Vorgärten planiert, Lärm, Stress: Folgen des rigiden Gehweg-Parkverbots am Beispiel Reckerdingsweg

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Mindestens 55 Euro kostet das Parken auf dem Bürgersteig. sofern es per Beschilderung nicht ausdrücklich erlaubt ist. Bei Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer kann das Knöllchen bis zu 110 Euro kosten - und es kann einen Punkt in Flensburg setzen. (Foto Archiv RB)

Im Sommer vorigen Jahres sanktionierte das Ordnungsamt Unna plötzlich und sehr rigide das bis dahin stillschweigend geduldete Parken auf dem Bürgersteig am Reckerdingsweg in Massen.

Das Vorgehen der Behörde unter Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) wurde kurzzeitig zum Politikum, als die SPD-Opposition im Rat sich einschaltete und mehr Fingerspitzengefühl im Sinne der Anwohner anmahnte. Vergeblich.

Wie sich die Situation etwas mehr als ein Jahr später darstellt, schildert ein Anwohner in folgender Leserzuschrift:

„Vor mehr als einem Jahr hat die Ordnungsbehörde der Stadt Unna – vermutlich auf Weisung der schwarz-grünen Mehrheit
im Rat der Stadt – beschlossen, das bis dato seit mehr als 40 Jahren geduldete Parken auf dem Gehweg in Richtung Norden zu untersagen.

Die Anwohner wurden auf unnachahmlich rüde Art – Gelbe Zettel mit der Aufschrift „Sie parken hier falsch!“ und dem Hinweis auf künftig fällige Bußgelder, angebracht hinter den Scheibenwischern der abgestellten Fahrzeuge, auf die neuen Gegebenheiten hingewiesen.

Alle folgenden Proteste wurden geflissentlich ignoriert.

Durch die nunmehr auf der Fahrbahn parkenden Fahrzeuge wurde auf dem – vor allem durch den Schwerlastverkehr – stark frequentierten Reckerdingsweg ein vermeidbares Gefahrenpotential geschaffen; die Lärmbelästigung durch anhaltende und wieder anfahrende Fahrzeuge ist ins nahezu Unerträgliche angewachsen.

Die Anwohner des Reckerdingswegs haben offenkundig keinen Anspruch auf Lärmschutz, der im übrigen durch entsprechende Beschilderung im sonstigen Stadtgebiet von den Verkehrsteinehmern eingefordert wird.

Als weitere Folge der von den Anwohnern als sinnbefreite Entscheidung angesehene Anordnung bleibt festzustellen, dass einige der früher begrünten Vorgärten nunmehr gepflasterten Einfahrten haben weichen müssen. Man darf davon ausgehen, dass diese Maßnahmen den betroffenen Anwohnern ganz gewiss nicht leicht gefallen sind.

Den von den parkenden Autos befreiten Gehweg haben übrigens Rad-, Motorroller- oder E-Scooterfahrer für sich entdeckt. Fußgänger werden durch heftiges Geklingel aufgefordert, den Weg frei zu machen. Da haben einige Zeitgenossen offenbar eine zu kleine Helmgrösse gewählt.

Zunehmend lassen sich auch Autofahrer beobachten, die bspw. Müllfahrzeuge und die dazugehörigen Mitarbeiter wegen des Gegenverkehrs rechts über den – zugegebenermaßen breiten – Gehweg überholen.

Mal schauen, wie lange das gut geht. Zu fürchten haben diese Kamikazepiloten ja nichts, denn Mitarbeiter der Ordnungsbehörde sind seit der Aktion aus dem vergangenen Jahr eher selten anzutreffen.

Sie widmen sich vermutlich mit Hingabe der lukrativeren Kontrolle des ruhenden Verkehrs im sonstigen Stadtbereich.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Die Verärgerung ist groß.

Abzulesen ist dies nicht zuletzt auch an den für den hiesigen Bezirk eingefahrenen Wahlergebnissen der Eurapawahl. Dies sollte den Entscheidungsträgern im Hinblick auf die kommende Kommunalwahl zu denken geben.
Glückauf Unna-Massen.“

Klaus-Dieter S., Unna-Massen.


Der Ärger am Reckerdingsweg war kein Einzelfall.

Auch am Dieken sowie entlang der Königsborner Straße fanden Anwohner, die seit Jahr und Tag auf dem Gehweg parkten, warnende Zettel des Ordnungsamtes an ihren Scheibenwischern: Hier setzt es künftig Verwarnungsgelder.

Und diese sind seit November 2021 empfindlich erhöht worden.

55 Euro sieht der Bußgeldkatalog für Parken auf dem Bürgersteig vor, wenn das Fahrzeug niemanden und nichts behindert. Wenn doch, kann das Doppelte fällig werden.

Am Dieken und an der Königsborner Straße stehen die Autos daher jetzt am Straßenrand Richtung Fahrradstraße.


Rückblick:

Am 24. August 2023 berichtete der Rundblick wie folgt:

Die plötzliche rigiden Sanktionen für Bürgersteigparker am Reckerdingsweg haben sowohl die Anlieger mobil gemacht als auch die Sozialdemokraten auf den Plan gerufen.

Wie am Wochenende von Rundblick berichtet, haben dort und auch an anderen Straßen in Unna Eigentümer damit begonnen bzw. schon in die Tat umgesetzt, grüne Vorgärten zu Parkflächen zu planieren, weil sie ihre Pkw sonst nirgends mehr abstellen dürfen.

Am Reckerdingsweg wurden aus Protest Unterschriften gesammelt.

„Fünf Jahrzehnte haben die Anlieger des Reckerdingswegs ihre Pkw auf dem Bürgersteig geparkt, ohne dass jemand Anstoß daran genommen hätte. Nun wurden sie vom städtischen Ordnungsamt aufgefordert, das künftig zu unterlassen, da sonst
mit einer gebührenpflichtigen Verwarnung zu rechnen sei“, erinnert die Massener SPD an den jüngsten Verkehrsärger im Stadtteil.

Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger hätten sich deshalb nun an den SPD-Ortsverein Massen, Ortsvorsteher Erik Rapillus sowie die heimischen Ratsmitglieder Michael Tietze, Renate Nick und Michael Wladacz gewandt.

Zeitgleich ging eine Liste mit rund 70 Unterschriften an das Rathaus.

Die Problematik, die die Betroffenen aufzeigen, fasst der SPD-Ortsverein noch einmal zusammen:

  • Zum einen verfügen die meisten Grundstücke weder über Garagen noch Stellflächen, so dass keine alternativen Parkflächen in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.
  • Zum anderen entstehen mit der Aufforderung des Ordnungsamtes, künftig auf der Straße zu parken, Gefahrensituationen insbesondere für Radfahrer und Fußgänger durch die nun schmalere und unübersichtlichere Fahrbahn.

Alarmiert zeigen sich die Bürger darüber hinaus, weil erste Eigentümer nun damit begonnen haben, ihre grünen Vorgärten in Parkplätze umzuwandeln. Das könne schließlich mit Blick auf Umwelt- und Klimaschutz keinesfalls gewollt sein.

Der Bürgersteig, auf dem bislang geparkt wurde, hat eine Breite, die es Fußgängern erlaubt, auch mit Kinderwagen, Rollator oder Schubkarre problemlos zu passieren.“

Vor diesem Hintergrund fordern die Massener Sozialdemokraten beim Umgang mit der Parksituation mehr Sensibilität sowie eine Billigkeits- bzw. Duldungsregelung bei nicht gefährdenden Parkverstößen, bis die Situation in ihrer Gesamtheit geklärt ist.

Wörtlich heißt es in einer Erklärung:

„Grundsätzlich halten wir es für wichtig und richtig, dass das Ordnungsamt auch Kontrollen in den Außengebieten durchführt und
entsprechend ahndet. Gerade bei gefährdenden Parkverstößen halten wir eine Ahndung durch das Ordnungsamt für unabdingbar.

Allerdings hätten wir uns in diesem konkreten Fall mehr Fingerspitzengefühl und Kommunikation gewünscht. Die betroffenen Anwohner haben ihre KFZ in der Regel nämlich nicht gefährdend abgestellt.

Wir halten eine zeitnahe Neuplanung der Parkmöglichkeiten für alternativlos. Eine Folge dieser Situation dürfte schon aus Umweltgesichtspunkten nicht sein, dass Anwohner ihre Vorgärten zu Parkplätzen umbauen.

Vielmehr halten wir eine Billigkeitsregelung für erforderlich, die das nicht gefährdende Parken bis zur
endgültigen Überplanung der Parksituation regelt.

5 KOMMENTARE

  1. Den aktuellen Entscheidungsträger ist realitäts- und bürgernahe Politik fern.

    Ansonsten hätten die damalige Unterschriftenaktion und die Intervention der SPD, vorausschauend dargestellt und eingetreten mit den aktuell geschilderten Problemen, zu einem Umdenken in der Verwaltung und im Grün/Schwarzen Rat geführt.

    Stattdessen ideologische, engstirnige, bürgerferne Umsetzung der Empfehlung des links grün ausgerichteten „Fachbüros“.

    Zur Erinnerung ein Auszug aus dem Mobilitätskonzept.
    D1.1 Grundsätze für das Parken im öffentlichen Raum

    „Steuerung des ruhenden Verkehrs in Wohngebieten über ordnende Maßnahmen (Markierung, Beschilderung, Unterbindung von Gehwegparken, Einrichtung von Parkverbotszonen mit ausgenommenen markierten Bereichen)“

    Isofern sind keine Änderungen zu erwarten und die Schwarze Wieczorek fühlt sich durch die Europawahlergebnisse eher bestätigt für diese Lokalpolitik.

    Bleibt zu hoffen dass sich das ändert im nächsten Jahr.

    • Nun, sinnbefreite Entscheidungen waren und sind die Kernkompetenz des aktuellen schwarz-grünen Duos Infernale.

      Gilt auch für Akteure in darüberliegenden Ebenen.

      Armes Unna.

  2. 1. Bis nächstes Jahr hat der Wähler das eh schon wieder verscholzt.
    2. Wenn nicht, wählt er die Partei, von der er schon vergessen hat, warum er sie bei der letzten Wahl abgewählt hat.
    Und da die Kartellparteien sich in der Praxis höchstens in Nuancen unterscheiden, wird sich an den Problemen nichts zum Besseren ändern.
    Wie auch, wenn man den Verursachern abwechselnd die Stimme gibt.

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