Die am 9. April im Märkischen Kreis verhängte Ausgangsbeschränkung zwischen 21 und 5 Uhr (salopp formuliert: „nächtlicher Hausarrest“) – gerichtlich gekippt, doch wegen postwendenden Widerspruchs des Kreises weiter in Kraft – birgt Tücken im Detail.
Denn längst nicht jeder, der sich nach 21 Uhr vor die Tür begibt, begeht damit eine Ordnungswidrigkeit.
Die in der Allgemeinverfügung niedergeschriebenen Ausnahmen von der Regel erläuterte uns auf Nachfrage jetzt noch einmal der Pressesprecher der Märkischen Kreisverwaltung, Alexander Bange. Denn einige Formulierungen lassen Interpretationsspielräume offen.
Es heißt darin:
„Ausnahmen gelten unter anderem bei
• Medizinischen Notfällen
• Arbeitsweg oder Berufsausübung
• Fürsorgetätigkeiten oder Betreuung Unterstützungsbedürftiger
• Der Begleitung Sterbender
• Der Versorgung von Tieren
• Besuch von Ehegatten oder Lebenspartnern in deren Wohnung
• Ähnliche gewichtige und unabweisbare Zwecke“
Für die Begründung „ich fahre zur Arbeit / komme von der Arbeit“ ist keine Bescheinigung des Arbeitgebers erforderlich, heißt es ausdrücklich weiter in der Verordnung (wie übrigens auch in der Verordnung für die Stadt Hagen, wo ebenfalls frisch eine Ausgangssperre gilt). Das heißt, dass es dem jeweiligen Polizeibeamten bei einer Kontrolle obliegt, diesen und auch andere vorgebrachte Gründe zu glauben oder eben nicht.
Bei Zweifeln an der Glaubwürdigkeit, verdeutlichte uns Polizeisprecher Christof Hüls, werde die entsprechende Anzeige gefertigt. Diese zu prüfen und gegebenenfalls mit Bußgeld zu ahnden obliegt dann wiederum dem Ordnungsamt der jeweiligen Stadt.
Körperliche Aktivität ist draußen erlaubt – ABER:
Erlaubt gemäß der Allgemeinverordnung, bestätigte uns auf Nachfrage Kreissprecher Alexander Bange, sind auch nach 21 Uhr abendliche Spaziergänge, abendliches Joggen, abendliche Radtouren.
Wieso kassierte dann aber ein einsamer Spaziergänger um 23 Uhr am Samstagabend an einer Talsperre eine Anzeige, wie die Kreispolizei MK am Wochenende berichtete?
Weil es verboten ist, zu einem Spazier-Ziel extra hinzufahren, verdeutlicht Alexander Bange diesen feinen Unterschied. Heißt im Klartext:
Auch nach 21 Uhr darf jeder Bürger im Märkischen Kreis das Haus verlassen, um etwa gehend oder laufend seine Runde zu drehen oder selbige Aktivität auf dem Fahrrad zu unternehmen.
Radelt oder marschiert er dabei bis zur besagten Talsperre (als Beispiel), darf er dort ebenfalls herumspazieren.
Er darf aber nicht vor der Haustür in sein Auto steigen, zur Talsperre hinfahren (oder in den Wald), dort das Fahrzeug parken, eine Runde spazierengehen oder joggen, sich wieder ins Auto setzen und nach Hause fahren. Das wäre dann nämlich wiederum ein „touristischer Ausflug“.
Genau aus diesem Grunde ist es zwar auch erlaubt, nach der Sperrstunde aus einem anderen Kreis in einen anderen Kreis durchs Kreisgebiet MK hindurchzufahren – etwa vom Hochsauerlandkreis quer rüber in den Kreis Unna (mit Finale über die Ruhrbrücke nach Fröndenberg).
ABER, macht Kreissprecher Bange warnend klar:
„Sie müssen auf direktem Wege durchfahren und dürfen nicht zwischendurch anhalten und aussteigen.“ Auch nicht, um beim Beispiel zu bleiben, an besagter Talsperre, um die Abendstimmung zu genießen. Derartiges ist erst wieder jenseits der Ruhr (oder alternativ auch mitten auf der Ruhr) in Fröndenberg erlaubt.
Autobahnen gehören übrigens nicht zum Geltungsbereich der Allgemeinverfügung, klärt Alexander diese Frage:
Gerät man also um 22 Uhr abends auf der A46 bei Lüdenscheid in einen Stau, darf man, ohne eine Ordnungswidrigkeitenanzeige zu riskieren, auf einem Park- oder Rastplatz aussteigen. Man darf auch von der Autobahn abfahren und den Stau auf Land- und Gemeindestraßen des Märkischen Kreises umfahren.
„Aber immer nur per direkter Durchfahrt“, wiederholt mahnend der Kreissprecher. Also: Beim Fast Food-Lokal zwischenstoppen und einen Burger zum Mitnehmen kaufen ist nicht.
Das Arnsberger Verwaltungsgericht hat wie gestern berichtet einem von insgesamt 12 Eilanträgen gegen diese Allgemeinverordnung bereits stattgegeben (es gab einem Mendener Anwalt Recht), doch der Krisenstab des MK reichte noch am gestrigen Tag Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster ein.
Damit bleibt die strittige Ausgangsbeschränkung vorerst in Kraft. Sie gilt bis zum 18. 4. 2021.
Das ist Deutschland: einfach nur noch lächerlich! Danke für das passende Foto :)! Anette Kaufmann
Liebe Frau Kaufmann, das war tatsächlich ein rein zufälliger Schnappschuss vom Vortag, der unserer Ansicht nach herrlich passte… danke für die Bestätigung, ein bisschen Galgenhumor muss sein. 😉
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