Kulturkampf um den Doppelpunkt: Schwerter Pfarrer fordert nach Sprachkorrektur Löschung des kompletten Beitrags

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„Waldbaden für die Gesundheit.

Am  Samstag, 27. September, findet um 15 Uhr ein Waldbaden-Kurs im Schwerter Wald statt. Die zertifizierten Waldbaden-Leiter:innen XX (weiblich) und NN (männlich) werden die Gruppe führen.“

So lautete ein unspektakuläre Ankündigung, die weiterzubreiten uns Mitte dieser Woche ein evangelischer Geistlicher aus Schwerte bat. Er tat dies per Mail. Unsere Redaktion ist irgendwann in den Presseverteiler dieser Gemeinde geraten, wann und durch welche Umstände, ist uns nicht mehr bekannt.

Also ein Baden im Walde. Warum nicht. Wir verfuhren mit der Publizierung dieses Labsals für Körper und Geist so, wie wir es mit solcherart Ankündigungen immer tun: Wir verfassten einen kurzen Text, in diesem Fall einen Facebookpost, und beseitigten vor Publizierung das falsche Deutsch darin: aus „Leiter:innen“, ein durch ein Satzzeichen unterbrochenes Buchstabengebilde, das weder der Duden kennt noch der durchschnittliche Leser und Bürger in seiner Schriftsprache oder gar im Munde führt, wurde „Waldbadenleiter“ in der Form des generischen Maskulinums, Pluralform.

Das Bad im Schwerter Wald wurde in unserer Facebookcommunity auch eifrig zur Kenntnis genommen und rege diskutiert, teils amüsiert, teils mit offenem Interesse. Nun, etwas verspätet las sie denn auch der Pfarrer selbst. Er schickte uns zwei Tage später eine erneute Mail, die wir ob ihres bizarren Inhalts zweimal lesen mussten, um ihren Sinn vollends zu erfassen:

Der Herr Pfarrer bedankte sich im Eingangssatz artig für die Verbreitung seiner immerhin kostenpflichtigen Veranstaltung, schwang im nächsten Satz jedoch gleich im Fettdruck die verbale Keule:

Die Mitteilung habe jetzt bitte sofort wieder von unserer Seite zu verschwinden.

Weil – Sie werden es kaum erraten, liebe Leserschaft: Weil wir das falsch platzierte Satzzeichen getilgt hatten – den Gender-Doppelpunkt im Wort „Leiter“.

Dies fand der Pfarrer so entschieden ungehörig, dass er dann doch lieber vollständig auf eine kostenlose Bewerbung seines Waldbadens in unserem Medium verzichten wollte. Nun gut, sie war nach zwei Tagen ja auch schon rege zur Kenntnis genommen worden. Merklich erbost belehrte er uns noch mit dem Hinweis darauf, dass sogar an Hochschulen (!) diese Art von Sprache inzwischen gang und gäbe sei!

Nun gut. So sei es.

Wir schickten dem gendergerechten Seelsorger dann folgende höfliche Antwort:

„Sehr geehrter Herr NN,

freundlichen Dank für ihre Zuschrift. Wir beantworten sie gern. 

1. Als Nachrichtenmedium sind wir einer korrekten Verwendung von Sprache verpflichtet. Wir richten uns dabei, wie die meisten Online- wie auch Printmedien, nach den Vorgaben des Rates der Deutschen Rechtschreibung. Eine aus unserer Sicht gute Zusammenfassung können Sie zum Beispiel hier nachlesen:

https://www.mvfp.de/nachricht/artikel/rat-fuer-rechtschreibung-geschlechtergerechte-schreibung-erlaeuterungen-begruendung-und-kriterien-vom-15122023

2. Wie Sie als Kirchengemeinde oder privat als Pfarrer mit Sprache verfahren, bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen. Ebenso bleibt es jedem von Ihnen mit Ankündigungsbitten beliefertem Presseorgan überlassen, wie es diese Pressemitteilungen jeweils verarbeitet: ob es sie kürzt, umformuliert, Absätze austauscht oder sie mit eigenen Informationen ergänzt. Ausführliches dazu können Sie dem deutschen Presserecht entnehmen. 

Ebenso ist es nicht nur das Recht, sondern die Pflicht eines Nachrichtenmediums, falsche und sperrige Sprache (Ergänzung: eingeschlossen falsch platzierte Satzzeichen) aus Pressemitteilungen zu entfernen statt Leser damit zu irritieren und zu verärgern. Ihr Hinweis auf gendernde Hochschulen ist dafür vollkommen irrelevant. Ein ganz überwiegender Teil der Bürger lehnt diese Art von Sprache in Nachrichten ab:

https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuell/weiter-vorbehalte-gegen-gendergerechte-sprache/

3. Wenn Sie auf eine wortwörtliche Übernahme einer Pressemitteilung Wert legen, können Sie gerne jederzeit gern eine kostenpflichtige Anzeige bei uns aufgeben. 

4. Obgleich wir einmal veröffentlichte Mitteilungen auf unserer Web- wie unserer Facebookseite nur in absoluten Ausnahmefällen wieder entfernen (das ginge in einer Tageszeitung schließlich auch nicht) und obgleich Ihre Forderung danach aus oben dargelegten Gründen jeglicher Grundlage entbehrt, handelt es sich bei dieser Waldbaden-Notiz um eine solche Lappalie, dass unsere Leser den Verlust gar nicht bemerken werden. Die Löschung werden wir der Leserschaft zeitnah vorher unter der Meldung ankündigen und diesen Vorfall wegen seiner Einmaligkeit in einem Presseartikel aufgreifen (Anm. für die Leserschaft.: was hiermit getan ist).

Zugleich bitten wir Sie, uns aus Ihrem Presseverteiler zu entfernen, da wir ganz offensichtlich nicht das passende Medium für Ihre Verlautbarungen sind.

P.S. In allen anderen Mitteilungen Ihrer Gemeinde, denen wir bereits über unsere reichweitenstarke Facebookseite Bekanntheit verschafft haben, hatten wir diese grammatikalisch falsche Sprache ebenfalls korrigiert. Dies ist Ihrer Aufmerksamkeit offenbar entgangen. Sie werden hoffentlich nicht erwarten, dass auch diese Meldungen alle nachträglich gelöscht werden, dann müssten wir kilometerweit durch die Nachrichten scrollen. 

Hochachtungsvoll: Ihre Redaktion Rundblick.“

Der sündhafte Facebookpost ist mit Erscheinen dieses Beitrags wie vom Pfarrer angewiesen selbstverständlich von unserer Seite verschwunden.

1 KOMMENTAR

  1. Das wiederwachte evangelikale Jakobinertum scheitert während seines Untergangs wieder einmal beim zusammentreffen mit der Realität an den eigenen Ansprüchen und dabei frage ich mich immer:
    Wie gendert man eigendlich
    „Ein herrenloses Damenfahrrad“ ?
    Auf die Dame mit dem Waldbadenangebot bin ich etwas neidisch weil sie ausgebildete Kirchenmusikerin ist und eigendlich in der hehren Welt von Bachkompositionen zu Hause ist.
    Schade, das sie stattdessen zum Lebensunterhalt naturentfremdeten grün angehauchten Städtern erklären muß, wie man einen Wald erfährt.
    Was hätte wohl Bach über die Sprachpolizei gedacht als er seine götttlichen Kompositionen schrieb?
    Dem Pfarrer wünsche ich, das er auch ohne sprachliche Hilfskrücken eines Tages die Fähigkeit erlangt, geistig mit seinem Gehirn unbefangen Mann und Weib gleich zu ehren.

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