Bürgerabend zum Tierschutzskandal: Weitere entsetzliche Videobelege und „unsichtbare Kreisveterinäre“

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Im Anschluss an das Bürgergespräch im Kolpingsaal folgte eine Mahnwache vor dem Mecke-Schlachtbetrieb. (Foto: SOKO Tierschutz)

Ein Mitarbeiter der Schlachterei Mecke geht mit einem Bolzenschussgerät und einem Messer zu einem Rind. Das Tier ist, durch Videoaufnahmen schrecklich klar belegt, in der Nacht qualvoll verendet.

Der Metzger kratzt mit einer Mistgabel auf dem Körper herum – er will offenbar prüfen, ob das Tier noch lebt. Es zeigt keine Reaktion mehr.

Dann versetzt der Mann dem offensichtlichen Kadaver einen Bolzenschuss und lässt einen Kehlschnitt folgen.

Das Vortäuschen einer Notschlachtung, erläutert SOKO-Tierschutz-Sprecher Friedrich Mülln auf dem Podium die grausamen Bilder, die viele der rund 100 Besucher im Kolpinghaus Werne am Mittwochabend (18. 8.) starr machen vor Entsetzen.

Die Bürgerversammlung wurde von der SOKO per Livestream übertragen. HIER ist der Stream abzurufen.

Die SOKO Tierschutz, die durch heimlich gedrehte Videos kurz hintereinder zwei massive Tierschutzskandale im Kreis Unna aufgedeckt hat (illegales Schächten im Schlachthof Prott Selm, Misshandlungen und verbotene Weiterverabeitung kranker Tiere in der Viehumladestelle Werne), mutete durch das Zeigen weiterer furchtbarer Bilder ihren Besucherinnen und Besuchern am Mittwochabend bewusst viel zu.

Ihre Mitglieder selbst hatten sich ungezählte Stunden durch grausamste Szenen gearbeitet, unermessliches Tierleid dokumentiert und alles im Detail dem Kreis Unna zur Verfügung gestellt.

Podium beim Bürgerabend im Werner Kolpingsaal. /Screenshot aus dem Livestream

Es sei, so betonte Sprecher Friedrich Mülln mehrfach, angesichts des umfangreich vorliegenden Videomaterials schlichtweg unbegreiflich, wie Landrat Mario Löhr und Kreisdezernent Uwe Hasche in der Pressekonferenz am Dienstag öffentlich hätten behaupten können:

Alle vorgeschriebenen Kontrollen hätten ordnungsgemäß stattgefunden.

„In Gegenwart von Amtspersonen wurde stets korrekt gehandelt.“

Bei dieser lückenlosen mehrwöchigen Videoüberwachung z. B. im Schlachthof Prott in Selm aus allen möglichen Perspektiven hätte irgendwo ein amtlicher Kontrolleur zu sehen sein MÜSSEN, betonte Mülln.

Er wiederholte seine Feststellung aus der Pressekonferenz, dass die Veterinäre des Kreises Unna offenbar unsichtbar seien.

Unter vehementem Beifall bekannte Mülln:

„Zwei Tierschutzskandale in kurzer Zeit. Dieser Landkreis kotzt mich inzwischen an.“

Die Szene mit dem Bolzenschuss in ein offensichtlich totes Tier diente beim Bürgerabend als einer von vielen Belegen dafür, dass schwer kranke und zu Tode geschwächte Tiere aus der umstrittenen Viehsammelstelle an der Lünener Straße in den normalen Schlachtbetrieb gelangten und dort mutmaßlich zu Lebensmitteln verarbeitet wurden.

Ältere, kranke Menschen oder Kinder könnten durch den Verzehr schwere gesundheitliche Schäden erleiden oder sogar sterben, entwarf Mülln das Schreckensszenario.

Die SOKO belegt ihre schweren Vorwürfe mit dem Auslesen von GPS-Daten eines mit abgemagerten Vieh beladenen Transporters. Dieser fährt nicht die für Tierfutter zugelassene Mecke-Schlachterei am Froningholz an, sondern den Hauptbetrieb an der Lippestraße. Dort wird er entladen.

Was mit den Tierkörpern dann anschließend in der Schlachterei geschehen ist, lässt sich nicht weiterverfolgen.

Ein weiteres Video zeigt Kühe, die am Schlachtbetrieb an der Lippestraße abgeladen werden und über ein am Boden liegendes krankes Kalb hinwegtrampeln. Das Kalb wird anschließend mit roher Gewalt in die „Verarbeitungsschlange“ gezerrt.

Friedrich Mülln stellt bei diesen Bilddokumenten die Frage: „Wo war da der Veterinär? Wenn er schon nicht im Bild war, hätte er doch einschreiten müssen!“

Bereits in der Pressekonferenz des Landrats am Dienstag hatte der SOKO-Sprecher Mario Löhr mit sehr unbequemen Fragen konfrontiert.

Wieso ist auf den über Monate mit versteckten Kameras gefertigten Aufnahmen kein einziges Mal ein Kontrolleur des Veterinäramtes zu sehen? Gab es diese behaupteten Kontrollen eigentlich?

Oder hätten die vom Kreis beauftragten Tierärzte bewusst weggeschaut – mglicherweise, weil sie auch auf der Lohnliste des umstrittenen Fleischers stünden?

Pressekonferenz mit Landrat Mario Löhr (SPD, Mitte), Gesundheitsdezernent Uwe Hasche (re.), Pressesprecher Volker Meier (li.). Foto Rinke

Schon vor vier Wochen habe die SOKO dem Kreis sämtliche Videoaufnahmen zur Verfügung gestellt. Das heißt, die Behörde wusste vom Verdacht verbotener Krank- oder sogar Kadaverschlachtungen.

Dennoch keine Warnung der Verbraucher, kein Rückruf von Mecke-Produkten im Handel. Der SOKO-Sprecher unterstrich:

„Ich finde es schon schockierend, wenn der Landrat sagt, er habe sich unsere Dokumentationen nicht ganz angeschaut. Da hat er einen krachenden Skandal und beschäftigt sich nicht einhellig damit?“

Die Viehsammelstelle in Werne sei im Jahr 2020 elf Mal und in diesem Jahr bereits 9 Mal kontrolliert worden, hatte Dezernent Hasche in der Pressekonferenz aufgeführt. Jedes einzelne Tier sei bei diesen monatlichen Kontrollen einem Tierarzt vorgeführt worden.

Und zu keinem Zeitpunkt, insistierte Mülln, sei aufgefallen, dass in der ausschließlich für Pferde zugelassenen Sammelstelle Rinder und Kühe standen?

Das Fazit des SOKO-Sprechers, in der Versammlung mehrfach gezogen, sorgte für stürmischen Applaus:

„Der Fisch stinkt vom Kopf.“

Am Montag kommender Woche, 23. August, muss sich Landrat Mario Löhr im Gesundheitsausschuss des Kreistags weiteren unbequemen Fragen der Politik stellen (Wählergemeinschaft GFL und WfU).

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