auf – Neuer Vize mit Nähe zur Identitären – Dinse weiter im Vorstand

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Luftballons der Afd / Foto Archiv RB

Im Mittelpunkt des Rechenschaftsberichts stand „eine Aufarbeitung der Turbulenzen, die im vergangenen Jahr rund um die geplatzte Listenaufstellung zur Kreistagswahl entstanden waren.“

Am Freitag, 3. September, formierte der AfD-Kreisverband Unna auf seinem Parteitag seinen Vorstand neu. Unter der Leitung von Bundestagsabgeordnetem Dr. Michael Espendiller und mit Hilfe des Landtagsabgeordneten Dr. Christian Blex wurden Christian Neupert aus Schwerte als Sprecher, Ulrich Lehmann aus Kamen als stellvertretender Sprecher und Constanze Pasternak aus Lünen als Schriftführerin in ihren Ämtern bestätigt.

Nicht zur Wiederwahl stellte sich der stellvertretende Sprecher Holger Sitter, an seiner Stelle wählte die Versammlung Nils Hartwig. Hartwig ist bei der AfD-Landtagsfraktion angestellt und gilt nicht als Vertreter der Gemäßigten innerhalb der AfD.

Der einer Burschenschaft angehörige Rechtswissenschaftler, der im August 2019 in Unna zum Vorstand der Jungen Alternative gewählt wurde, hatte laut einem Bericht der Nordwest Zeitung (Onlineausgabe) vom Oktober 2019 zumindest zur damaligen Zeit Verbindungen zur Identitären Bewegung. Diese wird vom Verfassungsschutz beobachtet.

NW online, 3. 10. 2019, Screenshot

Laut dem NRW-Innenministerium fußt die Ideologie der IBD als Teil der „Neuen Rechten“ auf einem „Politikverständnis, das sich grundsätzlich gegen die Menschenrechte und eine pluralistische Demokratie“ richte.

Sowohl die „letztlich rassistische Doktrin des Ethnopluralismus als auch der kollektivistische Grundsatz, das Individuum mit seinen Menschenrechten der Nation unterzuordnen“, seien unvereinbar mit den Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Mit ihren öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten versuche die IBD, Einfluss auf die politische Öffentlichkeit zu nehmen und ihre rechtsextremistischen Positionen zu verbreiten.

Screenshot Twitter, Nils Hartwig (im Bild 3. v. li.)

Bei den Neuwahlen im Kreisverband trat der bisherige Schatzmeister Hans-Otto Dinse aus Schwerte in dieser Funktion nicht zur Wiederwahl an, bleibt aber im Vorstand – als einer von vier Beisitzern.

„Alle Wahlen erfolgten mit großer Mehrheit, wovon ein klares Signal der Geschlossenheit des Kreisverbandes ausgeht,“ betont Sprecher Christian Neupert.

Von Geschlossenheit konnte zumindest im vergangenen Jahr keine Rede sein bei der Kreis-AfD, die es aufgrund persönlicher Streitigkeiten und Differenzen letztlich nicht geschafft hatte, für die Kommunalwahl im September 2020 eine Liste für die Kreistagswahl aufzustellen.

Als positive Höhepunkte des vergangenen Jahres nannte Neupert den Einzug der AfD in Fraktionsstärke in die Stadträte von Lünen und Schwerte sowie in Kamen mit Ratsmitglied Ulrich Lehmann. Wie berichtet, sollen dem frisch gegründeten Stadtverband Kamen jetzt bald weitere Stadtverbände folgen – als Nächstes in Schwerte. Weiteres erklärtes Ziel sind Wahlversammlungen zur Wahl von Delegierten für die Aufstellung von Kandidaten zur Landtagswahl im Mai 2022.

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Rückblick – Kreistagsliste mit „Hardcore-Flüglern“ – AfD-Sprecher Michael Schild wirft hin (Rundblick vom 6. 6. 2020):

Ein schwelender Personal- und Richtungsstreit im AfD-Kreisverband Unna hat sich mit einem Knalleffekt entschieden. Die Aufstellungsversammlung zum Kreistag am Montagabend voriger Woche endete mit einem Eklat. Kreissprecher Michael Schild aus Fröndenberg, der für die gemäßigte Richtung stand und den Kreisverband über fünf Jahre lang führte, verfehlte das erforderliche Quorum für die Reserveliste und sah sich statt dessen mit einer, so sagt er, gänzlich unerwarteten und unabgesprochenen Kandidatenaufstellung konfrontiert.

Diese Liste, mit der die AfD am 13. September in den Kreistag einziehen will, besteht laut Schild nunmehr ausschließlich aus „Vertretern des Konservativen Kreises, Hardcore-Flüglern und völlig unbekannten Neulingen“. In Konsequenz trat Schild, der den Vizevorsitz des NRW-Landesverbandes innehat und auch beibehält, noch am selben Abend von seinem Vorstandsamt zurück.

Der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde der überraschende Wechsel an der Spitze der Kreis-AfD bis heute nicht, auf der Homepage des Kreisverbandes firmiert Schild nach wie vor, 7 Tage nach dem Eklat, als Kreissprecher.

Hat somit auch in der AfD Kreis Unna der „Flügel“ aus „nationalistischen Hardlinern“ die Oberhand gewonnen? Schild drückte es auf Nachfrage unserer Redaktion so aus:

Der damalige Kreissprecher Michael Schild beim Wahlkampf 2019 in seiner Heimatstadt Fröndenberg, (Archivfoto RB)

„Es gab im Kreisvorstand eine vereinbarte Konsensliste, die sämtliche Sphären und Regionen im Kreis berücksichtigt hätte. Vor Ort hat sich ein Teil des Vorstandes allerdings anders verhalten als kurz vorher vereinbart. Dadurch kam eine Liste zusammen, die sich ausschließlich aus dem Spektrum des sogenannten ‚Konservativen Kreises‘, Hardcore-Flüglern und mir gänzlich unbekannten Neumitgliedern zusammensetzt.

Es war eine demokratische Wahl, die ich zu akzeptieren habe. Da aber deutlich ersichtlich war, dass ich nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit hinter mir habe, habe ich selbstverständlich sofortige Konsequenzen gezogen. In so einer Situation ist der Rücktritt die einzige ehrenvolle Option und ein Akt der politischen Hygiene.“

Ein „Richtungsstreit“ wie bei der Bundespartei zwischen dem „Flügel“ um Björn Höcke und Jörg Meuthen als Verfechter einer nach außen hin „gemäßigteren“ Linie?  Es sei „eher eine persönliche Rache eines zu kurz Gekommenen“, sagt Schild, ohne Namen zu nennen und ohne auf die Frage zu antworten, ob er damit Hans-Otto Dinse aus Schwerte meint.

Dinse erwähnte den bisher nicht öffentlich gemachten Rücktritt des langjährigen Kreissprechers auf seiner Facebookseite. Als wir gestern unter Berufung auf Informationen des „Kreissprechers“ Schild eine Übersicht darüber veröffentlichten, wo die AfD im Kreis Unna antreten will und wo nicht, schrieb uns Hans-Otto Dinse mit einer persönlichen Nachricht auf unserer Facebookseite grußlos an: Schild sei zurückgetreten,  „infomieren Sie sich besser.“ Wir forderten ihn zu einem höflichen Ton auf und baten ihn darum, uns nicht weiter auf diese Art anzuschreiben, worauf er uns attestierte: „Im linken Mainstream angekommen. Armselig.“ 

Anders als nach wie vor auf der offiziellen Kreisverbands-Website ausgwiesen führen die Geschäfte des Kreisverbandes nunmehr Schilds bisherige Stellvertreter Holger W. Sitter und  Ulrich Lehmann, früher für die Bürgergemeinschaft (BG) und zuvor für die CDU im Kamener Stadtrat. Spitzenkandidat ist Peter Knepper.

„Diese Drei sind nun zuständig“, gibt Michael Schild die Verantwortung für die Kreis-AfD offiziell ab. Er selbst „akzeptiere das Ergebnis und wünsche meiner AfD viel Erfolg. Persönliche Enttäuschungen sind keine politische Kategorie.“ Sein bisheriger Stellvertreter Holger W. Sitter schrieb unserer Redakton auf Bitte um eine Stellungnahme:

„Lassen Sie mich das so sagen: Ich würde nicht so weit gehen und es einen ,Richtungsstreit´nennen. Selbstverständlich sind die Ziele der AfD im Kreis Unna auch nach der bedauernswerten Demission unseres langjährigen Sprechers die Gleichen. Die Alternative für Deutschland möchte sich bei den Kommunalwahlen als echte Alternative zum Altparteien-Kartell empfehlen. Deshalb gilt es nun nach vorn zu schauen und uns nicht mit Personalpolitik aufzuhalten, sondern Sachpolitik in den Fokus zu nehmen und ein gutes Ergerbnis mit unseren Wählern im Kreis Unna zu erreichen. Ich spüre bei allen Beteiligten große Lust dazu!“

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