Corona und die Kliniken: So sieht es in Unna aus – Bundesweite Angaben widersprüchlich

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Christliches Klinikum Unna (CKU), Standort Mitte - ehem. KK. (Fotorechte CKU)

Eine drohende Überlastung der Krankenhäuser ist das entscheidende Argument die aktuellen Verschärfungen der Coronamaßnahmen. In der neuen Woche soll der Bundestag voraussichtlich mit der Neufassung des Bundesinfektionsschutzgesetzes dem Bund weitreichende Eingriffsbefugnisse in die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Bürger ermöglichen.

Im Vorgriff hat der Kreis Unna ebenso wie andere Regionen ab Montag, 19. 4., eine nächtliche Ausgangssperre verfügt. Die 7-Tages-Inzidenz ist zum heutigen Sonntag weiter gestiegen auf nunmehr 226,4. Über die schweren Verläufe sagt das noch nichts aus, die Todesfälle sind seit vielen Wochen erleichternd niedrig, bewegen sich zwischen 2 und keiner Neumeldung am Tag.

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Über die tatsächliche Lage in den Krankenhäusern und insbesondere auf den Intensivstationen aufgrund von Covid 19-Patienten herrschen indes widersprüchliche Angaben.

Während Intensivmediziner in Berlin oder Köln vorige Woche Alarm schlugen und das RKI vor dem drohenden Kollaps der Kliniken dringend warnt, meldete die Deutsche Krankenhausgesellschaft um Ostern, es sei auch in den nächsten Wochen keine bundesweite Überlastung der Intensivstationen zu befürchten.

Eine derzeit entspannte Lage meldeten vorige Woche auch die Krankenhäuser in Hamm, berichtete der WA; in der täglichen Coronastatistik des Kreisgesundheitsamtes Unna spiegelt sich ebenfalls keine Steigerung der schweren Verläufe wieder. Dort schwankt die Zahl der klinischen Fälle schon seit mehreren Wochen um die 60 bis 70.

Klinikum Unna: „An beiden Standorten gute Versorgungskapazitäten“

Im Christlichen Klinikum Unna, das aus der Fusion des Katharinen-Hospitals und des Evangelischen Krankenhauses entstand, ist die Situation ebenfalls nicht alarmierend.

So gab uns Krankenhaussprecherin Karin Riedel auf Nachfrage in der vorigen Woche folgende Auskunft:

„Wir melden jeweils die tagesaktuellen Zahlen an den Kreis Unna. Grundsätzlich ist die Situation so, dass wir Covid-19-Patienten aufnehmen und auch – wenn es notwendig ist – intensivmedizinisch an beiden Standorten des CKU gut versorgen können.“

Entsprechende Kapazitäten stehen sowohl im früheren Katharinen-Hospital an der Mozartstraße/Nordring als auch im früheren EK an der Holbeinstraße ausreichend zur Verfügung.

„Noch“, beugt Karin Riedel vor, „wir wissen das natürlich auch nicht im Blick auf die kommenden Wochen.“

Aufgrund der ungewissen weiteren Entwicklung hat das Christlichen Klinikum jedenfalls vorsorglich ein Szenario vorbereitet, welches es erlaubt, im Falle des Falles weitere Kapazitäten für die Versorgung einer steigenden Zahl von Betroffenen aufbauen zu können.

„Zudem, das gerät ja manches Mal aus dem Blick“, ergänzt die Kliniksprecherin, „behandeln wir Tag für Tag viele Patient/innen mit einer Vielzahl anderer Krankheitsbilder. Dafür sind Prozesse, räumliche Strukturen, Tests, verstärkte Hygiene-Schutzmaßnahmen etc. eingeführt worden, so dass alle Patientinnen und Patienten während ihres Krankenhausaufenthaltes sicher und umfassend versorgt werden.“

Die Fallzahlenerfassung beim Kreis

Wie schlüsseln sich die klinischen Patienten in der täglichen Kreis-Statistik auf (wie viele werden derzeit intensiv behandelt, wie viele beatmet), und welche Krankenhäuser werden mit dieser Aufstellung erfasst?

Mit der letzten Sachstandsmeldung vom Freitag, 16. April, 13 Uhr wurden in den Krankenhäusern im Kreis Unna  72 Covid-19 Patienten behandelt, rund 15 auf Intensivstationen, von ihnen knapp die Hälfte mit Beatmung.

Wie uns Kreissprecherin Birgit Kalle sagte, werden nicht alle stationären Patienten aus dem Kreis Unna auch in Krankenhäusern im Kreis behandelt; einige befinden sich auch in umliegenden Unikliniken.

Der Kreis meldet in seinen Updates die Zahl in den Krankenhäusern im Kreis Unna. Das sind:

  • Klinikum Westfalen GmbH Hellmig-Krankenhaus Kamen,
  • Klinik am Park Lünen,
  • St.-Marien-Hospital Lünen,
  • Marienkrankenhaus Schwerte-Goethestraße,
  • Marienkrankenhaus Schwerte Schützenstraße,
  • Christliches Klinikum Unna Mitte,
  • Christliches Klinikum Unna West,
  • St.-Christophorus-Krankenhaus Werne.

Deutsche Klinikgesellschaft: Überlastung droht nicht

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hält eine Verschärfung der Coronamaßnahmen in Form eines harten Lockdowns mit bundesweiten Ausgangssperren nicht für notwendig. Eine bundesweite Überlastung der Kliniken drohe nicht.

Die Politik müsse „keine neuen Maßnahmen erfinden, sondern dafür sorgen, dass die vorhandenen umgesetzt werden“.

In einer Pressemitteilung vom 3. April bewertet der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß die aktuelle Situation auf den Intensivstationen wie folgt:

„Die Beschäftigten in den deutschen Krankenhäusern und insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Intensivstationen haben in den letzten zwölf Monaten großartige Arbeit geleistet, damit viele Menschenleben gerettet und die Bevölkerung vor noch dramatischeren Folgen der Pandemie geschützt. Sie haben in dieser Zeit Außergewöhnliches geleistet. Und es ist völlig außer Frage, dass es hier zu Überlastungen und Erschöpfung kommt.

Es wird aber in den kommenden Wochen nicht zu einer kompletten  bundesweiten Überlastung der Kliniken kommen, die dazu führt, dass wir Bilder wie in Bergamo erleben müssen, dass Patienten keine Beatmung mehr erhalten können und wir möglicherweise sogar das benachbarte Ausland um Unterstützung bitten müssen. Diese Unterscheidung müssen wir treffen.

Das Intensivregister der Vereinigung der Intensivmediziner (DIVI) zeigt  täglich selber auf, dass es neben aktuell 3.800 freien Intensivbetten gut 10.000 Reserveintensivbetten gibt. Diese Betten können wir im Notfall durch das deutliche Zurückfahren der Regelversorgung binnen 7 Tagen aktivieren.

In allen Bundesländern existieren Notfallpläne der einzelnen Regionen, wie die Patienten umgesteuert werden, wenn einzelne Intensivstationen keine weiteren Aufnahmen mehr möglich machen können. Diese regionale Koordinierung in der Verantwortung der Krankenhäuser hat auch zu den Spitzenzeiten der 2. Welle funktioniert.

Aktuell melden die Krankenhäuser im DIVI Register zu 36 Prozent einen regulären Betrieb, 33 Prozent sehen den Betrieb teilweise eingeschränkt und rund 25 Prozent melden einen eingeschränkten Betrieb.

Selbstverständlich muss es unser Ziel sein, neue Höchstmarken auf den Intensivstationen und die damit verbundene Belastung der Krankenhausmitarbeiter zu vermeiden.

Die Politik muss dazu keine neuen Maßnahmen erfinden, sondern das konsequent umsetzen, was im Rahmen der sogenannten Notbremse vereinbart wurde“.

Intensivmediziner: Lage dramatisch

Der Darstellung der Krankenhausgesellschaft widersprachen Intensivmediziner heftig. Der „Tagesspiegel“ z. B. berichtete am 4. April darüber. Demnach hätten am Ostersonntag erstmals seit Anfang Februar in Deutschland wieder mehr als 4000 Covid-19-Patienten auf der Intensivstation gelegen, wie dem Divi-Intensivregister zu entnehmen sei.

Demnach wurden 4051 Patienten intensivmedizinisch behandelt, 133 mehr als am Vortag. Rund 55 Prozent der Covid-19-Patienten auf Intensivstation würden invasiv beatmet, und schon an Ostern waren von den rund 24.000 als nutzbar gemeldeten Intensivbetten in Deutschland nur noch 3900 frei.

Widerspruch – Zahl der Intensivpatienten zu hoch angegeben

Laut Berechnungen der Wochenzeitung DIE ZEIT gebe das Robert-Koch-Institut hingegen auch bei der viel diskutierten Zahl von Patienten auf Intensivstationen zu hohe Werte an: Auf den Intensivstationen würden zehn Prozent der als Corona-Fälle gemeldeten Patienten wegen einer anderen Ursache behandelt.

Das bestätigt auf ZEIT-Anfrage der Deutsche Verband der Intensivmediziner (Divi).

DIE ZEIT hat bundesweit 20 Krankenhäuser nach ihren konkreten Zahlen gefragt. Viele wollten diese nicht veröffentlicht sehen, bestätigten aber die rund 20 bis 30 Prozent an Doppeldiagnosen mit Corona.

Auch die Barmer-Krankenkasse (BEK) beobachtet die Doppeldiagnosen. „Wir sehen einen nennenswerten Anteil von Krankenhausfällen, die ursächlich aufgrund einer anderen Erkrankung als Corona behandelt wurden und die dennoch in der Statistik unter ‚Corona-Patient‘ laufen“, sagt Uwe Repschläger, Finanzleiter der Barmer. Er kann für seine Aussage auf Daten von 20.000 stationär behandelte Corona-Patienten zurückgreifen.

Verantwortlich für dieses Graufeld ist das deutsche Meldesystem: Alle neuen Patienten werden systematisch bei der Aufnahme ins Krankenhaus auf das Virus getestet und bei einem positiven Befund über das Gesundheitsamt an das Robert Koch-Institut gemeldet. Für die Krankenhäuser selbst ist die Unterscheidung nicht erheblich: Ein Corona-Patient muss, ob er nun mit oder wegen Corona behandelt wird, in ein Isolierzimmer verlegt werden. Pfleger und Ärzte müssen sich bei seiner Behandlung besonders schützen. Politisch aber ist die Zahl der schweren Corona-Verläufe ein wichtiger Indikator.

„Auf Grundlage der Schätzung einzelner Kliniken kann ein evidenzbasiertes Institut keine Bereinigung von Fällen vornehmen“, sagt das RKI auf Anfrage der ZEIT. Das harte Kriterium sei ein positiver PCR-Test.

3 KOMMENTARE

  1. Vielleicht kann man ja nochmal wie im Vorjahr 21 Kliniken mit 7000 Notfallbetten schließen, vielleicht kriegt die Bundesregierung dann endlich die gewünschte Überlastung hin um den Lockdown bis in alle Ewigkeit fortzuführen.

    Ich weiß, selber mal nachdenken ist für viele mittlerweile offenbar zu schwierig, aber versucht es doch mal.

    PS: Was selbst der Wendler schon vor Monaten geschafft hat, könnte zumindest der ein oder andere auch hinkriegen.

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