Kulturkampf um den Doppelpunkt: Schwerter Pfarrer fordert nach Sprachkorrektur Löschung des kompletten Beitrags

16
1487

„Waldbaden für die Gesundheit.

Am  Samstag, 27. September, findet um 15 Uhr ein Waldbaden-Kurs im Schwerter Wald statt. Die zertifizierten Waldbaden-Leiter:innen XX (weiblich) und NN (männlich) werden die Gruppe führen.“

So lautete ein unspektakuläre Ankündigung, die weiterzubreiten uns Mitte dieser Woche ein evangelischer Geistlicher aus Schwerte bat. Er tat dies per Mail. Unsere Redaktion ist irgendwann in den Presseverteiler dieser Gemeinde geraten, wann und durch welche Umstände, ist uns nicht mehr bekannt.

Also ein Baden im Walde. Warum nicht. Wir verfuhren mit der Publizierung dieses Labsals für Körper und Geist so, wie wir es mit solcherart Ankündigungen immer tun: Wir verfassten einen kurzen Text, in diesem Fall einen Facebookpost, und beseitigten vor Publizierung das falsche Deutsch darin: aus „Leiter:innen“, ein durch ein Satzzeichen unterbrochenes Buchstabengebilde, das weder der Duden kennt noch der durchschnittliche Leser und Bürger in seiner Schriftsprache oder gar im Munde führt, wurde „Waldbadenleiter“ in der Form des generischen Maskulinums, Pluralform.

Das Bad im Schwerter Wald wurde in unserer Facebookcommunity auch eifrig zur Kenntnis genommen und rege diskutiert, teils amüsiert, teils mit offenem Interesse. Nun, etwas verspätet las sie denn auch der Pfarrer selbst. Er schickte uns zwei Tage später eine erneute Mail, die wir ob ihres bizarren Inhalts zweimal lesen mussten, um ihren Sinn vollends zu erfassen:

Der Herr Pfarrer bedankte sich im Eingangssatz artig für die Verbreitung seiner immerhin kostenpflichtigen Veranstaltung, schwang im nächsten Satz jedoch gleich im Fettdruck die verbale Keule:

Die Mitteilung habe jetzt bitte sofort wieder von unserer Seite zu verschwinden.

Weil – Sie werden es kaum erraten, liebe Leserschaft: Weil wir das falsch platzierte Satzzeichen getilgt hatten – den Gender-Doppelpunkt im Wort „Leiter“.

Dies fand der Pfarrer so entschieden ungehörig, dass er dann doch lieber vollständig auf eine kostenlose Bewerbung seines Waldbadens in unserem Medium verzichten wollte. Nun gut, sie war nach zwei Tagen ja auch schon rege zur Kenntnis genommen worden. Merklich erbost belehrte er uns noch mit dem Hinweis darauf, dass sogar an Hochschulen (!) diese Art von Sprache inzwischen gang und gäbe sei!

Nun gut. So sei es.

Wir schickten dem gendergerechten Seelsorger dann folgende höfliche Antwort:

„Sehr geehrter Herr NN,

freundlichen Dank für ihre Zuschrift. Wir beantworten sie gern. 

1. Als Nachrichtenmedium sind wir einer korrekten Verwendung von Sprache verpflichtet. Wir richten uns dabei, wie die meisten Online- wie auch Printmedien, nach den Vorgaben des Rates der Deutschen Rechtschreibung. Eine aus unserer Sicht gute Zusammenfassung können Sie zum Beispiel hier nachlesen:

https://www.mvfp.de/nachricht/artikel/rat-fuer-rechtschreibung-geschlechtergerechte-schreibung-erlaeuterungen-begruendung-und-kriterien-vom-15122023

2. Wie Sie als Kirchengemeinde oder privat als Pfarrer mit Sprache verfahren, bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen. Ebenso bleibt es jedem von Ihnen mit Ankündigungsbitten beliefertem Presseorgan überlassen, wie es diese Pressemitteilungen jeweils verarbeitet: ob es sie kürzt, umformuliert, Absätze austauscht oder sie mit eigenen Informationen ergänzt. Ausführliches dazu können Sie dem deutschen Presserecht entnehmen. 

Ebenso ist es nicht nur das Recht, sondern die Pflicht eines Nachrichtenmediums, falsche und sperrige Sprache (Ergänzung: eingeschlossen falsch platzierte Satzzeichen) aus Pressemitteilungen zu entfernen statt Leser damit zu irritieren und zu verärgern. Ihr Hinweis auf gendernde Hochschulen ist dafür vollkommen irrelevant. Ein ganz überwiegender Teil der Bürger lehnt diese Art von Sprache in Nachrichten ab:

https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuell/weiter-vorbehalte-gegen-gendergerechte-sprache/

3. Wenn Sie auf eine wortwörtliche Übernahme einer Pressemitteilung Wert legen, können Sie gerne jederzeit gern eine kostenpflichtige Anzeige bei uns aufgeben. 

4. Obgleich wir einmal veröffentlichte Mitteilungen auf unserer Web- wie unserer Facebookseite nur in absoluten Ausnahmefällen wieder entfernen (das ginge in einer Tageszeitung schließlich auch nicht) und obgleich Ihre Forderung danach aus oben dargelegten Gründen jeglicher Grundlage entbehrt, handelt es sich bei dieser Waldbaden-Notiz um eine solche Lappalie, dass unsere Leser den Verlust gar nicht bemerken werden. Die Löschung werden wir der Leserschaft zeitnah vorher unter der Meldung ankündigen und diesen Vorfall wegen seiner Einmaligkeit in einem Presseartikel aufgreifen (Anm. für die Leserschaft.: was hiermit getan ist).

Zugleich bitten wir Sie, uns aus Ihrem Presseverteiler zu entfernen, da wir ganz offensichtlich nicht das passende Medium für Ihre Verlautbarungen sind.

P.S. In allen anderen Mitteilungen Ihrer Gemeinde, denen wir bereits über unsere reichweitenstarke Facebookseite Bekanntheit verschafft haben, hatten wir diese grammatikalisch falsche Sprache ebenfalls korrigiert. Dies ist Ihrer Aufmerksamkeit offenbar entgangen. Sie werden hoffentlich nicht erwarten, dass auch diese Meldungen alle nachträglich gelöscht werden, dann müssten wir kilometerweit durch die Nachrichten scrollen. 

Hochachtungsvoll: Ihre Redaktion Rundblick.“

Der sündhafte Facebookpost ist mit Erscheinen dieses Beitrags wie vom Pfarrer angewiesen selbstverständlich von unserer Seite verschwunden.

16 KOMMENTARE

  1. Das wiederwachte evangelikale Jakobinertum scheitert während seines Untergangs wieder einmal beim zusammentreffen mit der Realität an den eigenen Ansprüchen und dabei frage ich mich immer:
    Wie gendert man eigendlich
    „Ein herrenloses Damenfahrrad“ ?
    Auf die Dame mit dem Waldbadenangebot bin ich etwas neidisch weil sie ausgebildete Kirchenmusikerin ist und eigendlich in der hehren Welt von Bachkompositionen zu Hause ist.
    Schade, das sie stattdessen zum Lebensunterhalt naturentfremdeten grün angehauchten Städtern erklären muß, wie man einen Wald erfährt.
    Was hätte wohl Bach über die Sprachpolizei gedacht als er seine götttlichen Kompositionen schrieb?
    Dem Pfarrer wünsche ich, das er auch ohne sprachliche Hilfskrücken eines Tages die Fähigkeit erlangt, geistig mit seinem Gehirn unbefangen Mann und Weib gleich zu ehren.

    • Was haben angeblich „grün angehauchte Städter“ mit dem Beitrag des Pfarrers zu tun – außer dass „Schmunzler“ wieder sein Lieblingsthema hineindrückt, um die menschengemachten Folgen des Klimawandels kleinzureden?

  2. Ich denke, wir (gemeint ist damit jeder Mensch auf diesem Planeten) haben so viele große Probleme zu bewältigen: Hunger, Erderwärmung, Aussterben diverser Tierarten, Abholzung Regenwald, Luftverschmutzung, globale Krankheiten, Kriege an allen Ecken und Enden des Planeten (hoffentlich bekomme ich jetzt keinen Ärger, denn ein runder Himmelsstern kann ja keine Ecken und Enden haben) …… Schon erstaunlich, wie kleinkariert manche Menschen agieren, wenn es um absolute Nichtigkeiten geht! Würden alle die Energie, die sie in Banalitäten legen, in die Probleme packen, die die Menschheit tatsächlich existenziell tangieren, hätten sämtliche Erdbewohner sicherlich ein friedliches und glückliches Leben.

    • Die ganzen Probleme, die sie persönlich zu bewältigen haben, habe ich alle gar nicht.
      Ein friedliches und glückliches Leben habe ich bereits mit den Menschen um mich herum.
      Das Glück beginnt wenn man die Augen aufmacht.

      • Diese Darstellung blendet die nachweislichen globalen Probleme wie Klimawandel, Hunger und Umweltzerstörung völlig aus, obwohl deren Folgen jeden Menschen auf diesem Planeten betreffen. Das Glück, ‚mit offenen Augen zu leben‘, darf nicht bedeuten, wissenschaftliche Fakten zu ignorieren oder gesellschaftliche Verantwortung abzulehnen. Es ist wichtig, die Augen nicht zu verschließen, sondern aktiv an Lösungen für die tatsächlichen Herausforderungen mitzuwirken.
        Denn wie jeder weiß, ist es ist wissenschaftlich belegt, dass Herausforderungen wie der menschengemachte Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung uns alle betreffen, unabhängig vom persönlichen Glück oder familiären Umfeld. Ignorieren oder Leugnen dieser Probleme bedeutet, verantwortungs-loses Verhalten gegenüber unseren Mitmenschen und zukünftigen Generationen zu zeigen. Ich halte es für dringend notwendig, den Tatsachen ins Auge zu blicken und konstruktiv zur Lösung beizutragen statt Fakten zu relativieren oder zu ignorieren.

        • In ihren Kommentaren geht es ihnen gar nicht um das eigendliche Thema des Berichtes .Sie sind ein Internettroll und wollen nur ihre Klimauntergangsphantasien im Fahrwasser meine Kommentare loswerden.

          • Wenn jemand mich als „Internettroll“ abtun möchte, um nicht über Inhalte sprechen zu müssen, sagt das mehr über seine Gesprächskultur als über meine Argumente. Es ist auffällig, dass „Schmunzler“ den Vorwurf der „Klimauntergangsphantasien“ erhebt, statt sich mit den wissenschaftlich belegten Fakten auseinanderzusetzen. Dabei ist ganz einfach: Ich beziehe mich auf Daten, Studien und Realität – „Schmunzler“ hingegen arbeitet mit Schlagworten.
            Ein Beispiel ist die Tatsache, dass „Schmunzler“ hinter jedem Argument sofort Jakobinertum wittert. Man könnte meinen, dass es die Paranoia eines Geschichtslehrers ist, der nie weiter gekommen ist als bis 1789.
            Das wichtigste Thema ist ist derzeit: die Folgen des Klimawandels, die in nahezu jedem gesellschaftlichen und politischen Kontext hochrelevant sind. Täglich neue Berichte in den öffentlich-rechtlichen Medien und den Qualitätszeitungen sollten eigentlich wachrütteln.
            Wer aber so tut, als ginge uns das alles nichts an, verdrängt schlicht die Tragweite der Entwicklungen.
            Wer ernst genommen werden will, sollte sich nicht hinter persönlichen Angriffen verstecken, sondern sachlich debattieren.

          • @Rotmilan
            Sie trollen mich weiterhin aufdringlich mit ihrem Klimathema obwohl es in dem Bericht gar nicht darum geht.

    • Herzlichen Dank für diese Nachricht und die wertvollen Gedanken! Hier werden viele der dringendsten Herausforderungen für die Menschheit offen angesprochen und unterstrichen, wie viel Energie besser für wirklich existenzielle Aufgaben eingesetzt werden könnte. Dieser ganzheitliche Blickwinkel ist inspirierend . Und es sollte eigentlich jedem normalen Menschen klar sein, dass nur gemeinsames Engagement wesentlich dazu beitragen kann, die Welt gerechter und lebenswerter für alle zu machen!

    • Herzlichen Dank für diese Nachricht und die wertvollen Gedanken! Hier werden viele der dringendsten Herausforderungen für die Menschheit offen angesprochen und unterstrichen, wie viel Energie besser für wirklich existenzielle Aufgaben eingesetzt werden könnte. Dieser ganzheitliche Blickwinkel ist inspirierend . Und es sollte eigentlich jedem normalen Menschen klar sein, dass nur gemeinsames Engagement wesentlich dazu beitragen kann, die Welt gerechter und lebenswerter für alle zu machen!

  3. Man sollte auch hinzufügen, das evangelische Pfarrer, welche die Lehren eines Frauenfeindes wie Luther verehren und ihn predigen, sicherlich generell ein etwas zwiespältiges Verhältnis zur Gleichberechtigung der Frauen haben. (freundlich ausgedrückt)

    Martin Luther und die Frauen, nur eine kleine Auswahl an Zitaten:

    „Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da.“
    (Martin Luther, Werke, Weimarer Ausgabe Bd. 10/2, Weimar 1907, S.296)

    „Wo nun eins sich sperrt und nicht will, da nimmt und raubt es seinen Leib, den es dem andern gegeben hat. Das ist dann eigentlich die Ehe, und die Ehe ist zerrissen. Darum muss hier die weltliche Obrigkeit das Weib zwingen oder umbringen.“
    (M. Luther, Vom ehelichen Leben, Luther-Werke Bd.7, S.292 bzw. WA 10,2, S.275)

    „Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allemal, dass die Männer durch sie geboren werden.“
    (Martin Luther, Von der Ehe, zit. nach Gesamtausgabe von Johann Georg Walch, Halle 1734, 22. Bd., Kap. 43, §16)

    „Die Ordnung fordert Zucht und eher, dass Weiber schweigen, wenn die Männer reden.“
    (Weimarer Ausgabe, VIII, S. 498, 12)

    „Will die Frau nicht, so komm’ die Magd!“
    (Luther, WA X2 290)

    „Weibern mangelt es an Stärke und Kräften des Leibes und Verstandes.“
    (TiWA 14 (3))

    „Denn Gott hat das Weib geschaffen, dass es soll bei dem Manne sein, Kinder gebären und Haushaltung verwalten.“
    (TiWA VI 275 (6928))

    Diese Aussagen Luthers empfinde ich weitaus krasser als irgendeinen fehlenden Doppelpunkt.

    • Offenbar hat sich seit Luther einiges geändert: Gerade die Vielzahl der Pfarrerinnen heute zeigt, wie wenig sich der evangelische Alltag von Luthers mittelalterlichem Frauenbild beeindrucken lässt. Die Kirche ist weiter als ihre Gründerväter – zum Glück für alle, die lieber im Heute leben als im finsteren Mittelalter.

  4. @ Schmutzler: Rotmilan ist doch auf Ihre Kommentare eingegangen: Einmal auf den, der sich auf Luthers Frauenbild bezog und auf Ihren Kommentar, der sich wiederum auf den Kommentar gegen Richard W. bezog.
    Das hat nix mit einem Troll zu tun.
    Richard W. und Rotmilan meinen lediglich, dass es wichtigere Probleme gibt.

    • Der Bericht über einen Pfarrer, welcher tatsächlich glaubt, Journalisten zensieren zu können und meint, ihnen eine politische Grammatik aufdrängen zu müssen, ist „unwichtig“, weil der Klimawandel, das Artensterben, der Hunger oder Krankheiten uns alle bedrohen?
      So unwichtig für sie, das sie hier mit ihren Kommentaren vom eigendlichen Thema des Berichtes ablenken müssen?

      • Was haben angeblich „grün angehauchte Städter“ mit dem Beitrag des Pfarrers zu tun – außer dass „Schmunzler“ wieder sein Lieblingsthema hineindrückt, um die menschengemachten Folgen des Klimawandels kleinzureden?

Schreibe einen Kommentar zu Richard W. Antwort abbrechen

Please enter your comment!
Please enter your name here