Bluttat in Königsborn: War es Notwehr? Gab es Morddrohungen? Läuft ein Mittäter frei herum?

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In einem der Mehrfamilienhäuser an der Hermannstraße passierte am späten Abend des 15. Juli 2022 das grausame Verbrechen. Foto: Marius Beckmann.

Das grausame Verbrechen vor zwei Wochen in einem Mehrfamilienhaus in Königsborn entsetzt weiterhin.

Ein 64-jähriger Mann wurde an jenem Freitagabend, dem 15. 07.2022, in seiner Wohnung an der Hermannstraße niedergestochen. Eine Zeugin hörte kurz zuvor einen lauten Streit, es wurde geschrien.

Dann passierte die Bluttat. Der 64-Jährige starb an zahlreichen Messerstichen.

Keine 48 Stunden später meldeten die Ermittler Erfolg. Am Sonntagnachmittag meldete die Dortmunder Staatsanwaltschaft die Festnahme einer 51-jährigen Frau. Die frühere Lebensgefährtin des Getöteten habe in ihrer Vernehmung eingeräumt, ihren Expartner am Tatabend mit mehreren Messerstichen getötet zu haben. Sie mache eine Notwehrsituation geltend.

Seit Sonntagabend, 17. Juli, befindet sich die 51-Jährige in Untersuchungshaft.

Im Umfeld des grausam getöteten Königsborners tun sich seither eine Vielzahl von Frage auf. Ein Leser, dessen Identität wir anonym halten möchten, schilderte uns in einer Zuschrift, was ihn und weitere Bekannte des Opfers persönlich bewegt.

„Ich bin ein guter Freund und ehemaliger Arbeitskollege des Getöteten. Meine Arbeitskollegin ist die direkte Nachbarin und einzige Zeugin.

Wir haben die Bedrohungen gegen M. immer mitbekommen und kennen auch die Täterin.“ /Anm. d. Red.: So lange die Schuld nicht gerichtlich bewiesen ist, gilt die 51-Jährige als Tatverdächtige./

„Leider gibt es inoffiziell sehr merkwürdige Informationen von der Polizei“, beklagt der Exkollege. Ein mutmaßlicher Mittäter der Frau sei demnach wieder freigelassen worden, da er nur zufällig vor Ort gewesen sein soll. Das passe überhaupt nicht zu dem, was die Nachbarin miterlebt und ausgesagt hätte.

Auch sei M. seit Monaten von seiner Expartnerin und einem Mann mit Morddrohungen überzogen worden, schreibt der Exkollege. „Zu wissen, dass ein Beteiligter noch frei herumläuft, lässt sie nicht mehr schlafen.“

„Er gilt nicht als Mittäter und ist deshalb auf freiem Fuß“

Der zuständige Sprecher bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft, Henner Kruse, erläuterte unserer Redaktion auf Nachfrage am heutigen Freitag, wie sich zwei Wochen nach der tödlichen Messerattacke der Ermittlungsstand für die Staatsanwaltschaft darstellt.

Kruse bestätigte demnach, dass, wie von dem Ex-Arbeitskollegen erwähnt, ein weiterer Tatverdächtiger am vorletzten Wochenende vorläufig festgenommen wurde. Dieser Mann habe am Tatabend den Vernehmungen zufolge die 51-jährige Expartnerin des späteren Opfers zu dessen Wohnung an der Hermannstraße begleitet.

Henner Kruse, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund. (Foto RB)

„Sie wollte sich mit ihrem Expartner aussprechen. Der Begleiter sollte ihr zur Hilfe kommen, falls der Expartner gewalttätig werden würde“, gibt der Staatsanwaltsprecher die Aussagen wieder. „Zum Eigenschutz hat sie demnach auch Pfefferspray mitgenommen.“

Der Begleiter sei an jenem Freitagabend nicht mit in die Wohnung gegangen, sondern habe draußen gewartet, bis er plötzlich Hilfeschreie von beiden gehört hätte. Er sei in den Hausflur gerannt und habe gesehen, wie die 51-Jährige auf den 64-Jährigen einschlug.

„Der Begleiter war vor Ort, war aber nicht mit in der Wohnung“, verdeutlicht Henner Kruse. Deshalb sei keine Inhaftierung dieses Mannes erfolgt. Er gilt, so Kruse, nicht als Mittäter und ist daher auf freiem Fuß.

Über das, was sich am Tatabend in der Wohnung des Opfers abspielte, herrscht noch weitgehend Unklarheit. Denn es gab, so macht der Staatsanwaltsprecher die Problematik deutlich, eben nur diese zwei Beteiligten – und der eine der beiden ist tot.

So gibt die Exlebensgefährtin etwa an, der 64-Jährige habe ihr selbst die Tür geöffnet und auf dem Sofa gesessen, als sie hereinkam; ob sie selbst noch einen Schlüssel für die Wohnung hat, ist noch nicht bewiesen bzw. widerlegt (das Paar hatte sich im Jahr zuvor getrennt).

Wer wen zuerst angriff und ob die 51-Jährige wie ausgesagt aus Notwehr mit dem Messer auf ihren Exfreund losging, ist eine der wichtigsten noch offenen Fragen, auf die die Ermittler die in den kommenden Wochen und Monaten Antworten finden müssen. Auch, was es mit dem Knüppel auf sich gehabt hat, der (worauf es laut Kruse Hinweise gibt) ständig neben der Wohnungstür des Opfers deponiert gewesen sein soll – wenn ja, warum?

„Im Zweifel für die Angeklagte“, erinnert der Staatsanwalt an den Grundsatz der deutschen Rechtssprechung.

Zumal es inzwischen Hinweise auf eine psychische Erkrankung der Tatverdächtigen gebe: Erst im Juni (wenige Wochen vor der Tat) wurde laut Kruse ein Verfahren eingestellt, das die 51-Jährige initiiert hatte, weil sie angeblich von ihrem Expartner und einem seiner Freunde vergewaltigt worden sei.

„Es waren erhebliche Zweifel an den Angaben der Frau sowie ihrer psychischen Gesundheit aufgekommen“, schildert Henner Kruse den Grund der Verfahrenseinstellung. Untermauert wurde dieser Eindruck von der Aussage des Sohnes, wonach seine Mutter „rationalen Gedanken überhaupt nicht mehr zugänglich“ sei.

„Es macht einen fassungslos – das war ein seit Monaten angekündigter Mord“

Der Exkollege des Getöteten kommentierte die Aussagen des Staatsanwaltes in einer weiten Zuschrift an unsere Redaktion wie folgt:

„Es macht einen schon ziemlich fassungslos, das zu lesen. Ich bin so frei, ein paar Hintergründe zu erläutern:

M. und seine Exfreundin hatten mehr so etwas wie eine Zweckgemeinschaft. Beziehung ist ein großes Wort dafür… Sie saßen halt nur abends zusammen.

Sie hat ihn allerdings beklaut und flog darauf hin natürlich raus.

Die Vergewaltigungsvorwürfe und Morddrohungen gegen M. und einen Freund von ihm waren dann die Retourkutsche.

Vorm Haus wurden auch regelmäßig die Reifen zerstochen. Können Sie sich jetzt den Knüppel hinter der Tür erklären?

Es gab keine Aussprache, M. wollte keinen Kontakt, erst recht nicht nach 23 Uhr. Nach solchen Vorfällen gibt es verständlicherweise nichts mehr zu bereden.

Außerdem ist die Aussage dahingehend falsch, M. hätte auf dem Sofa gesessen.

Er muss zum Öffnen an der Tür gewesen sein, und schnell zum Sofa kann er nicht. Er hatte ein schweres Rückenleiden und konnte kaum laufen. Niemals hätte er sie eingelassen.

Und warum verwundert es die Polizei nicht, dass die zwei Personen im (von Blut überströmten) Hausflur standen, aber nur die Nachbarin den Notruf alarmiert hat? Wenn er nur zufällig da war, warum keine Erste Hilfe und kein Notruf?

Jeder, der die Situation um M. und seine Expartnerin kannte, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Das war ein Mord, der seit Monaten angekündigt wurde…

Dass sie aber nicht mehr zurechnungsfähig ist, glaube ich leider auch, selbst wenn es das Strafmaß reduziert.“

Ob Anklage gegen die 51-Jährige erhoben wird und wie diese Anklage dann lautet, wird sich, so der Staatsanwaltschaftssprecher, nicht vor September entscheiden. Für die Hinterbliebenen bleiben quälende Trauer und eine Vielzahl quälender offener Fragen.

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