Die im reformierten Bundesinfektionsschutzgesetz mit eingepreiste nächtliche Ausgangssperre ab Inzidenz 100 sorgt für hitzige Debatten. Die FDP ist strikt dagegen, Aerosolforscher halten sie für unnütz bis kontraproduktiv – SPD-NRW-Fraktionschef Thomas Kutschaty hingegen ist entschieden dafür.
Er sieht eine abendliche und nächtliche Ausgangsbeschränkung von 21 bis 5 Uhr, mit rigiden Bußgeldern belegt (siehe Hagen: 500 Euro je Verstoß) als wirksames Instrument, Menschen von privaten Treffen abzuhalten.
„Es ist nicht unser Ziel, in private Wohnungen zu gucken“, erklärte Kutschaty in einem Interview mit dem WDR (Westpol / via Twitter).
„Aber auf dem Weg dahin kann ich Menschen erwischen.“
Jedwede Kontaktbeschränkungen blieben wirkungslos, „wenn ich mich auf der Straße bewege und mich da entweder treffe – oder aber, noch schlimmer, auf dem Weg bin zu Privatfeiern.“
Bußgelder können nach Überzeugung des Oppositionsführers im NRW-Landtag viele Menschen abschrecken, abends und nachts unterwegs zu sein.
Hingegen gehen Kritiker dieses rigiden Eingriffs in die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Bürger davon aus, dass, wer sich denn treffen will, dies auch unter Umgehung der Sperrzeit mit Leichtigkeit tun kann und auch tut – womöglich gerade wegen des rigiden Verbotes erst recht.
So träfen sich die Bürger dann eben tagsüber. Oder sie gingen vor 21 Uhr zur Party hin und übernachteten dort. Die gewünschte Kontaktreduzierung kehre sich damit schlimmstenfalls ins Gegenteil um, da die Menschen noch länger in Innenräumen zusammenhockten.
Wie berichtet, hat das Bundeskabinett am Dienstag einen Gesetzentwurf für Änderungen am Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht. Diese sollen bundesweite verbindliche Vorgaben ermöglichen. Bislang entscheiden die Länder über die Corona-Maßnahmen.
Im Kern geht es um sogenannte „Notbremse“-Maßnahmen ab Inzidenzwerten von 100. Der Entwurf sieht strenge Kontaktbeschränkungen vor, sobald in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt mehr als 100 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen registriert werden. Dazu zählen auch nächtliche Ausgangssperren. Der Kreis Unna liegt heute bei Inzidenz 181.
Laut WELT sehen Juristen darin unter anderem Probleme hinsichtlich der Verfassungsrechtlichkeit.
Die vorgesehenen Änderungen für Einheitsregeln gelten als sog. Einspruchsgesetz. Eine Zustimmung des Bundesrats ist nicht zwingend erforderlich – der Bundestag kann einen Einspruch wieder überstimmen.
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