Seit Freitag voriger Woche baut die Stadt Unna auf dem ehemaligen Sportplatz am Hertinger Tor ihren ersten neuen Schulstandort seit 40 Jahren; sie plant dafür aktuell 31,1 Millionen Euro ein.
Wir berichteten HIER ausführlich.
Und: Die Kreisstadt baut dieses Millionenprojekt derzeit ohne ein beschlossenes Verkehrskonzept. Denn wie bereits seit über 3 Jahren herrscht über die künftige Verkehrsführung am Hertinger Tor Uneinigkeit.
Weder zwischen Stadtverwaltung und der Politik noch innerhalb der Politik ist man sich inzwischen einig, wie denn nun die zusätzlichen Verkehrsströme fließen sollen, wenn auf dem früheren Sportplatzgelände eine neue vierzügige Kita, eine dreizügige Grundschule sowie ein zusätzliches kleines Wohngebiet entstanden sind.
Im vorgeschalteten Bauausschuss wurde die ungeklärte Situation und die Unzufriedenheit innerhalb der Politik am Abstimmungsergebnissen sichtbar:
So wurde zwar der Bau eines Kreisverkehrs an der Hertinger Straße/Brockhaushausstraße von den Mitgliedern des Fachgremiums befürwortet, nicht aber das flankierende Mobilitätskonzept. Heißt, dass der Baubeschluss für den Kreisel derzeit im luftleeren Raum hängt.
Letzmals vor seinem Wechsel zur Stadt Bergkamen warb der scheidende Technische Beigeordnete Jens Toschläger am Mittwoch (25. 1.) im Ausschuss für Stadtentwicklung für Verkehr für die Kreisel-Lösung inklusive der mit ihr einhergehenden weiteren Umgestaltungsmaßnahmen. Für diese müssen 7 große Bäume gefällt werden.
Allerdings ist die Mehrzahl der Bäume den vorgesehenen Hol- und Bringzonen für die Eltern der Grundschüler und Kindergartenkinder im Weg, nicht dem Kreisel selbst, unterstrich zusammen mit Toschläger auch CDU-Fraktionschef und Ausschussvorsitzender Rudolf Fröhlich. „Die Bäume müssen auch unabhängig von einem Kreisverkehr gefällt werden.“
Einbahn auf der Hertinger Straße ist vom Tisch
Als Alternative für den strittigen Kreisel wurde lange erwogen, die Hertinger Straße von der B1 aus in Richtung neuer Schule zur Einbahnstraße zu machen.
„Ich gebe zu, dass ich diese Lösung lange Zeit sehr charmant fand“, bekannte Jens Toschläger. „Es ist aber in der Praxis schwierig.“
Denn wenn die Hertinger Straße stadteinwärts „dicht gemacht“ wird, werden die Ausweichverkehre zwangsläufig in die umliegenden Wohnquartiere strömen. Belastet mit diesem Zusatzverkehr würden konkret die Iserlohner Straße, die Vinckestraße, die Breslauer Straße oder die Falkstraße.
Toschläger:
„Die Menschen, die wir an der Hertinger Straße mit einer Einbahnlösung entlasten, stehen in keinem Verhältnis zu denen, die wir belasten.“
Zudem müssten für eine Einbahnstraßenlösung noch mehr Bäume gefällt werden als für den Kreisel, ergänzte Toschläger. In diesem Zusammenhang versprach er, „dass wir die Ersatzpflanzungen alle bei einer Einbahnstraße noch mehr Bäume fallen als
Als Kompromiss eine Fahrradstraße?
Als Kompromisslösung „angedacht“ habe seine Bauverwaltung eine Fahrradstraße, so der Beigeordnete. Auf einer Fahrradstraße wie bereits der Platanenallee ab Kreishauskreisel genießen Radfahrer Vorrang vor motorisiertem Verkehr.
Autos dürfen fahren, aber höchstens mit Tempo 30, und Radler dürfen nebeneinander fahren.
Der Hinweis auf die ins Spiel gebrachte Fahrradstraße bekam Applaus von einigen Anwohnern, die die Sitzung verfolgten.
Kreisverkehr „sicherste Querungsmöglichkeit für Fußgänger“
Gleichwohl warb Toschläger weiter für die Kreisellösung.
„Ein Kreisverkehr ist immer die sicherste Möglichkeit der Querung für Fußgänger. Er zwingt Autofahrer dazu, das Tempo zu reduzieren, während man auf einer Einbahnstraße einfach „durchrauschen“ kann.
Der Beigeordnete abschließend:
„Ich bitte Sie darum, dass wir den Kreisel weiterplanen können.“
Die neue Verkehrsführung: Das ist bisher geplant
Im März 2020 stellte die Stadtverwaltung, damals noch mit Baudirektor Michael Ott in verantwortlicher Position, die bis dahin geplante Verkehrsführung am Hertinger Tor vor, wenn dort die neue Grundschule, die neue Kita und ein neues Wohngebiet gebaut sind.
So berichteten wir damals:
„Bei der zweiten Bürgerversammlung zur Neubebauung am Hertinger Tor, die endlich das ungeduldig erwartete Verkehrskonzept zum Thema hatte, blieb kein Platz mehr frei, und die einige Minuten zu spät kommende die Bürgermeisterkandidatin der SPD Katja Schuon hockte sich denn auf die Treppenstufen.
Schuon war auch weitgehend die Einzige, die dem Verkehrskonzept des Bochumer Büros Brilon Bondzio etwas Positives abgewinnen konnte (für die Falkschüler, die in die neue Grundschule im Unnaer Süden umziehen werden, werde die Situation „um Längen besser“), die anderen Wortbeiträge schwankten zwischen „ein Verkehrskonzept von gestern“ und „substanziellen Zweifeln“ am Standort generell.
„Dann suchen Sie einen anderen Standort“, schnappte Baudirektor Michael Ott an einem Punkt hörbar genervt dazwischen, und zum „Verkehrskonzept von gestern“ (Pkw-konzentriert, was ist mit dem Radverkehr) konterte er kurz: „Der Titel heute Abend ist nicht: Verkehrswende in Unna.“
Von wie vielen Personen ist insgesamt die Rede?
Zu rechnen ist mit
- 58 neuen Bewohnern durch die Wohnbebauung,
- 325 Grundschülern,
- 60 Lehrkräften und Schulmitarbeitern,
- 100 Kita-Kindern,
- 30 Kita-Beschäftigten,
- ca. 30 Sportlern pro Kurs.
Wie sieht die Verkehrslage aktuell aus?
In den morgendlichen Verkehrsspitzen fahren
- ca. 1000 Fahrzeuge über die Hertinger Straße,
- 1900 über die B1,
- ca. 200 über die Brockhausstraße.
Jene sei eine „Sammelstraße vom Netzgedanken her“, sagte Frank Weiser vom Planungsbüro, „es wäre schön, wenn das Verkehrsaufkommen zu einer Wohnstraße passen würde.“ Die genannten Werte seien „sehr moderat bis sehr niedrig“.
Eine Einschränkung machte er: „Die Einmündung am Knoten Hertinger Straße ist gefährlich.“
Wie ist die Verkehrsprognose nach erfolgter Bebauung?
Pro Tag, sagt Weiser, sei summa summarum mit ca. 1000 Kfz-Fahrten zu rechnen. Die Mehrbelastung für die B1 werde ca. 10 % betragen, die für die Hertinger Sraße 20 %, die im Wohngebiet 100 bis 150 % – „weil dort derzeit sehr wenig Verkehr ist und sich die Mehrbelastung entsprechend prozentual höher niederschlägt.“
Begleitet vom Kopfschütteln vieler Bürger zog der Verkehrsplaner das Fazit: „Dieses zusätzliche Verkehrsaufkommen wird nicht in ein ganz anderes Universum führen.“
Wie wird die Stellplatzfrage gelöst?
„Mit das größte Problem“ sehen die Planer, bei 325 Grundschulkindern, in den Elterntaxis. Es werden Hol- und Bringzonen eingerichtet. Die Grundschule bekommt ca. 40 Stellplätze.
Wie soll der Verkehr insgesamt entzerrt werden?
Durch einen Kreisverkehr am Knotenpunkt Brockhausstraße/Hertinger Straße. „Sie haben ausreichende Erfahrung mit Kreisverkehren in Unna“, urteilte Weiser, und angesichts der Dauerdiskussionen um den Problem-Kreishauskreisel wirkte diese Bemerkung unfreiwillig komisch.
An der Kreuzung B1/Hertinger Straße läuft, wie auf Rundblick berichtet, eine Sicherheitsuntersuchung von Straßen.NRW: Zu den entsprechenden Plänen konnte Frank Weiser schon soviel sagen, dass die momentan „freilaufenden“ Rechtsabbiegerspuren wegfallen sollen. Das macht den Verkehr dort sicherer, allerdings auch langsamer.
Das (durchweg positive) Fazit des Verkehrsplaners zu seinem Konzept:
- Es entzerrt den Verkehr,
- ermöglicht einen guten Hol- und Bringverkehr,
- bringt keine Nachteile für sonstige Verkehre mit sich,
- die Brockhaussstraße werde „komplett umgekrempelt“ (zum Positiven),
- und dies alles werde ohne besondere Störung für die Anwohner einhergehen: Ihre Situation „wird sich nicht spürbar verändern“.
Welche Kosten kommen auf die Anlieger zu?
Da die Brockhausstraße laut Stadtplaner Michael Ott „komplett umgebaut“ wird, ist die Neugestaltung laut KAG (Kommunales Abgabengesetz) beitragspflichtig. „Der große Batzen, ca. 3/4, entfällt auf die Grundstücke südlich der Brockhausstraße.“
Was kam an Kritik?
Hauptsächlich wurde von den Bürgern und anwesenden Politikern kritisiert, dass das Konzept den Radverkehr kaum bis gar nicht berücksichtige. So erscheine dieser Kreisel mit zwei Zebrastreifen denkbar ungeeignet für den Radverkehr, es gebe auch keine Radwege.
Dazu Frank Weiser: Radwege seien in ausgewiesenen Tempo 30-Zonen nicht notwendig.
„Ein Verkehrskonzept von gestern“, griff ein Bürger die Planer gereizt an, daraufhin entgegnete ihm Ott scharf: „Der Titel ist hier heute nicht: Verkehrswende in Unna!“
Man darf nicht ernsthaft über die Planung des Projektes nachdenken.
Ehemalige 5zügigkeit der Grundschule reduziert auf 3 Züge. Dafür Steigerung der Baukosten von ursprünglich 2Mio auf 31 Mio. wobei zwischenzeitlich noch höhere Kosten genannt wurden.
Verkehrsgutachten zu Frequenz und Verkehrsbelastung die man, genauso wie die Gutachten zur Mühle Bremme, nicht ernst nehmen kann und zu hinterfragen sind.
Planung ohne Radwege, wie denn auch bei der Breite der Hertinger Straße.
Traumtänzer, die meinen Hol- und Bring Plätze würden genutzt, wohl Wissend dass die Eltern der heutigen Grundschüler und Kitas selbst einen Weg von 42 Metern für unzumutbar halten, empfehle ich einen Besuch der Gesamtschule Kamen bei Schulbeginn und -Ende oder täglich an einem Kita Standort. Missachtung von Verbotszonen der Elterntaxen normal.
Aber der Drops ist ja gelutscht. Die Entscheidung zum Bau dieses an der Stelle unsinnigen Invest hat begonnen.
Vielleicht ist ja doch noch eine Lösung im Interesse eines gefahrlosen und radfreundlichen Schulweges möglich. Auch wenn es sehr schmerzhaft ist für die Eltern deren Kinder tatsächlich bei Wind und Wetter laufen oder radeln müssen im Interesse aller Kinder die diesen Komplex nutzen
Korrektur: „Dafür Steigerung der Baukosten von ursprünglich 21 Millionen auf 31 Mio.“
So ist es, danke, Gremling!