Meinung: „Bitte geht wählen – nicht wählen bedeutet Bestätigung der aktuellen Situation“

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Wahlplakate zur Europawahl, hier in Fröndenberg. (Foto RB)

+++Sonntag ist EU- Wahl, Wahlen zum Europaparlament+++

Ein Meinungsbeitrag des Selmer Rats- und Kreistagspolitikers Ralf Piekenbrock.

„Ich wurde in den letzten Wochen oft gefragt, ob ich eine Wahlempfehlung geben könne. Ich werde sie also mal wie folgt formulieren.

Bitte geht wählen, nicht wählen bedeutet keinen Protest, sondern die Bestätigung der aktuellen Situation.

Man kann der EU skeptisch gegenüberstehen. Meine Meinung diesbezüglich ist auch von meiner Arbeit (Vorstand bei www.sallux.eu) geprägt. Vorab, ich halte nichts vom „Dexit“ oder ähnlichem Blödsinn. Ich bin nicht nur froh über die Reisefreiheit (ohne stundenlange Warteschlangen an den Grenzen), oder z.B. den Wegfall der Roaming In Gebühren.

Ohne die EU wären auch wir in Deutschland komplett aufgeschmissen, da wir ein reines Exportland sind (wenn auch mit absteigender Tendenz). Wir können uns da kaum mit der Schweiz oder GB vergleichen. Wir brauchen die EU, um wirtschaftlich gegen die großen Player und die, die es gerade werden (Indien, Brasilien etc.) zu bestehen. Auch die Verteidigungs- und Asylproblematik ist nur mit einem geeinten und somit starken Europa zu meistern.

Genau aber hier setzt auch meine Kritik an. Einstmals das letzte direkt gewählte Parlament ist seit der Inthronisierung von Uschi v.d. Leyen auch nur noch eine Farce. Die EU sollte seine Mitgliedstaaten stärken und nicht bevormunden. Für Bereiche wie die Asylpolitik müssen gemeinsame Lösungen gefunden werden, die gesamtwirtschaftliche Bedeutung muss gestärkt werden, statt sich immer weiter in die internen Belange einzumischen und mit teilweise unsinnigen Vorgaben, insbesondere unsere Wirtschaft zu schwächen. Auch die Kultur eines jeden Landes und die draus resultierenden Gepflogenheiten und gesetzlichen Vorgaben müssen erhalten bleiben.

Meines Erachtens hat sich die wirklich gute Idee eines geeinten Europas teilweise in ein Nerv tötendes, Milliarden verschlingendes, alles ausbremsende Bürokratiemonster verwandelt, so dass die auch für den Bürger wichtigen Errungenschaften (Reisefreiheit) oft schwer wahrzunehmen sind. Insbesondere unsere Industrie, unser Mittelstand und unsere Landwirte werden benachteiligt und in den Ruin getrieben. Gerade hier ist es oftmals schwer, einen Mehrwert zu erkennen.

Teil der Wahrheit ist allerdings auch, dass insbesondere Deutschland  sehr viel vom Export innerhalb der EU profitiert (noch).

Was mich vor Ort in Brüssel und Straßburg am meisten nervt, ist eine gewisse Verlogenheit. Da wird das Thema Klimaschutz wie eine Standarte vor jede teilweise auch unsinnige Vorgabe gesetzt. Aber selbst?

Jede 3. Woche in jedem Monat reisen 705 Abgeordnete mit all ihren Angestellten (teilweise 4 pro Abgeordneten) und allen Unterlagen von Brüssel nach Straßburg. Frankreich hat halt Anspruch auf 12 Wochen EU-Parlament im Jahr. Das könnte man zum einen wesentlich preisgünstiger und auch klimafreundlicher gestalten, indem man diese 12 Wochen in 6 Wochen vor und 6 Wochen nach der Sommerpause organisiert.

Wenn ich dort in die Kantine gehe und sei es nur für ein Croissant, …alles ist einzeln in Plastik eingeschweisst. In Sachen Klima auch hier, Wasser predigen und Wein saufen.

Natürlich werden im EU-Parlament viele Entscheidungen getroffen, die dann national nur noch umzusetzen sind. Aber 705 Abgeordnete? Was heißt das für den Steuerzahler. Jedes MdEP verdient ca. 10100 € brutto im Monat. Dazu kommt ein sog. Tagegeld für jeden Tag, wo der Abgeordnete sich in die Anwesenheitsliste einträgt, von täglich 350 €.

Für die Beschäftigung von Mitarbeitern stehen zudem jedem Abgeordneten zusätzlich 28.696 € im Monat zu. Dies wird direkt an die Mitarbeiter ausgezahlt.

Das rechne man alles x 705 und frage sich, steht das im Verhältnis zu dem Nutzen den das EU-Parlament in der aktuellen Konstellation bringt ( nicht Europa als solches)? Oder wäre hier dringend eine Reform nötig?

Bei der weiteren Überlegung, wen wählen, sollte man sich eine Meinung gebildet haben. Im Wort Meinungsbildung steckt nicht umsonst das Wort „Bildung“. Besorgt euch die Informationen und recherchiert die Quellen, egal ob es die öffentlich rechtlichen oder die sozialen Medien sind. Gelogen und falsch dargestellt wird in beiden Bereichen. Also hinterfragt.

Auch die Wahlwerbung, egal welcher Partei, ist grundsätzlich kritisch zu betrachten. Oftmals hilft es die Wahlversprechen der Parteien in den letzten Jahren mit dem abzugleichen, wie sie tatsächlich agiert haben. Oftmals das Gegenteil.

Dann muss man sich fragen, bin ich mit dem aktuellen Status Quo zufrieden und finde den größten Teil der politischen Richtung gut. Dann wählt die Ampelfarben, auch wenn Ihr nicht zufrieden seid, aber fest daran glaubt, dass die noch eine Kehrtwende hinkriegen.

Glaubt Ihr an die CDU und deren Wahlversprechen und könnt ausblenden, dass diese eine große Mitschuld an der aktuellen Misere trägt, sich aber in der Opposition nun vom Saulus zum Paulus gewandelt hat, dann schwarz.

Wer an die selbsternannte Alternative glaubt, schaue sich deren Protagonisten an und setze deren oft berechtigen Kritik deren Lösungsvorschlägen,  in so fern sie es gibt, gegenüber.

Vieles spricht für die vielen neuen oder auch älteren Klein- und Kleinstparteien. Bei ganz neuen lohnt sich der Blick ins Parteiprogramm und bei den Kleinparteien, die schon im EU-Parlament vertreten sind, wie z.B. die Familien-Partei Deutschlands ein Blick nicht nur auf deren Parteiprogramm sondern auch auf das, was sie nach Eurer Meinung an Mehrwert für Euch, für unser Land gebracht haben.
Auch hier muss man in die Überlegung einfließen lassen, dass bei der nächstenEU-Wahl wohl die Prozenthürde kommt, man spricht von 2,5%. Das wirft die Frage auf, kann eine Kleinstpartei, die wahrscheinlich bei der nächsten Wahl den Einzug nicht mehr schafft, irgendwas in dieser befristeten Zeit bringen, was mir einen Mehrwert bringt?

Wenn man sich all diese Gedanken gemacht hat und dann noch den Wahlomat zur Unterstützung hinzuzieht, sollte der Blick klarer werden.

Ich wünsche uns allen, dass die Wahlen friedlich verlaufen, jede zugelassene Partei von ihrem Recht auf Veranstaltungen und Werbung Gebrauch machen kann und es keine weiteren gewalttätigen Übergriffe auf Politiker, Wahlhelfer, egal welcher Partei geben wird.

Auch habe ich die Hoffnung auf ein Umdenken auch auf europäischer Ebene nicht aufgegeben.

Euch allen einen schönen Wahlsonntag und ein Ergebnis im Interesse der Bürger.

Ralf Piekenbrock
Mitglied Vorstand Sallux

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Piekenbrock
Diplom Verwaltungswirt

Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Selm
Mitglied des Kreistages Unna

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