Schon bei 30 km/h ein 50-Euro-Knöllchen? Auf 25 Metern gilt auf der Morgenstraße Tempo 10 – was ist erlaubt und rechtens?

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Ein selbstgebasteltes windschiefes Verkehrsschild an der Morgenstraße limitiert das Tempo hier auf 10 km/h - 25 Meter weit. (Foto RB)

„10 km/h“, verkündet seit wenigen Wochen ein etwas windschiefes Verkehrsschild an der Morgenstraße stadteinwärts in Unna und erläutert, weshalb das strenge Limit geboten ist: „Baustellenausfahrt“.

Diese enge und schlecht einsehbares Baustellenausfahrt befindet sich 25 Meter hinter dem Schild und liegt nur wenige Schritte vor der Einmündung zum Ostring. Hier langsam zu fahren ist daher tatsächlich schon ein Gebot der Vernunft.

Gleichwohl stellt sich die Frage, wie es sich rechtlich mit einer so drastischen Tempolilmitierung verhält. Zumal sich das Schild bei genauem Hinsehen als selbstgebastelt entpuppt:

Hier wurde in den weißen Kreis eines „Durchfahrt verboten“-Schildes mit schwarzem Klebeband eine 1 und eine 0 gefertigt.

Kreative Geschwindigkeitsanordnung: Die 1 und die 0 wurden mit schwarzem Klebeband auf ein Durchfahrt verboten-Schild geklebt. (Foto RB)

Zunächst aber zur Vorgabe selbst:

Was würde passieren, wenn die Polizei tatsächlich auf diesen 25 Metern das Tempo kontrollieren würde?

Schon mit 10 km/h zu viel sind nach dem Bußgeldkatalog Euro fällig, 20 km/h schneller als erlaubt kosten 50 Euro – die wären an dieser Stelle schon mit 30 km/h erreicht. (Quelle ADAC)

Diese 25-Meter-„Zehnerzone“ ist überdies nicht die einzige in Unna.

Eine sehr viel längere Tempo 10-Strecke befindet sich im ländlichen Unnaer Osten – auf der völlig zertrümmerten Straße „Hacheney“, die vom Ortsteil Stockum in Richtung Lünern führt.

Tempo 10 wegen Straßenschäden gilt seit gut zwei Jahren auf der Straße Hacheney zwischen Unna-Stockum und Nordlünern. (Foto Rinke)

Darf auf einer so kurzen Strecke wie an der Morgenstraße überhaupt geblitzt werden?

In vielen Richtlinien sind Mindestabstände zwischen Schild und der Messanlage vorgeschrieben, weiß der Autoclub ADAC. Im Regelfall sollen die Abstände zwischen 150 und 200 Meter zum Schild betragen.

Ausnahmen gibt es jedoch z.B. an Gefahrenstellen (z.B. Straßeneinmündungen mit Unfallhäufung kurz nach der Beschilderung) oder bei Messungen vor Schulen und Altenheimen.

Auch diese Baustellenzufahrt in Unna könnte als Gefahrenstelle definiert werden.

Gibt es überhaupt eine Tempo 10-Zone?

Nein, hat das OVG Berlin-Brandenburg entschieden (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.11.2019 – OVG 1 B 16/17, NJW 2020, 634):

1. Die Regelungen der Straßenverkehrsordnung über die zulässigen Verkehrszeichen einschließlich der im amtlichen Verkehrszeichenkatalog dargestellten Varianten sind grundsätzlich abschließend, § 45 Abs. 4 Halbsatz 1 i.V.m. § 39 Abs. 9 Satz 1 StVO, Anlage 1 – 4 zur StVO, VzKat (sog. straßenverkehrsrechtlicher Ausschließlichkeitsgrundsatz).
Lediglich Zusatzzeichen (§ 39 Abs. 3 Satz 1 und 3 StVO) können mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle eingeführt werden.

2. Das im amtlichen Verkehrszeichenkatalog nicht vorgesehene Verkehrsschild „Tempo 10-Zone“ ist kein zulässiges Verkehrszeichen.

3. Für die Anordnung eines verkehrsberuhigten Geschäftsbereiches mit einer Zonengeschwindigkeitsbeschränkung von weniger als 30 km/h (§ 45 Abs. 1d StVO) sieht der amtliche Verkehrszeichenkatalog i.d.F.v. 22. Mai 2017 nur eine „Tempo 20-Zone“ vor.

Aber: Im Zweifel muss jedes Schild gerichtlich geprüft werden!

Verkehrsrechtler Arndt Kempgens aus Gelsenkirchen erklärte in Radio Essen, das Thema ist sehr umstritten in Deutschland. Grundsätzlich sei nicht jedes Schild mit einer 10 verboten.

Autofahrer sollten sich erst einmal an die Schilder halten. Im Zweifel müsse jedes Schild gerichtlich überprüft werden. Grundsätzlich gilt: Auch in einer Tempo 10-Zone darf geblitzt werden – so lange, bis jemand klagt.

3 KOMMENTARE

  1. Meines Wissens haben reguläre Verkehrsschilder auf der Rückseite eine entsprechende Nummer.
    Selbstgebastelte Schilder haben m.W. keine Relevanz.
    Ich erinnere mich da an ein entsprechendes Urteil im Sauerland, wo ein Anwalt eine große Anzahl Knöllchen für Falschparken nicht bezahlte und dann vor Gericht Recht bekam, da das dortige Parkverbotschild etwas kleiner als normal (aus Platzgründen dort) und ohne offizielle Nummer war.
    Auf der anderen Seite frage ich mich, ob dieses selbstgestrickte 10km/h-Schild nicht sogar ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr darstellt, weil ein Auto/Motorradfahrer das vielleicht erst spät sieht und dann spontan die Bremse stark betätigt und das zu Auffahrunfällen führen kann.
    Das Schild „Baustellenausfahrt“ mahnt eh zu besonderer Achtsamkeit und Vorsicht in diesem Bereich.
    Wäre schön, da einmal die richtige Rechtslage zu erfahren.

  2. Die durchsichtige Mülltüte oder was das ist, die zu ca. 2 Drittel über dem folgenden blauen Richtungsverkehrsschild hängt, würde mich bei der Anfahrt erst einmal irritieren. Als wenn der Wind sie darüber geweht hat oder Jugendliche sich einen Streich erlaubt haben.
    Keine Behörde würde die Wirkung eines Verkehrsschildes so halbherzig aufheben, schon gar nicht mit einem transparenten Überhang.

    https://rundblick-unna.de/wp-content/uploads/2024/03/20240310_140248.jpg

    Das Temposchild mit der 10 nach rechts gerückt, und nicht in der Mitte, kenne ich auch nicht als Verkehrszeichen. Die sind doch behördlich streng genormt.
    Keine Behörde würde so ein Verkehrszeichen benutzen, ein echtes kann man auch für wenig Geld kaufen:

    https://www.kaufland.de/product/429864215/

    Wir leben auch in einer Industrienation, wo auf Autobahnen die Fahrspuren durch zerfetzte gelbe Klebeersatzmarkierungen bestimmt werden. Manchmal haben sie sich meterlang aufgelöst, während einem direkt daneben der Gegenverkehr entgegen kommt. Oder man fährt zwischen den gelben Markierungen und plötzlich fangen die gelben Klebelinien abwechselnd parallel nach rechts und links an zu „verschwimmen“, weil sie vom Dauerverkehr seitlich weggedrückt wurden. So stelle ich mir immer einen LSD Trip vor.

    Das ist nicht lustig, wenn ein Sekundenfehler eines Autofahrers auf der Autobahn schnell zu Todesopfern führen kann.

    Zudem legt es schonungslos offen, wie marode unser Land ist !

    Wenn man sich zum Beispiel die wichtigste und größte Kreuzung nach Menden rein genauer anschaut. Dort ist irgendwann mal die Ampelanlage komplett defekt gegangen. Darüber wurden dauerhaft Ersatzampeln gehängt, die mit einem chaotischen Kabelwirrwarr verbunden sind. Quer mit Stangen zur Unterstützung notdürftig über die Straßen gezogen.
    Wirklich wie in einem Dritteweltland. Und solche Kreuzungen tauchen immer öfters auf.

    Die Liste könnte ich noch weiterführen.

    Dabei wundere ich mich auch immer, woher trotz dieser zahlreichen Baustellen, hohem Krankenstand und Fachkräftemangel noch die zusätzlichen Kapazitäten für die unzähligen kilometerlangen nagelneuen Fahrradwege hergeholt werden.

    P.S: Wir sind mal Nachts bei Nebel und kaum Verkehr über das Kamener Kreuz gefahren. Da gibt es ja keinerlei Bebauung drumherum. Es war stockdunkel. Da ist uns erst mal klar geworden, das einer der wichtigstens Verkehrsdrehkreuze Deutschlands keinerlei Beleuchtung hat. Wenn man dort plötzlich zwischen den dunklen Hügeln mit Lichtausfall eine Panne hat, wird man vom Nachfolgeverkehr gar nicht gesehen. Das Kamener Kreuz ist keine abgelegene Feldstraße.

    • Und dann fährt man weiter durchs Ruhrgebiet und bemerkt vor fast jeder Brücke auf den Autobahnen die Schilder, daß die LKWs doch 50m Mindestabstand, auch im Stau, halten sollen. Und einige Brücken auf Auffahrten wurden einspurig gemacht (zB von der A2 auf die A45).
      Alle Brücken marode.

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