Flüchtlingsinitiativen im Kreis sehen „besorgniserregende Gefährdung“ durch Corona in Sammelunterkünften – Offener Brief an Land, Kreis und Kommunen

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Vor einer „besorgniserregende Gefährdung“ Geflüchteter in Sammel- und Massenunterkünften durch das Coronavirus warnen sieben mit Flüchtlingsarbeit betraute Initiativen und Verbände aus dem Kreis Unna, darunter der Ev. Kirchenkreis.

In einem offenen Brief an fünf Bürgermeister/innen im Kreis, den Landrat, das Land NRW und die Bezirksregierung fordern die Unterzeichner unter anderem

  • die sofortige Beendigung der Wohnpflicht in Sammelunterkünften (u. a. der Erstaufnahme Massen),
  • statt dessen Unterbringung in Hotels, Wohnungen etc.,
  • sofortige Besuchserlaubnis Geflüchteter bei Bekannten/Angehörigen
  • oder die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung aller Asylbewerber unabhängig vom Aufenthaltsstatus.

Hier das Schreiben im Wortlaut, unterzeichnet vom Integrationsrat und der Initiative WeltOffen Unna, dem Arbeitskreis Asyl Schwerte, Caritasverband Kreis Unna, Ev. Kirchenkreis, Flüchtlingsinitiative „Willkommen in Holzwickede“ und dem Flüchtlingsrat Kreis Unna.

Offener Brief an • Landesregierung NRW • Bezirksregierung Arnsberg • die Bürgermeister der Städte Unna, Kamen, Bergkamen, Fröndenberg und der Gemeinde Holzwickede sowie den Landrat des Kreises Unna • Gesundheitsamt Kreis Unna • Presse

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Initiativen, die sich für eine angemessene Gesundheitsversorgung und Unterbringung von Geflüchteten im Kreis Unna einsetzen, wenden wir uns an Sie. Denn im derzeitigen Umgang sehen wir eine besorgniserregende Gefährdung von vulnerablen Personengruppen und ein eklatantes Risiko für Menschen, die während der Corona-Pandemie verpflichtet sind, in Sammel- und Massenunterkünften zu wohnen.

Inzwischen ist in mehreren zentralen Unterbringungseinrichtungen in NRW Corona ausgebrochen, was zu extremen Quarantäne-Maßnahmen ganzer Einrichtungen geführt hat. Dem Ausbrechen der Pandemie in den Einrichtungen im Kreis Unna wollen wir Maßnahmen entgegensetzen.

Quarantäne in der Erstaufnahmeeinrichtung in Massen etwa würde bedeuten, dass rund 300 Bewohner das Gelände der Einrichtung nicht verlassen dürften. Schon jetzt sind die Lebensbedingungen der Menschen in der Einrichtung unzumutbar: Die Menschen – darunter auch viele Familien und mehr als 70 Kinder und Minderjährige – leben in kleinen Räumen, die jeweils mit vier Pritschen, einem kleinen Tisch und einem Stuhl ‘möbliert’ sind. Die Einrichtung ist nur für den Aufenthalt von wenigen Tagen, aber nicht von mehreren Wochen oder gar Monaten eingerichtet. Besonders für die Kinder und psychisch belastete, traumatisierte Personen ist diese Enge unzumutbar! Im Fall einer nötig werdenden Quarantäne wäre sie unerträglich.

Es ist insgesamt offensichtlich, dass Abstandhalten in den Einrichtungen meist nicht möglich ist! Am 22.04.2020 hat das Verwaltungsgericht Leipzig dem Antrag eines Asylbewerbers auf vorläufigen Rechtsschutz stattgegeben. Die Wohnpflicht in Aufnahmeeinrichtung ist zu beenden, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann!

Das geltende „social Distancing“ ist auch in der Erstaufnahmeeinrichtung in Unna-Massen seit dem Zuweisungs- und Verlegungsstop schwer umzusetzen. Wir, die Unterzeichnenden plädieren deshalb für kreative und schnelle Lösungen, wie die vorübergehende Nutzung leerstehender Hotels oder Gebäude der Stadt, des Landes oder des Bundes.

Zudem könnten Besuchsregelungen die Belegung und somit das Ansteckungsrisiko in den Unterkünften reduzieren: Von den untergebrachten Personen haben einige Familienangehörige, die bereit sind, ihre Angehörigen bei sich zu Hause aufzunehmen.

Diese schwierigen Zeiten lassen sich nur in Solidarität, die keine Grenzen kennt, meistern. Deshalb bitten wir dringend um:

 Besonderen Schutz für Geflüchtete, die zu den Risikogruppen gehören!

 Vermeidung größerer Quarantänelager! Dezentrale Unterbringung der Bewohner von Aufnahmeeinrichtungen und großen Gemeinschaftsunterkünften!

 Schaffung kleinerer Wohneinheiten durch Nutzung aller Optionen leerstehender Räumlichkeiten wie Hotels, städtischer, landes- und bundeseigener Häuser und anderer Gebäude!

 Überprüfung aller Einrichtungen durch die zuständigen Gesundheitsämter.

Beendigung der Wohnverpflichtung in Aufnahmeeinrichtungen

 Schnelle und unbürokratische Erteilung von langfristigen Besuchserlaubnissen an Personen in Landesunterkünften, die bei Familienangehörigen unterkommen können und wollen!

 Sicherstellung der psychosozialen und rechtlichen Beratung von Geflüchteten.

 Information und Transparenz beim Auftreten von Infektionsfällen, Achtung der Persönlichkeitsrechte, Zugang zu zeitnaher Diagnostik und Tests!

 Adäquate Gesundheitsversorgung für alle durch Eingliederung in die gesetzliche Krankenversicherung unabhängig vom Aufenthaltsstatus!

Mit freundlichen Grüßen,

die Unterzeichnenden:

  • Arbeitskreis Asyl Schwerte
  • Caritasverband für den Kreis Unna e.V.
  • Evangelischer Kirchenkreis Unna
  • Flüchtlingsinitiative „Willkommen in Holzwickede“
  • Flüchtlingsrat in Kreis Unna
  • Integrationsrat der Kreisstadt Unna
  • Initiative WeltOffen Unna

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