Die „Jahrhundertflut“ (Bürgermeisterin Sabina Müller) am Sonntag in Fröndenberg (HIER unser erster Bericht) entwickelte sich 24 Stunden nach dem Einsetzen des stundenlangen Starkregens zum Katastrophenszenario. Inzwischen ist die akute Gefahr gebannt.
+++Letzes UPDATE – die Evakuierungen sind beendet, der Deich wurde erfolgreich durchbrochen++++
Ein Bürgertelefon ist unter Tel. 0 23 73 / 97 60 eingerichtet (bis 20 Uhr geschaltet).
Wie Stadt und Kreis am frühen Montagnachmittag (5. Juli) in einer Pressekonferenz im Stiftsgebäude bekannt gaben, sind im Umfeld des Stadtbezirks Westick Evakuierungen angelaufen.
Der Grund liegt nördlich oberhalb der Westicker Straße im Bereich des Hirschbergs: Dort liegt ein Angelteich, etwa 60 mal 80 groß und geschätzt 3 bis 4 Meter tief.
An diesem Teich, sagte Fröndenbergs Feuerwehrchef Jörg Sommer, droht der Deich zu brechen. Wenn das passiert, ergießt sich das gesamte Wasser hinunter auf die Westicker Straße.
Als Akutmaßnahme wird die Deichkrone mit Spezialvlies und 2000 Sandsäcken verstärkt, so der Feuerwehrleiter der Stadt Fröndenberg und stellv. Kreisbrandmeister. „Wir hoffen, dass es hält. Wir können nichts versprechen.“
Die kurzfristig im Stiftssaal einberufene Pressekonferenz am Montagnachmitt leitete Bürgermeisterin Sabina Müller (SPD) gerade heraus mit den Worten ein: „Wir hatten eine Naturkatastrophe.“
Die Unwetterfront, die Fröndenberg am Sonntag ab kurz nach 12 Uhr mit nie zuvor erlebten Starkregenmengen traf, habe sich stundenlang praktisch nicht von der Stelle bewegt.
„Das war das Problem“, so Müller. „Man kann schon von einer Jahrhundertflut sprechen. Wir werden später, wenn die akute Gefahr überstanden ist, natürlich darüber sprechen, wie solche Auswirkungen, wie wir sie jetzt gerade erleben, in Zukunft gelindert werden können. Aber gegen solche Naturereignisse können wir uns nicht vollständig rundum ,absichern´“.
Allem voran stellte die Bürgermeisterin ihren großen Dank an alle Helferinnen und Helfer und Einsatzkräfte, und sie betonte: „Das Wichtigste von allem ist: Niemand wurde verletzt.“
Ihr nächster Satz war:
„Wir stehen vor einer Evakuierung.“
Evakuierungen im Bereich Westick
Diese betrifft, wie Fachbereichsleiter Christoph Bürger über den Daumen gepeilt schätzte, etwa 300 bis 500 Menschen im Bereich der Westicker Straße / Penny und Netto (beide Märkte sind auf absehbare Zeit geschlossen) bis zur Hengstenbergstraße.
„Betroffen sind nur die Keller- und Erdgeschosse“, erklärte der Leiter des Krisenstabs beim Kreis Unna, Dezernent Uwe Hasche. Heißt, wer innerhalb seines Hauses vorübergehend in die oberen Etagen ziehen kann, braucht sein Haus nicht zu verlassen.
Viele Betroffenen würden wahrscheinlich auch bei Freunden, Bekannten oder Verwandten unterkommen, sagte Hasche aus Erfahrung. „Für diejenigen, die keine solche Möglichkeit haben, stellen wir die Gesamtschule zur Verfügung“, fügte Christoph Bürger an.
Die Schule am Wiesengrund nutzt das Rote Kreuz seit gestern ohnehin schon für die Verpflegung der Einsatzkräfte.
Evakuierung der Senioreneinrichtung Löhnbachtal
Kriseneinsatz am Haus Löhnbachtal am Sonntag. Abends wurde die Evakuierung des Gebäudes beschlossen.
Die zweite Evakuierung betrifft die Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims Löhnbachtal.
Wie schon gestern berichtet, ist das Gebäude gegenüber dem Löhnbad so geflutet worden, dass bereits im Laufe des Sonntags das Erdgeschoss geräumt wurde und die betroffenen Menschen in die oberen Etagen einquartiert wurden. Im Verlauf des Abends, berichtete Uwe Hasche, habe man sich dann dazu entschlossen, das Haus Löhnbachtal komplett zu evakuieren, da das Gebäude weiterhin ohne Strom war
Die insgesamt 46 Bewohnerinnen und Bewohner wurden, abhängig von ihrem gesundheitlichen Zustand, vorübergehend in anderen Pflegeeinrichtungen oder in Kliniken untergebracht. Zudem ist noch eine Senioren-WG mit 9 Personen von der Evakuierung betroffen.
Betroffene Privatleute und Gewerbetreibende in Westick, Neimen, Warmen, Frohnhausen
Die Anwohner der östlichen Stadtbezirke entlang und im Radius der Westicker Straße wurden wie berichtet am heftigsten von dem Jahrhunderthochwasser getroffen.
1,50 Meter hoch geflutet fand eine Familie aus Fröndenber-Warmen ihr Wohnhaus nach der Rückkehr von einem Campingurlaub vor. Die gesamte Nachbarschaft sei fassungslos, erzählten uns die immer noch sprachlosen Hausbesitzer. (Foto: Privat) Überflutete Grundstücke am Sonntag, 4. Juli, im Stadtbezirk Westick.
In Häusern in Warmen stand das Wasser bis zu 1,50 Meter hoch. Gärten und Vorgärten wurden zerstört. „Wo das Wasser mittlerweile weg ist, sind die Keller voll mit Schlamm“, beschrieb Feuerwehrchef Jörg Sommer das anhaltende Krisenszenario im Osten der Stadt.
Bürgermeisterin Müller kündigte für die vom Hochwasser betroffenen Bürger eine kostenlose Sperrmüllentsorgung an. „Ob wir eine Abholung organisieren oder Container aufstellen, werden wir kurzfristig klären.“ Diese und weitere aktuelle Informationen will die Stadt auf ihrer Homepage bzw. über die sozialen Medien via Facebook weitergeben.
Sabina Müller äußerte noch eine große Bitte:
„Wenn Sie Hilfeangebote haben – bitte rufen Sie nicht bei der Stadt an, sondern halten Sie die Leitungen möglichst frei. Wir müssen diese Ausnahmesituation zusammen mit den Einsatzkräften bewältigen. Schreiben Sie uns bei Angeboten zur Hilfe bitte grundsätzlich eine E-Mail.“
Die Adresse ist: stadt@froendenberg.de
Ein weiterer akuter Krisenherd ist bereits seit gestern Nachmittag der Industriebetrieb Hillebrand im Gewerbegebiet an der Wickeder Straße.
„Dort steht das Grundwasser direkt vor den Lagerhallen“, berichtet Jörg Sommer. „Wir pumpen das Wasser dort ohne Unterbrechung weg, haben auch die ganze Nacht hindurch gepumpt. Sobald wir mit dem Pumpen aufhören, steigt das Grundwasser sofort wieder an.“
Das sei jetzt generell das Problem:
„Am Sonntag hatten wir es zunächst mit Wasser von oben zu tun. Jetzt müssen wir das Wasser unter Kontrolle bekommen, das von unten drückt.“
Straßen- und Gleissperrungen
Überflutete Bahngleise zwischen Fröndenberg und Wickede/Ruhr.
Fröndenbergs Bürgermeisterin appellierte dringend an alle Verkehrsteilnehmer, den Krisenbereich in den östlichen Stadtteilen weiträumig zu umfahren. Von jeglicher Art von „Katastrophentourismus“ sei im Sinne der beteiligten Hilfs- und Einsatzkräfte und mit Rücksicht auf die Hochwasserbetroffenen unbedingt abzusehen.
- Die Westicker Straße ist auf unabsehbare Zeit gesperrt.
- Netto und Penny wurden evakuiert und sind geschlossen,
- ebenso die Total-Tankstelle.
- Auch die Bahnline von Fröndenberg nach Wickede ist weiter gesperrt.
Frei sind die Wickeder Straße wie auch die weiteren Straßen entlang des Ruhrtalradwegs wie die Graf-Adolf-Straße, ebenso die Bismarckstraße.
Auswirkungen für das Löhnbad
Im Löhnbad, Fröndenbergs von den Stadtwerken betriebenen Freibad im Löhnbachtal, ist die Sommerferiensaison wahrscheinlich schon am ersten Sommerferientag gelaufen.
Alexander Loipfinger, Geschäftsführer der Gemeindewerke Fröndenberg-Wickede, sagte rückblickend auf den Sonntagmittag:
„Das Löhnbad wurde innerhalb kürzester Zeit zum Katastrophengebiet.“
Am Vormittag habe im Bad noch fröhlicher Betrieb geherrscht. Um kurz nach 12 Uhr fielen die ersten dicken Tropfen, und Minuten später brach der erste von zwei massiven Gewitterregen los.
„In kurzer Zeit war das große Becken nicht mehr zu sehen“, beschreibt Loipfinger das schwindelerregende Tempo, mit der sich das Katastrophenszenario im Freibad vollzog.
Flut-Szenen vom Hochwassersonntag am Löhnbad. (Fotos RB)
Der Bäder-Chef freut sich über die unverzüglichen Kooperationsangebote der Bäder in Dellwig und Menden. Für konkrete Aussagen sei es aber noch zu früh.
„Klar ist, dass wir das Löhnbad bis auf Weiteres geschlossen halten müssen“, sagte Loipfinger mit schmerzlichem Bedauern, dass dies ausgerechnet exakt zum Beginn der Sommerferien passiert.
Aber, „auf solche Naturereignisse haben wir keinen Einfluss.“
Ob das Löhnbad noch in den 6-wöchigen Ferien wieder öffnen kann, ist zum heutigen Stand ungewiss.
[…] ++++Update 3 am 5. 7. – Katastrophenszenario – Deichbruch droht, Evakuierungen++++ […]
Oh man das sieht ja alles schlimm aus. Danke an alle Helfer
Ja, das sind schlimme Szenarien. Die Helfer freuen sich über jedes Dankeschön.
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