Eislaufen auf synthetischem Eis – auf Kunststoffeis, also praktisch auf Plastik?
Was bereits vor zwei Jahren von Unnas Grünen vorgeschlagen und unter Protest von den Eishallenunterstützern verworfen wurde, scheint plötzlich zumindest für die Eishockeysportler doch eine realistische Möglichkeit zu sein, dem zähen Projekt „Wiederertüchtigung der Eishalle Unna“ auf die Sprünge zu helfen.
Die Bürgerinitiative „Unna.braucht.Eis“ nimmt weiter einen anderen Standpunkt ein. Wir stellen die Argumente in diesem Artikel gegenüber, mit einem Testlauf angereichert, den eine unserer Rundblick-Mitarbeiterin am Samstag, 20. 2., auf der synthetischen Eisfläche in den Hellwegsporthallen gegenüber der Eissporthalle unternahm.
Dort begann am Donnerstagabend eine Testphase mit einer Synthetik-Eisbahn.
Mit Stand vom Samstagnachmittag waren bis einschließlich Mittwoch (24. Februar) noch 7 Termine zu vergeben.
„Wir hoffen, dass wir vom Ordnungsamt noch die Genehmigung für eine Woche länger bekommen“, erklärten Rebeka Skurak und Michael Weber vom Eishockeyclub KJEC. „Denn die Testphase wird super angenommen. “
Am Sonntag gab sich sogar Eislaufprominenz die Ehre auf dem Kunsteis: Die ehemalige Eiskunstläuferin Marina Kielmann begab sich aufs synthetische Eis, um es professionell zu testen.
Getestet, weniger professionell als vielmehr unter Freizeitsportaspekten, hat auch unsere Rundblick-Mitarbeiterin die künstliche Eisfläche. Ihr Resümee war ziemlich begeistert: „Eine super Idee, finde ich, vor allem für Anfänger ideal, da das Eis nicht zu glatt ist und man nicht gleich einen Adler macht, wenn man mal einen unbedachten Schritt tut. Also ich wäre gern noch länger gelaufen!“
Allerdings, schränkt Anja ein:
„Man muss man seinen Kopf ausschalten“ und nicht dran denken, dass es ,Plastikeis´ ist. Denn man merkt schon einen Unterschied zu richtigem Eis. Sind die Kufen aber erst mal warm und hat man die Technik raus, dann läuft es.“
Michael Weber kennt die Besonderheiten des synthetischen Eises: Je verkratzter die Fläche ist, desto schneller wird die Bahn. Denn erst nach einiger Zeit werden die eingearbeiteten Schmierstoffe freigesetzt (sie sind unbedenklich, versichert Michael Weber), die die Fläche immer glatter machen.
Die synthetische Eisbahn hat eine Gewährleistung von 10 Jahren bei dauerhafter Nutzung, ergänzt Weber.
Es ist übrigens kein besonderer Schliff der Schlittschuhe nötig. Ein einfacher scharfer Schliff wie auf „normalem“ Eis reicht aus.
Die „Eismaschine“ ist hingegen nicht so, wie man sie aus „richtigen Eishallen“ kennt: Es ist ein „Eissauger“, der den Abrieb von der Fläche saugt.
Die „Eismaschine“ der Sauger (©Rebeka Skurak)
Jolyn Schumacher und Natalie Janos, beide Eishockeyspielerinnen des KJEC, schilderten uns bei unserem Testlauf am Samstag ebenfalls ihr Eindrücke – beide können sich für die Alternative zum echten Eis absolut erwärmen:
„Es ist eine super Alternative, um im Sommer trainieren zu können, so stehen wir wenigstens nicht ohne nichts da“, erklärte Jolyn Schumacher. „Es ist schon anders, als auf richtigem Eis zu laufen. Aber besser als gar nichts auf jeden Fall!“
Und Natalie Janos ergänzt: „Es braucht wesentlich mehr Kraft und ist reine Kopfsache. Man muss den Kopf ausschalten und nicht daran denken, dass man auf Plastik läuft. Wenn man das hinbekommt, ist es eine super Alternative.“
Marie Wonneberger und Mona Fischer, beide reine Hobbyläuferinnen, schließen sich der Meinung der beiden Eishockeyspielerinnen an: Eissport auf künstlichem Eis ist anstrengender – was ja für einen Sport nicht das Schlechteste ist. Und: Es ist eine super Alternative, um im Sommer nicht ohne „Eis“ dazustehen.
Wie berichtet, schlägt der KJEC die Plastikeisvariante als Möglichkeit für eine raschere Wiederertüchtigung der Eishalle als Vierjahreszeiteneissporthalle vor. Im März würde abgetaut, und zwei Tage später könnte das muntere Schlittschuhlaufen weitergehen. In den Wintermonaten von September bis März würde normales Kunsteis hergestellt, da das Synthetikeis nicht für Eishockey oder Eiskunstlaufwettbewerbe geeignet ist.
„Diese Methode spart CO2 und Energie, da das Synthetikeis aus mobilen Platten, 1mx 1m, besteht“, erklärt Rebeka Skura. „Diese können jederzeit immer und überall auf- und abgebaut werden und kosten keinerlei Energie.“ Deshalb wäre es auch möglich, dass Eishockeymannschaften und Eiskunstläufer im Sommer nicht auf dem Trockenen trainieren müssen.
„Dies hat den Vorteil, das z. B auch Kindergärten und Schulen sagen können: Komm, wir holen uns das Eis in unsere Sporthalle“, erklärt die KJEC-Sportlerin. „So kann man den Nachwuchs fördern und aufs Eis bringen.“
Sie rechnet vor:
- Die Eisbahn im Kamener Winter kommt auf Engergiekosten von 90.000 €. Synthetik kostet null Euro an Energie.
- Das „neue“ Eis hat eine Gleitfähigkeit von 80% im Verhältnis zu „normalem“ Eis.
„Kann dieser Plan umgesetzt werden, wäre Unna weltweit die erste Stadt mit einer Eishalle mit einer Synthetikeisbahn“, hofft der Club auf Realisierung. Das „neue“ Eis ist mittlerweile auch vom Deutschen Eishockeybund (DEB) zertifiziert.
Alle Eissportfans, für die es nicht zwingend echtes Eis sein muss, können in den Hellwegsporthallen (gegenüber der Eissporthalle) Testläufe starten. Die Firma like-ice hat diee 10 mal 20 große Fläche mit Bandensystem kostenlos zur Verfügung gestellt. Interessierte können sich unter Tel. 0 151 / 50 650 785 bei Rebeka Skurak für einen Testlauf anmelden.
Eislaufen auf 3,5 Tonnen Plastik? Das sagt „Unna.braucht.Eis“:
Die Eishallenrettungsinitiative spricht sich gegen die synthetische Variante aus. In einer Pressemitteilung begründet das UbE wie folgt:
„Zuletzt war es doch wieder sehr still um die Halle geworden und um die seitens des Bürgermeisters versprochene Transparenz war es in den Monaten seit seiner Wahl eher schlecht bestellt. Von daher begrüßen wir ausdrücklich den Umstand, dass seitens des KJEC nunmehr ein Vorschlag unterbreitet worden ist, der das Thema „Bürgerentscheid zur Eishalle“ in der öffentlichen Diskussion neu belebt.
Nur wenn alle Argumente und Ideen auf den Tisch gelegt und abgewogen werden, können wir am Ende zu einer optimalen Lösung gelangen, die den Bedürfnissen der eissporttreibenden Vereine, der Freizeitläufer und der Steuerzahler gleichermaßen gerecht wird. Zudem müssen betriebswirtschaftliche Aspekte und die Interessen eines zukünftigen Betreibers angemessene Berücksichtigung finden.
Auf den ersten Blick scheinen verschiedene Aspekte tatsächlich für die Verwendung von Kunststoffplatten, anstelle von „echtem“ Eis zu sprechen. Nehmen wir zum Beispiel den Umweltaspekt: Schlittschuhlaufen, ohne dass es dazu einer Eisaufbereitungstechnik bedarf, die große Mengen an Strom verbraucht?
Das klingt erst einmal nach dem „grünen“ Stein der Weisen. Aber wie sieht es tatsächlich aus?
Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass beide Eisbahnen zusammen genommen eine Fläche von ca. 2.000 qm aufweisen. Will man diese Fläche mit den vorgeschlagenen Kunststoffplatten auslegen, würde man sich ca. 3,5 Tonnen Plastik (eine gewöhnliche Einkaufstüte wiegt gerade einmal 20g!) in die Halle legen.
Nun kennen wir die Menge an Erdöl, Wasser und Energie nicht genau, die in die Erzeugung dieser Masse an Kunststoff fließt, wir wissen aber, dass die Erzeugung von Kunststoffen generell extrem energieaufwändig ist.
Es kommt hinzu, dass für die Platten eine Lebenszeit von 10 Jahren angegeben wird. Wobei darauf hinzuweisen ist, dass eine Schlittschuhbahn dieser Größe und mit dieser intensiven Nutzung noch nirgendwo dauerhaft betrieben worden ist. Die tatsächliche Lebenszeit der Platten kann also auch nach unten abweichen.
Das heißt im Ergebnis aber nichts Anderes, als das alle 8 – 10 Jahre ca. 3,5 Tonnen Plastikmüll erzeugt werden, dessen Entsorgungsweg aus unserer Sicht nicht hinreichend geklärt ist.
Zum Stichwort „Entsorgung“ ist zudem anzumerken, dass das Schlittschuhfahren auf der Fläche unwillkürlich zu einem Abrieb von erheblichen Mengen an Kunststoffpartikeln führt. Diese bleiben teilweise auf dem Boden liegen, teilweise werden sie jedoch auch mit der Ausrüstung bzw. Kleidung in die Umwelt hinaus getragen.
Der Eintrag von Kunststoffpartikeln in das Ökosystem ist jedoch generell kritisch zu sehen, wie ja auch die aktuelle Diskussion um Mikroplastik in den Weltmeeren verdeutlicht.
Der Hersteller des Kunststoff-Systems gibt an, dass der Abrieb für Menschen bei versehentlichem Verschlucken nicht schädlich sei. Für das Einatmen von Partikeln etwa nach einem Sturz sind aber keine entsprechenden Studien bekannt, die eine Unbedenklichkeit belegen. Hier wäre gezielt nachzuforschen, zumal ja insbesondere kleine Eislaufschüler noch häufig stürzen und von daher auch ein Einatmen des entstandenen Abriebs zu erwarten ist.
Hier soll nicht verschwiegen werden, dass auch die herkömmliche Herstellung von echtem Eis mittels einer Glykol-Kälteanlage unter Umweltgesichtspunkten eine Herausforderung darstellen kann. Immerhin verbraucht eine solche Anlage ebenfalls große Mengen an Strom. Konkret lag der Energieverbrauch der Eishalle in den letzten Betriebsjahren etwa auf dem Niveau eines durchschnittlichen Schwimmbads.
Beim Stromverbrauch einer Eishalle muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein großer Teil der Energie dafür verwendet wird, überhaupt eine Eisfläche aufzubauen. Wenn die Eisfläche erst einmal vorhanden ist, ist die Erhaltung der Eisschicht mit verhältnismäßig wenig Energie möglich.
Eben dieser energieintensive Schritt der erstmaligen Herstellung des Eises würde allerdings auch bei der zusätzlichen Verwendung von Kunststoffplatten auf der großen Eisbahn gerade nicht entfallen, so dass ein für den Energieverbrauch entscheidender Faktor auch bei diesem Modell bestehen bliebe.
Die Nachteile von Kunststoffeis liegen damit auf der Hand:
- Der erhöhte Gleitwiderstand wirkt sich nachteilig auf den Laufspaß aus, da man gerade als Gelegenheitsläufer sehr viel mehr Kraft aufwenden muss. Die Kufen der Schlittschuhe unterliegen einer erheblich höheren Abnutzung und müssen daher nach jedem Lauf auf Kunststoff neu geschliffen werden (ein eklatanter Nachteil für den Schlittschuhverleih des Hallenbetreibers) .
- Der Wechsel zwischen Kunststoff und Eis ist aufwändig. Konkret muss im Sommer die vorhandene Verrohrung der Kälteanlage von der Eisbahn entfernt und mehrere tausend Kilogramm Kunststoffplatten (> 1.500 Stk) passend verlegt werden. Im Herbst müssen wiederum die Platten entfernt du die Verrohrung wieder angeschlossen werden.
- Gesundheitsfragen sind nicht hinreichend beleuchtet.
- Kunststoff ist aus ökologischer Sicht grundsätzlich kritisch zu sehen (Verbrauch fossiler Ressourcen schon bei der Herstellung, ungeklärte Entsorgungswege, Mikroplastik-Problematik).
- Für die Pflege und Reinigung des Kunststofffeldes müssen eigenen Gerätschaften angeschafft und vorgehalten werden
Trotz einiger unbestreitbarer Vorteile von Kunststoffeis spricht sich UbE aufgrund der o.g. zahlreichen Nachteile gegen dessen Verwendung aus. Uns erscheint der ganzjährige Einsatz von echtem Eis sinnvoller und im Ergebnis auch umweltfreundlicher.
Wir setzen auf energiesparende Anlagentechnik bei gleichzeitiger Optimierung der Gebäudehülle. Durch die Verwendung von 100% Öko-Strom (zu möglichst großen Teilen selbst erzeugt) ließe sich der ökologische Fußabdruck der Halle massiv verbessern. Ein Blockheizkraftwerk könnte in Kopplung mit dem nahegelegenen Schwimmbad oder der angrenzenden Wohnbebauung einen weiteren Beitrag zu einem umweltfreundlichen Betrieb leisten.
Natürlich kommen auch Mischformen beider Konzepte in Betracht. Ob beispielsweise für die kleine Eisbahn zusätzlich Kunststoffeis vorgehalten werden sollte, ließe sich unter verschiedenen (insbesondere betriebswirtschaftlichen) Aspekten diskutieren. Immerhin würde hier auch der Gesichtspunkt des energieintensiven Eisaufbaus aufgrund der geringeren Oberfläche weniger stark ins Gewicht fallen.
Insgesamt möchten wir die Bürgerinnen und Bürger auffordern, sich an der Diskussion zu beteiligen. Weit über 15.000 von euch haben für die Eishalle gestimmt. Viele davon sind vermutlich Gelegenheits- und Wochenendläufer. Wir möchten, dass auch eure Stimme in die Planung einfließt!
Schreibt uns bitte an:
unna.braucht.eis@gmail.com„
Für die Curlingspieler*innen wäre die optimale Lösung die kleine Eisbahn mit Kunsteis auszurüsten, d. h. wie gehabt.
Udo Fischer
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