Ärger um Unnas Winterdienst hält an: Alter Markt und Fußgängerzone jetzt frei – Kommune muss nicht überall räumen

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Zusammengeschobenes Schneegebirge auf dem Alten Markt. (Foto Stadt Unna)

Nach Dringlichkeit werde geräumt, beharrt die Stadt Unna trotz eher noch an- als abschwellender Kritik an ihrem diesjährigen Winterräumungsdienst. „Warum kriegen alle anderen Städte und Gemeinden es hin und Unna nicht?!“, wird dennoch weiter mit teils erheblichem Zorn in den sozialen Netzwerken kritisiert und emotional diskutiert.

Als Beispiele, wo die Räumung einwandfrei geklappt habe, werden z. B. die Nachbarstädte Kamen, Fröndenberg, Dortmund und vor allem der Märkische Kreis lobend erwähnt.

Hingegen klappt es in Hamm offenbar (mindestens) eben so wenig wie in Unna: In den dortigen Foren tobt die Debatte um einen praktisch nichtvorhandenen Winterdienst jetzt am fünften Tag in Folge.

Am Donnerstagmorgen, 11. 2, schickte die Stadt Unna zwei Fotos und verkündete:

Seit Donnerstagmorgen sind die Stadtbetriebe Unna dabei, den Alten Markt und die Fußgängerzone von den Schneemengen zu befreien. Schon am Mittwochnachmittag wurde der Schnee zusammengeschoben und zum Abtransport vorbereitet. Vorerst wird der Schnee auf der Brachfläche des Brockhausplatzes abgeladen. Weiterhin ist der Winterdienst der Stadtbetriebe Unna unterwegs, um die Straßen von Schnee und Eis zu befreien.“

Beispielhaft für die Kritik der Unnaerinnen und Unnaer kann dieser gestrige Leserkommentar (einer von inzwischen Hunderten) auf unserer Rundblick-Facebookseite stehen:

„Die Rechtfertigung der Stadt gestern! Es wird nach Dringlichkeit geräumt, die Straße zum Katholischen Krankenhaus wurde wohl vergessen, die Innenstadt wo Kopfsteinpflaster ist, ist wohl nicht dringlich. Genauso wie die Hammer Straße, quasi von der Eishalle bis zu den Kreiseln und die Hansastraße, wo den ganzen Tag Berufsverkehr ist, nichts frei. Man sieht an der Hammer Straße genau, ab wo Kamen zuständig ist in Richtung Hamm, selbst vor Bönen ist frei. Also da braucht man nichts zu erzählen. Klar ist der Bürger vor seiner Tür verantwortlich, die meisten machen das mehrmals täglich, da sieht es besser aus als in Unna auf den Straßen!“

Die Kreuzung Massener Hellweg/Kleistraße/Bismarckstraße am Montagabend. Ein Lkw hatte sich festgefahren, ein Landwirt mit seinem Traktor sprang im Anschluss als freiwilliger „Räumdienst“ ein. (Foto: Privat / für RB)

So argumentiert die Stadt Unna:

  • Der Winterdienst sei mit Beginn des Schneeeinbruchs mit 6 Fahrzeugen unterwegs gewesen, seit der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 3 Uhr früh.
  • Von diesem Zeitpunkt an hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lediglich am Sonntagmittag um 12 Uhr das Räumen für eine kurze Zeit eingestellt, da man gegen die Schneemassen schlicht nicht mehr ankam.
  • Erschwert hätten die Arbeiten die vielen Schneeverwehungen.
  • Der Winterdienst sei von Anfang an nur in der Dringlichkeitsstufe 1 unterwegs. Das sind Steigungen, gefährliche Kurven, Zufahrten zu Krankenhäusern… etc….
  • Auch Salzstreuen sei nicht möglich gewesen, da der Wind das Streugut weggeweht habe.
  • In der Nacht zu Montag, als erneut Schneefälle einsetzten, waren die Räumfahrzeuge der Stadtbetriebe laut Stadt ab 3 Uhr durchgehend im Unnaer Stadtgebiet unterwegs, bis mindestens 1 Uhr in der Nacht. Nach zwei Stunden Pause ging es um 3 Uhr am Dienstag weiter.
  • Die Zahl der Einsatzfahrzeuge sei am Dienstagmorgen auf 8 erhöht worden.
  • Nach wie vor gelte es, „die rechtlichen Vorgaben der Dringlichkeitsstufe 1 zu erfüllen.“ Woraus zwangsläufig folgt, dass weniger dringliche Straßen ungeräumt bleiben müssen.
Beispiel für eine eindeutige Räumung nach „Priortätenfolge“ in der Stadt Fröndenberg. Nach diesen Prioritäten, argumentiert die Stadt Unna, verfahren praktischh alle Städte und Gemeinden nach den massiven Schneefällen. (Foto RB)

Wie weit greift die Räum- und Streupflicht der Kommune?  

Mit der „Räum- und Streupflicht“ einer Gemeinde bzw. eines kommunalen Bauhofs wird die Verkehrssicherungspflicht bei Schnee und Glätte auf Straßen und Gehwegen bezeichnet. Sie dient der Vermeidung von Unfällen.   

Die winterdienstlichen Pflichten von kommunalen Bauhöfen sind in den Straßengesetzen der Bundesländer und der von der Rechtsprechung entwickelten Verkehrssicherungspflichten geregelt. So hat laut Bundesgerichtshof (BGH) jeder, 
der einen Verkehr eröffnet oder zulässt, dafür zu sorgen, dass die Verkehrsteilnehmer nicht zu Schaden kommen, d. h., er muss zumutbare Vorkehrungen treffen, um die aus einer Gefahrenquelle resultierenden Schäden zu verhindern (BGH, VersR 1985, 568). 

Weil es jedoch unverhältnismäßig ist zu verlangen, dass eine Kommune jeden Einwohner vor jedem Schaden bewahrt, schränken Gesetze und Rechtsprechung die Verkehrssicherungspflicht auf das Zumutbare ein: 

  • Die Leistungsfähigkeit der Kommunen und Landkreise wird berücksichtigt. 
  • Die Verkehrssicherungspflicht des Bauhofs tritt erst dann ein, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht mehr selbst in der Lage ist, die Situation trotz besonderer Sorgfalt zu beherrschen. 

Fahrverkehr innerorts – Wo und wann muss der Bauhof räumen?

Laut Bundesgerichtshof ist der Bauhof nur verpflichtet,

  • Fahrbahnen der öffentlichen Straßen innerhalb geschlossener Ortslagen lediglich an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen bei Schnee und Eisglätte zu räumen und zu streuen. 

„geschlossene Ortslage“

Unter einer geschlossenen Ortslage wird ein Teil des Gemeindegebiets verstanden, der zusammenhängend gebaut ist. Der Bauhof ist also nur verpflichtet, den Ort selbst und einzelne Ortsteile winterdienstlich zu bedienen, nicht aber das gesamte Gebiet innerhalb der Gemeindegrenzen. 

„verkehrswichtig“  

Eine Straße gilt dann als verkehrswichtig, wenn sie im Verhältnis zu allen anderen Straßen in der Gemeinde den meisten Verkehr trägt, und zwar dauernd. Eine erhöhte Verkehrsbelastung zu Spitzenzeiten („rush hour“) reicht nicht aus, um eine Räum- und Streupflicht zu begründen.  

Welche Straßen konkret betroffen sind, muss jede Gemeinde selbst festlegen. Einzige Ausnahme sind klassifizierte Straßen. Sie werden unabhängig vom Verkehrsaufkommen immer geräumt und gestreut. 

„gefährlich“

Schneeglätte allein macht eine Straße nicht gefährlich. Gefährlich wird es laut BGH erst in scharfen, unübersichtlichen oder sonst schwierig zu durchfahrenden Kurven, starken Gefällstrecken, unübersichtlichen Kreuzungen und Straßeneinmündungen etc. – also an Stellen, an denen Autofahrer erfahrungsgemäß bremsen, ausweichen oder sonst ihre Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit ändern müssen. 

Als Grundregel kann gelten, dass die Gefahr unvermutet auftreten und selbst mit einer vorausschauenden Fahrweise nicht verhindert werden kann. 

Wichtiger Hinweis: Die Räum- und Streupflicht des Bauhofs greift erst, wenn die Kriterien „verkehrswichtig“ und „gefährlich“ gleichzeitig auftreten. Dies ist auch Voraussetzung für die Haftung der Kommune. 

Radverkehr innerorts 

Für reine Radwege gelten dieselben Grundsätze. Lediglich bei gemeinsamen Geh- und Radwegen profitieren die Radfahrer vom Schutz des Fußgängers, denn diese sind im Sinne der Verkehrssicherungspflicht als Gehweg zu behandeln. 

Fahrverkehr außerorts

Außerhalb einer Ortschaft gilt die Räum- und Streupflicht des Bauhofs nur auf Straßen, die verkehrswichtig und gleichzeitig besonders gefährlich sind. Als besonders gefährlich sind Straßen einzustufen, auf denen die Bildung von Glatteis aufgrund von Anlage oder Zustand der Straße begünstigt oder seine Wirkung erhöht wird. Weil sich Autofahrer trotz sorgfältiger Fahrweise auf solche Gegebenheiten nicht einstellen bzw. diese nicht rechtzeitig erkennen können, gelten solche Stellen als besonders gefährlich. 

Wann muss die Kommune den Winterdienst erbringen? 

Üblicherweise zwischen 07.00 und 20.00 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen beginnt die winterdienstliche Verpflichtung der Kommune um 08.00 Uhr. 

Dass der Bauhof eine vorbeugende Räum- und Streupflicht hat, ist allerdings ein Irrglaube.

Der Bauhof muss auch auf den „wichtigen“ Gehwegen innerhalb einer Gemeinde räumen und streuen. Diese Pflicht kann auf die Anlieger übertragen werden.

Einen Sonderfall stellen Gehwege dar, die durch Fahrzeuge des Bauhofs oft meterhoch mit Schnee zugeräumt werden. Weil der Anlieger meist gar nicht die Mittel hat, solche Schneemassen zu entfernen, muss die Gemeinde sie selbst beseitigen. 

Weiterhin in der Hand des Bauhofs bleibt der Winterdienst 

  • auf Fußgängerüberwegen, soweit sie belebt und unentbehrlich sind. 
  • in Fußgängerzonen, wo ein angemessen breiter Streifen im Mittelteil geräumt und gestreut werden muss.
  • auf belebten öffentlichen Parkplätzen (gesicherte Wege müssen geschaffen werden).
  • auf Friedhöfen und Parkanlagen (nur der Hauptweg). 

Außerhalb geschlossenen Ortslage besteht für den Bauhof keine besondere Räum- und Streupflicht. Lediglich belebte und gefährliche Gehwege (bis zu 500 m), die Ortschaften miteinander verbinden, sollten geräumt und gestreut werden. 

Wer haftet im Schadensfall?

Ist eine Straße oder ein Gehweg nicht geräumt worden und es kommt zum Schaden, haftet immer die Kommune und nicht der Bauhofleiter oder seine Mitarbeiter (§ 839 BGB). Wird den Bauhofmitarbeitern grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln nachgewiesen, kann die Kommune Regress beim Bauhofleiter nehmen. 

Quelle: forum verlag / „bauhofLeiter-PraxisSpezial: Winterdienst kompakt“

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