Gewaltkriminalität in Dortmund schnellt auf Höchststand der letzten 10 Jahre – Lange: „Pandemie trieb Verrohung voran, gerade auch bei Jugendlichen“

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Archivbild, RB

Die Kriminalität ist im Jahr 2023 landes- und auch bundesweit zweistellig gestiegen. Davon nimmt sich auch Dortmund nicht aus. Lünen, die größte Stadt im Kreis Unna, hingegen schon.

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange hat am heutigen Vormittag (3. April) gemeinsam mit dem Leiter der Direktion Kriminalität, Jörg Ziegler, die Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 für Dortmund und Lünen vorgestellt.

Der landes- und bundesweite Trend für das vergangene Jahr geht dabei auch an Dortmund nicht vorbei. Im Vergleich zum Jahr 2022 ist die Gesamtkriminalität in der Stadt um knapp 12 Prozent von 62.761 auf 70.241 angezeigte Straftaten gestiegen.

Von diesen Straftaten konnten die Beamten etwa die Hälfte aufklären. Lange:

„Mit einer Aufklärungsquote von 57,14 Prozent liegt die Polizei Dortmund nicht nur mehr als 2 Prozentpunkte über 2022, sondern auch vor allen anderen vergleichbaren NRW-Großstädten.“

Die Zahlenentwicklung hatte sich für die Behörde bereits in den ersten Monaten des vergangenen Jahres abgezeichnet:

„Früh haben wir schon einen signifikanten Anstieg der Kriminalität festgestellt“, erklärt Gregor Lange. „Eine Entwicklung, die wir als Polizei und somit als Garant für die Sicherheit in dieser Stadt so natürlich nicht hinnehmen können. Aus diesem Grund haben wir bereits im Laufe des Jahres begonnen gegenzusteuern.

Als Polizei haben wir dafür nicht nur die Man Power, sondern auch die unterschiedlichsten Instrumente und Maßnahmen zur Verfügung. Dass wir diese immer wieder überprüfen und flexibel einsetzen, haben wir bereits in der Vergangenheit bewiesen und haben dies auch 2023 getan.“

So bündelte die Behörde Mitte des Jahres Personal sowie Kontroll- und Präsenzmaßnahmen in der Innenstadt und der Nordstadt, um hier das Sicherheitsgefühl von Anwohnerschaft, Gewerbetreibenden sowie Besucherinnen und Besuchern zu stärken – auch in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund.

Zu diesem Zwecke wurde ein gemeinsamer Sonderstab ins Leben gerufen. Zudem machte die Polizei mehrfach Gebrauch vom Instrument der Strategischen Fahndung, setzte auf Schwerpunkteinsätze zum Beispiel zur Bekämpfung der Straßen- und Jugendkriminalität und auch auf Videobeobachtung – mit dem neuen Standort im Dietrich-Keuning-Park.

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange. (Foto Polizei Dortmund)

Die größten Sorgen bereiten dem Polizeipräsidenten die Zahlen der Gewaltkriminalität: Hier weist die Statistik 3.423 Taten aus – und damit ein Plus von 17,55 Prozent im Vergleich zu 2022 (2.912 Taten). Mit dieser Zahl ist der Höchststand der letzten 10 Jahre erreicht.

Ebenso wie bei den Straftaten gegen das Leben, die zwar mit einem Anteil von 0,05 Prozent nur einen geringfügigen Anteil der Gesamtkriminalität darstellen, deren Anzahl aber von 25 auf 37 angezeigte Taten stieg.

Gregor Lange sagte dazu:

„Ich bin ehrlich: Diese Entwicklung kann einen Polizeipräsidenten nicht zufrieden stellen. Und sie bestätigt ein Gefühl, das wir als Polizei schon länger haben.

Das Gefühl, dass die Pandemie offenbar die Verrohung unserer Gesellschaft noch weiter vorangetrieben hat. Gerade auch in der jüngeren Generation. Waren Normüberschreitungen in Zeiten der Corona-bedingten Einschränkungen kaum möglich, sind sie mittlerweile an der Tagesordnung.

Konflikte werden immer häufiger nicht mehr nur mit Worten, ja teilweise nicht mal mehr mit Fäusten, sondern mit Waffen wie Messern, aber auch Schusswaffen ausgetragen. Die Hemmschwellen sind gesunken.“

Froh ist der Behördenleiter, dass die Aufklärungsquote bei diesen Delikten mit 65,26 Prozent nicht nur in etwa auf dem Vorjahresniveau (66,47 Prozent) liegt. Sondern sie bedeutet auch, dass rund zwei Drittel dieser Straftaten im vergangenen Jahr geklärt werden konnten.

Was allerdings nichts darüber aussagt, ob bzw. wie die überführten Straftäter dann anschließend auch bestraft wurden.

Anstiege hat die Polizei Dortmund auch in den Bereichen der Straßenkriminalität, der Raubüberfälle und der Wohnungseinbrüche zu verzeichnen. 15.518 angezeigte Straftaten waren im Jahr 2023 der Straßenkriminalität zuzuordnen – das sind 1.790 Fälle oder rund 13 Prozent mehr als in 2022 (13.728). Vom Höchststand in 2014 mit 23.003 Fällen sind diese Zahlen allerdings noch immer weit entfernt (Rückgang um 32,55 Prozent).

Bei den Raubüberfällen gab es einen Anstieg um 39 Taten oder rund 10 Prozent auf 400.

„Auch hier bleibt die Langzeitentwicklung jedoch ähnlich wie im Bereich der Straßenkriminalität: Seit 2014 steht ein Rückgang um knapp 43 Prozent und damit fast die Hälfte in der Statistik. Mehr als die Hälfte ist es sogar bei den Wohnungseinbrüchen. Denn auch die leicht gestiegene Anzahl von 1.248 Einbrüchen in 2023 (rund 16 Prozent mehr als in 2022) stellt noch immer nur rund ein Drittel der Zahlen aus dem Jahr 2015 (3.357) dar. Dass die präventiven Maßnahmen, die die Polizei im vergangenen Jahr forciert hat, wirken, zeigt die Versuchsquote, die weiterhin mit rund 43 Prozent bei fast der Hälfte der Taten liegt“, sucht der Polizeipräsident das Positive.

In all den vorgenannten Deliktsfeldern sei es der Polizei Dortmund im vergangenen Jahr gelungen, die Aufklärungsquote zu verbessern: um 1,24 Prozentpunkte bei der Straßenkriminalität (18,29 Prozent), um fast 4 Prozentpunkte bei den Raubüberfällen (37,5 Prozent) und um 6,3 Prozentpunkte bei den Wohnungseinbrüchen (17,55 Prozent).

Ebenfalls gestiegen sei die Aufklärungsquote bei den Taschendiebstählen. Mit 6,7 Prozent fällt diese allerdings weiterhin gering aus – was in der Natur des Delikts liegt. Denn zumeist bemerken Opfer den Diebstahl erst weit nach der Tat, zeigen diese somit verspätet an und können keine Täterhinweise liefern – nicht selten nicht einmal Hinweise auf den genauen Tatort. Aus diesem Grund ist hier vor allem Prävention wichtig, die Sensibilisierung für einen aufmerksamen Umgang mit den eigenen Wertsachen.

„Mit zahlreichen Vorträgen und Gesprächen haben die Beamten aus der Prävention der Dortmunder Polizei 2023 offenbar genau dies erreicht. Denn die Zahl der Taschendiebstähle ist um knapp 10 Prozent von 1.930 auf 1.747 gesunken. Nachdem wir im vergangenen Jahr das Gefühl hatten, dass die Menschen nach all den Einschränkungen der Pandemie aus lauter Freude über das wiedererstarkte öffentliche Leben etwas nachlässig geworden waren im Umgang mit ihren Wertsachen, scheint sich hier wieder eine höhere Sensibilität eingestellt zu haben“, erklärt Gregor Lange.

In etwa auf dem Niveau des Vorjahres bewegt sich die Zahl der Sexualdelikte. 1.122 angezeigte Taten in 2023 stehen 1.082 in 2022 gegenüber.

Im Bereich der Kinderpornographie wurden 220 Fälle registriert – 26 und damit knapp 11 Prozent weniger als 2023. Aufgrund der intensiven Ermittlungsarbeit der Sonderkommission Kipo liegt die Aufklärungsquote hier bei 92,27 Prozent und damit in etwa auf dem Vorjahresniveau.

„Dieser Deliktsbereich ist in jeglicher Hinsicht belastend: für die Opfer, für die Angehörigen – und auch für die ermittelnden Beamtinnen und Beamten. Umso wichtiger ist ihre konsequente Ermittlungsarbeit aber und daher habe ich großen Respekt vor den hier eingesetzten Kolleginnen und Kollegen. Alleine im Jahr 2023 haben die Mitglieder der Soko Kipo 320 Durchsuchungen im gesamten Zuständigkeitsbereich durchgeführt und 124 Terabyte an Daten sichergestellt, die ausgewertet werden müssen“, so der Polizeipräsident. „In dieser Konsequenz werden wir auch 2024 nicht nachlassen.“

An Lünen geht der landes- und bundesweite Trend in mehreren Bereichen vorbei:

Im Vergleich zum Jahr 2022 ist die Gesamtkriminalität in der Stadt Lünen, die ebenfalls zum Polizeipräsidium Dortmund gehört, nahezu auf demselben Niveau geblieben: 91 Straftaten mehr bedeuten einen leichten Anstieg um 1,72 Prozent von 5.282 auf 5.373 angezeigte Straftaten.

Von diesen Straftaten konnten die Beamtinnen und Beamten auch im vergangenen Jahr wieder rund die Hälfte aufklären: Die Aufklärungsquote von 51,31 Prozent liegt in etwa auf dem Vorjahresniveau (51,27 Prozent).

Beim Blick in die einzelnen Tabellen der PKS stellt Gregor Lange fest:

„Wir sehen in Lünen in einigen Bereichen steigende Zahlen, sehen aber auch: Die ganz großen Ausreißer sind kaum dabei. Im Gegenteil: Betrachtet man hier die Langzeitentwicklung sehen wir uns häufig wieder in etwa auf dem Niveau, das wir nach jahrelangen Rückgängen vor der Corona-Pandemie erreicht hatten.“

So etwa bei der Straßenkriminalität. Im Vergleich zu 2022 steht hier ein Plus von rund 10 Prozent in der Statistik – von 1.250 auf 1.378 Taten. 2019, vor der Pandemie, lag die Zahl bei 1.432 Fällen. Vom Höchststand in 2016 mit 1.909 Taten ist die Anzahl zudem noch rund ein Viertel entfernt. Ähnlich sieht die Entwicklung bei den Raubüberfällen aus: Hier hat es von 2022 auf 2023 nur einen leichten Anstieg um 2 Taten – von 15 auf 17 – gegeben. 2019 lagen wir hier bei 19 Taten, 2014 war die Zahl mit 30 fast doppelt so hoch.

Weitaus deutlicher sieht die Langzeitentwicklung im Bereich der Wohnungseinbrüche aus. Hier betrug der Anstieg von 2022 auf 2023 62 Fälle (von 74 auf 136) – was in Prozentpunkten dank der Krux der kleinen Zahlen knapp 84 Prozent entspricht. Damit liegt die Anzahl trotzdem nur leicht über dem Vor-Pandemie-Niveau mit 104 Fällen in 2019, aber bei nur noch etwas mehr als einem Viertel der Taten von 2014 (423). Die gute Nachricht: Rund 50 Prozent der Taten blieben dabei 2023 im Versuchsstadium stecken. „Ein Zeichen für uns, gerade unsere Präventionsbemühungen weiter zu forcieren“, erklärt Gregor Lange.

Zwei Ausreißer befinden sich aber in der PKS für Lünen – sowohl im positiven, als auch im negativen Sinne. Nicht zufriedenstellen kann den Polizeipräsidenten die Zahl der Taschendiebstähle. Diese stieg um mehr als die Hälfte (fast 55 Prozent) von 97 auf 150 Taten. Die höchste Zahl in diesem Bereich in den vergangenen zehn Jahren lag 2015 bei 187 Taten. „Nach der Pandemie hatten wir das Gefühl, dass die Menschen nach all den Einschränkungen der Pandemie aus lauter Freude über das wiedererstarkte öffentliche Leben etwas nachlässig geworden waren im Umgang mit ihren Wertsachen. Scheinbar scheint sich hier noch immer nicht die nötige Sensibilität eingestellt zu haben. Das müssen wir im Auge behalten“, erklärt Gregor Lange. Neben Präsenzmaßnahmen steht für ihn daher vor allem auch die Prävention im Fokus.

Erfreuter zeigt sich der Polizeipräsident beim Blick auf die Statistik der Gewaltkriminalität. Denn entgegen der landes- und bundesweiten Entwicklung steht hier in Lünen ein Minus in der Tabelle. Ein Rückgang um 13 Prozent oder 29 Taten von 224 in 2022 auf 195 in 2023. Bei den Straftaten gegen das Leben liegt Lünen wie in den vergangenen Jahren mit 2 Taten auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau.

Rückgänge verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr auch bei den Sexualdelikten in Lünen sowie im Bereich Kinderpornographie. Die Anzahl der Sexualdelikte ging von 123 auf 110 Fälle zurück – und somit um knapp 11 Prozent. Um rund 42 Prozent sanken die Zahlen im Bereich Kinderpornographie (von 52 auf 30 Fälle). Aufgrund der intensiven Ermittlungsarbeit der Sonderkommission Kipo liegt die Aufklärungsquote hier bei 93,33 Prozent. „

Das Handout mit der kompletten Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2023 und detaillierten Ausführungen finden Sie für Lünen und auch für Dortmund auf der Internetseite der Polizei Dortmund unter dem folgenden Link:

Link:

https://dortmund.polizei.nrw/polizeiliche-kriminalstatistik-pks-und-kriminalitaetsentwicklung

2 KOMMENTARE

  1. Bei der Ursachenforschung sollte man neben der Pandemie auch den Klimawandel und Putin nicht vergessen! Wie gut, daß so viele Fachkräfte für Gewaltprävention aus der ganzen Welt zu uns strömen, sonst sähe die Statistik noch viel schlimmer aus…

    • Und die Auswirkungen der Dürre sollten auch nicht außen vor gelassen werden, so sie nicht klimawandelbedingt sind (Gibt es Klima eigentlich auch ohne Wandel? Und wenn ja, wann war das?).
      Hauptsache, es liegt nicht am großen gelben Elefant, der mittig im Raum steht.

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