Die Zahl wirkt erschlagend. 750 Bauanträge harren im Unnaer Rathaus noch ihrer Bearbeitung.
Das völlig überlastete Bauordnungsamt der Stadt – wir berichteten schon mehrfach darüber – soll nun durch eine Vereinbarung mit dem Kreis entlastet werden.
Das wurde am Donnerstag, 2. 3.,, im Hauptausschuss von der Stadt vorgeschlagen und von der Politik beschlossen. Grünen-Fraktionschefin Claudia Keuchel zeigte sich, wohl stellvertretend für viele Ausschussmitglieder, erschüttert ob dieser Masse an unerledigter Arbeit.
Die Kreisstadt plant dazu den Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, um Aufgaben der eigenen Bauaufsicht auf den Kreis zu übertragen und so die städtische Bauordnung zu entlasten.
„Im Bereich Bauordnung der Kreisstadt Unna haben sich über Jahre erhebliche Bearbeitungsrückstände aufgebaut; in Summe sind mehr als 750 Bauanträge noch unerledigt“,
räumt die Stadt ein.
Die Gründe seien vielschichtig:
„Besonders fallen langfristige Personalausfälle, Fluktuation, Probleme bei der Personalbeschaffung aufgrund des Fachkräftemangels und die Überlastung der verbleibenden Mitarbeiter ins Gewicht.“
Die nun geplante Vereinbarung sieht vor, dass ab Inkrafttreten – voraussichtlich im April 2023 – bis zunächst Ende 2027 Aufgaben im Zusammenhang mit sogenannten „Großen Sonderbauten“ von der Stadt auf den Kreis übertragen werden.
Dies betrifft zum Beispiel Gewerbe- und Industriebauten, größere Gaststätten, Schulen oder Kitas.
Die Vereinbarung wird dem Rat am 9. März zur Beschlussfassung vorgelegt. Anschließend muss auch der Kreistag am 28. März 2023 noch zustimmen.
Die Aufgabenübertragung ist Teil eines Maßnahmenbündels, mit dem die Situation im Bereich Bauordnung der Kreisstadt Unna nachhaltig verbessert werden soll.
Weitere Maßnahmen sind eine Organisationsuntersuchung unter der Leitung der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpaNRW), die am 27. Februar begonnen wurde, und laufende Anstrengungen zur Besetzung der offenen Stellen. (Pressemitteilung Stadt Unna)
Blick ins Archiv
Archivtext vom 28. November 2019:
„Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Bauordnungsamt Unna in der ganzen Region berüchtigt ist als Bauverhinderungsbehörde. Der Dienstleistungsgedanke und die damit zu erbringende Serviceleistungen für unsere Bürger fehlt bei den Mitarbeitern der Bauordnungsbehörde gänzlich.“
Knallhart teilte der damalige fraktionslose Ratsherr Christoph Tetzner im November 2019 gegen das Unnaer Bauamt aus.
Dies hätte jüngst im Zusammenhang mit dem Haushalt von sich reden gemacht, als der Technische Beigeordnete Jens Toschläger einräumte, die Bearbeitung eines Bauantrags betrage in Unna durchschnittlich 18,5 Wochen – 94 Arbeitstage.
485 Bauanträge im Jahr gingen im Rathaus eingehen, die nicht fristgerecht vom Bauordnungsamt bearbeitet werden könnten.
Dies auch deshalb, weil die Antragsteller Bauanträge nicht vollständig und fehlerfrei vorlegten.
Für Tetzner war dieser Zustand ein Unding.
Er stellt nach Gesprächen mit Bauträgern, Investoren und Architekten fest:
„Wissentlich fehlerhafte Anträge einzureichen sei eine bösartige Unterstellung, welche uns als Antragsteller diskreditiert und mit der Realität nichts gemein hat. Dies alleine schon aus Haftungsgründen gegenüber dem Auftraggeber.
Die Erklärungsversuche des 1. Beigeordneten erscheinen unter diesem Umstand abenteuerlich und nicht nachvollziehbar.
Die Bauträger, Investoren und auch Architekten reichen selbstverständlich jedesmal Anträge vollständig und formal richtig ein. Alles andere wäre unqualifiziert und kontraproduktiv.
Vielmehr wird es der Bauverwaltung leicht gemacht, durch die Vielzahl und der damit nicht mehr zu überschauenden Vorschriften die Bauanträge aus formalen Gründen abzulehnen.
Weiter teilte mir die Gruppe mit, dass der Sachbearbeiter des Bauordnungsamtes akribisch die Bauanträge untersuche, um Fehler bzw. Abweichungen (z.B. Von der Bau-Prüfverodnung) zu finden, damit dadurch die 6-wöchige Regelbearbeitungszeit wieder von vorne beginnen kann.
So kommt es dann mitunter vor, das ein Bauantrag wesentlich länger als ein Jahr Bearbeitungszeit hat.“
Hausgemachte Probleme würden hier unter den Tisch gekehrt, ärgert sich Tetzner. Er holt zum Rundumschlag aus:
„Die Arbeitsweise der Sachbearbeiter in der Bauverwaltung basiert noch auf Strukturen aus dem vorherigen Jahrhundert. Die Aufteilung der Sachbearbeitung nach Ortsteilen und nicht nach projektspezifischen Kriterien ist überholt.
Die Betreuung der Ortsteile sollte von der Bauberatung durchgeführt werden.An Zusagen von Sachbearbeitern wird sich bei Wechsel der Sachbearbeitung nicht gehalten. Die Sachbearbeitung beginnt jedesmal von Neuem.Die digitale Antragstellung ist in der Kreisstadt Unna noch Utopie. Die mit der Digitalisierung verbundenen Arbeitserleichterungen werden nicht angewandt.
Als Beispiel mag hier ein baltischer Staat erwähnt werden, wo man für genau 3 Dinge zur Verwaltung gehen muss: 1. Hochzeit, 2. Scheidung und 3. bei einem Hauskauf.Die Sachbearbeitung als Team, z.B. für regional wichtige und mit einem hohen Investitionsvolumen verbundenen Bauvorhaben, gibt es nicht.Die Projekt- Begleitung und -Beratung, auch über den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich hinaus als Service, existiert nicht.
Bei der Sachbearbeitung wird nicht zwischen großen und kleinen Objekten unterschieden. Hauptsache, die formalen Anforderungen werden erfüllt.Die Sachbearbeiter müssen sich noch dem hierarchischen System ihrer jeweiligen Vorgesetzten unterwerfen. Selbstständiges Arbeiten ist tabu.
Das eigene Ermessen wird auf ein Minimum reduziert.Die Bauberatung ist völlig unzureichend ausgestattet. Informationen zum Grundstück oder zum Bauvorhaben werden regelmäßig auf Grundlage der vorliegenden und teilweise einer rechtlichen Überprüfung nicht standhaltenden veralteten Bebauungsplänen erteilt.Anweisungen diesbezüglich von der Stadtspitze, dass alte Bebauungspläne (teilweise 40-50 Jahre alte Pläne), welche von der Realität schon lange überholt wurden, nicht mehr normativ anzuwenden sind, fehlen.
Fertiggestellte Projekte werden oft jahrelang als Behördenvorgang nicht abgeschlossen.Es wird keine Beratung angeboten! In anderen Bauämtern ist es üblich, dass die Projekte vorgesprochen werden, um alle aufkommenden Fragen abzuklären.
Danach wird der Bauantrag fertiggestellt. Und bevor er eingereicht wird, kann man diesen mit dem zuständigen Sachbearbeiter nochmal erläutern, dadurch fällt die jetzt langwierige Suche nach formalen Fehlern weg und man kann direkt in das Genehmigungsverfahren einsteigen. Die erspart lästigen Schriftverkehr und viele Telefonate.“