Das im Bau befindliche neue Einkaufscenter auf dem früheren Industriegelände der Mühle Bremme offenbart täglich mehr seine Dimensionen. Das Großprojekt, für das die Ten Brinke Group als Privatinvestor rund 27 Millionen Euro investiert, wird in Unna und so auch unter der Rundblick-Leserschaft kontrovers diskutiert:
Die einen begrüßen eine Belebung des Geländes und das Verschwinden des „Bremme-Klotzes“, die anderen kritisieren: Hier sei lediglich ein Klotz durch den anderen ersetzt worden, und dem Innenstadthandel werde das neue Center alles andere als gut bekommen. Von der Verkehrsfrage einmal ganz abgesehen.
Hauptmieter des Einkaufscenters werden ein großer moderner Edeka und die Fitnesskette FitX sein. Die Drogerie Rossmann und das Schuhgeschäft Deichmann ziehen von der Bahnhofstraße bzw. vom Alten Markt hinüber in den Neubau.
Ein Parkdeck für rund 300 Fahrzeuge wird von den Wirtschaftsbetrieben Unna (WBU) bewirtschaftet (Preise wie in den beiden Tiefgaragen und dem Parkhaus Massener Straße), die Verkehrsführung wird umgebaut, an der Ein- bzw. Ausfahrt auf der Kantstraße eine zusätzliche Ampel installiert. Eröffnung soll im ersten Quartal 2022 sein.
Zwei aktuelle Fotos von Martin Trillhose dazu: Der Baukörper gespiegelt und das neue „Edeka-Dreieck“ im Zuge der geänderten Verkehrsführung.
Unsere Redaktion wollte einmal wissen, wie die Lokalpolitik, die damals über die Ansiedlung schlussendlich entschied, diesen ihren Beschluss nun rückwirkend bewertet. Hier die Antworten der jeweiligen Fraktionsvorsitzenden.
SPD, CDU, Freie Liste Unna (FLU) sowie auch die FDP stimmten damals mit teils enthusiastischen Vorschusslorbeeren mit „Ja“, die Grünen votierten gegen das Projekt.
SPD – Sebastian Laaser:
„Die alte SPD-Fraktion hatte sich für den Bau des Einkaufscenters Mühle Bremme ausgesprochen, weil dadurch eine Entwicklung für das gesamte Areal angestoßen werden konnte: Die Fertigstellung soll das Ende der Fußgängerzone mit Königsborner Tor und das nahe Bahnhofsumfeld baulich aufwerten.
Kritisch sehen wir, dass es nicht gelungen ist, weitere attraktive Mieter mit Magnetwirkung für das Einkaufszentrum, wie zum Beispiel einen Elektronik-Fachmarkt, zu finden und damit Angebotslücken in der Innenstadt zu schließen.
Dass statt dessen der Umzug von Händlern aus der City in den Neubau zu weiteren Leerständen führt (Rossmann und Deichmann, d. Red.), ist bedauerlich.“
CDU – Rudolf Fröhlich:
„Das momentane ,Verkehrschaos´ ist keine Folge von schlechter Verkehrsplanung, sondern eine temporäre Erscheinung infolge von Baustellen. Deswegen ist dies ja kein Dauerzustand.
Ihre Frage nach meiner Position zum Einkaufscenter beantworte ich mit einem kurzen aber eindeutigen Ja, ich bin weiterhin für das Projekt an der Mühle Bremme.“
Freie Liste Unna (FLU) – Klaus Göldner:
„Wir haben seinerzeit, trotz Bedenken hinsichtlich der Verkehrsproblematik, zugestimmt. Das Areal bedurfte dringend einer Überplanung und die Lösung der Verkehrsprobleme wurde uns mehrfach, auch durch qualifizierte Gutachter, versprochen.
Wir wollten dem Projekt eine Chance geben. Das wollen wir noch, obwohl wir natürlich wegen der noch immer andauernden Corona-Problematik weitere Probleme sehen.
In Punkto Verkehr muss nachgebessert werden. Wie es dann genau läuft, kann aber erst nach Fertigstellung der Straßenbau- und Regelungsmaßnahmen im Umfeld beurteilt werden. Patentlösungen wird es dort nicht geben.“
Bündnis 90/Die Grünen – Claudia Keuchel:
„Betonen möchte ich, dass die Grünen gegen den Beschluss in der entscheidenden Ratssitzung am 23.09.2019 gestimmt haben. Die damaligen Aussagen zum Bauvorhaben haben für uns nach wie vor eine – leider sehr erschreckende- aktuelle Gültigkeit. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung von Innenstädten in Zeiten von Klimawandel und Digitalisierung dramatisch verschärft. Handel und Gastronomie kämpfen um Kundschaft, Umsatz und letztendlich um das wirtschaftliche Überleben.
Eine moderne Stadtentwicklung muss dem Rechnung tragen.
In unserer Pressemitteilung vom 18.10.2019 (https://gruene-unna.de/keine-zusatzeuros-durch-muehle-bremme/ ) haben wir unsere Einschätzung deutlich gemacht,
dass das „Mühlencenter“ nicht zur Stärkung der Unnaer Innenstadt beitragen wird, sondern eher im Gegenteil, die Kaufkraft aus der Fußgängerzone abziehen wird, weil u.a. die Filialen teilweise umziehen (Rossmann, Deichmann). Das hat für uns weiterhin Gültigkeit.
Auf das zu erwartende Verkehrschaos auf der Kantstraße und umliegenden Strecken ist von den Grünen auch hingewiesen worden (s. Protokoll)- es ist leider nicht immer schön, Recht zu behalten.
Auch nach Einrichtung der Ampel werden die PKW, die den „Mühlen“-Parkplatz nutzen, jedes Mal Rotphasen auslösen und den Ringverkehr weiter stauen.
Dem Fuß- und Radverkehr wird es noch zusätzlich durch die Ampel am Victoriakreisel schwer gemacht, ganz zu schweigen von dem kreuzenden Verkehr im Eingangsbereich des „Mühlencenters“. Hier sehen wir eine ungelöste Situation mit dem Potential für Gefahr von Leib und Leben – und hoffen sehr, dass wir mit dieser Prognose niemals richtig liegen werden!
Mit traurigem Rückblick auf den enormen Kahlschlag vor und hinter der Mühle Bremme werden wir genau darauf achten, welche Ausgleichsmaßnahmen seitens des Investors getroffen werden.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir gerade – live und in Farbe- Zeugen von einer Umsetzung gestriger, fehlgeplanter Stadtentwicklung werden, die wir noch lange in Unna bereuen werden.
Beratungen und Abstimmungen zur BV 1391/18
Aus den Protokollen:
Rat der Kreisstadt Unna an 23.09.2019
Frau Kunert teilt mit, dass sie dem Projekt ihre Stimme verweigere.
Herr Morgental weist darauf hin, dass der Verkauf eines Geländestreifen üblicherweise im Rahmen eines Bieterverfahrens oder eines Sachverständigengutachtens erfolge und fragt nach, ob dies hier so erfolgt ist oder noch geplant sei.
Herr Erster Beigeordneter Toschläger erklärt, dass er dies prüfen lassen werde.
Herr Sacher betont, dass dieses Projekt seiner Ansicht nach eine Katastrophe für die Stadt sei, weil damit Alternativverkehre verdrängt würden. Er sehe damit keine Entwicklung für die Zukunft und halte dieses Projekt für das Gegenteil von Klimapolitik.
Frau Nieders-Mollik erinnert daran, dass der Rat die Ausrufung des Klimanotstands beschlossen habe und mit diesem Entwurf nichts getan werde für den Erhalt des Klimas. Sie werde den Beschluss daher nicht mittragen.
Herr Merkord erklärt, dass er das Interesse der Stadt verstehen könne, die Lücke zu schließen. Er halte dieses Projekt jedoch nicht fit für Zukunft, da es hier zu einer Verschlechterung für Fahrradfahrer komme. Darüber hinaus werde es seiner Ansicht nach zu noch mehr Stau kommen als bisher. Es werde dann nicht nur auf dem Ring sondern auch auf den Umgebungsstrecken zum Kollaps kommen.
Herr Heckmann weist darauf hin, dass es jahrelange Bemühungen gegeben habe, die Brache mit Leben zu füllen und mit entsprechender Bebauung zu füllen. Dies sei jetzt gelungen und man könne daher nicht wieder eine Kehrtwendung machen. Ein Investor käme nur dann, wenn er damit seine Interessen verwirklichen könne und es sich für ihn rentieren würde.
Herr Sacher teilt mit, dass man die Zukunft des Projektes am Hargerzentrum beobachten könne. Er sehe mit dem Projekt keine Belebung der Innenstadt.
Herr Bürgermeister Kolter erwidert, dass es dazu unterschiedliche Meinungen gebe. Mit dem Projekt werde ein vernünftiger Abschluss des Innenstadtbereiches geschaffen.
Ausschuss für Umweltangelegenheiten, 8.10.2019
RM Frau Kunert teilt mit, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Bebauungsmaßnahme stimmen würde, da sie die Ansiedlung aus ökologischer und ökonomischer Sicht für nicht richtig halten würden. Aus Sicht der Fraktion sei es wesentlich sinnvoller, wenn dort eine Wohnbebauung, evtl. mit einem kleinen Lebensmittelgeschäft, entstehen würde. Die jetzige Planung mit 327 Parkplätzen bringe entsprechende Autos. Ein gefürchteter Verkehrskollaps sei hier vorprogrammiert.
RM Herr Bürger erwidert, dass der Vorschlag auf Wohnbebauung zum jetzigen Zeitpunkt keine Begeisterung ausgelöst hätte. Man befände sich in einer Phase, in der ein Bauantrag für ein Großprojekt vorliege, sozusagen der Abschluss der Bauleitplanung seit 2003. Ein Änderungsantrag zur Bauleitplanung liege seitens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zudem bis heute nicht vor, insofern sei dieser Vorschlag eigentlich gegenstandslos. Es sei eine politische Meinung in eine Richtung, die er versucht habe in der Öffentlichkeit mit entsprechenden Argumenten zu beantworten.
Zurückkommend auf die Formalitäten sei jedoch festzuhalten, dass in diesem Ausschuss nichts zu beschließen sei. Nach Information des technischen Beigeordneten, Herrn Toschläger, habe nicht nur der ASBV und der HfA dem Beschlussvorlag zugestimmt, sondern der Rat habe in seiner Sitzung am 26.09.2019 mehrheitlich der Vorlage zugestimmt. Demnach bekomme der hiesige Ausschuss die Vorlage nur noch zur Kenntnis.
Der Ausschussvorsitzende, RM Herr Merkord, merkt an, dass dieses Prozedere aus grüner Sicht befremdlich sei, da es ja auch um zwei große, stadtbildprägende Kastanien gehe, die vom Architekten des Investors lapidar mit dem Hinweis abgetan worden seien, man könne ja stattdessen Sonnenschirme aufstellen. Das zeige, trotz Klimanotstandsbeschluss, wes Geistes Kind diese Stadt sei und das müsse man sich vor Augen führen. Hier würden große, alte Bäume gefällt. Das Grundstück sei verkauft, juristisch sei nichts mehr zu machen. Bis dahin seien es jedoch stadteigene Bäume gewesen und die hätten in diesem Ausschuss beraten werden müssen.