Reallabor Schulstraße: Man konnte beliebig oft voten – Umfrage nach Rundblick-Anfrage abrupt geschlossen

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Reallabor, Asphaltfläche. Fotos M. Trillhose

Plötzlich geschlossen.

Abrupt wurde am heutigen Montag, 18. September, die Online-Befragung zum Reallabor Schulstraße auf der Website der Stadt Unna geschlossen.

Jene von der Stadt hochgelobte Bürgerbeteiligung zum explosiven Thema „Parkplätze“ sollte eigentlich noch bis zum Monatsende weiterlaufen. Erst am Donnerstag, 14. 9., hatte dies der Bürgermeister im Haupt- und Finanzausschuss öffentlich kundgetan.

Jetzt plötzlich ist die Beteiligung beendet.

Was war geschehen?

Seit dem 20. Mai konnten Bürger, egal ob aus Unna oder aus anderen Orten, auf einem Umfragetool des Büros Planersocietät darüber abstimmen, ob der frühere Parkplatz ein Park bleiben oder wieder Parkplatz werden soll – Bürgerexperiment Reallabor Schulstraße (HIER) hieß das Projekt, das mit jeder Menge städtischer PR gepusht und mit rund 120.000 Euro Steuergeld unterfüttert wurde.

Der Verdacht von Kritikern des Experiments war von Anfang an, dass das Ergebnis vom Grünschwarz dominierten Stadtrat schon vor dem Beginn der Umfrage feststand. Dieses jetzt in Teilen zum Kinderspielplatz und Park umgestaltete Areal solle auf keinen Fall wieder für Autos freigegeben werden, so die Vermutung der Skeptiker.

Diese bekommt durch das jähe Ende der Onlinebefragung nun neue Nahrung.

Denn das überraschende Abschalten der Umfrage fiel exakt – das kann Zufall sein – mit einer Nachfrage unserer Redaktion bei der Stadtpressestelle zusammen:

Ob es denn gewollt sei und wenn ja, wieso es gewollt sei, dass man bei dieser Meinungsabfrage so oft mitvoten kann, wie man möchte.

Dies wiederum war einer Mitarbeiterin unserer Redaktion zufällig am Sonntag aufgefallen, dem 17. September. Sie hatte selbst bereits im Mai an dem Voting teilgenommen und klickte gestern rein aus Neugier erneut die Umfrage an. Über dasselbe Endgerät und denselben Browser wie beim ersten Mal.

Das für unsere Redaktion überraschende Ergebnis war: Es ging.

Kein Problem, ein weiteres Mal seine Meinung kundzutun zum endgültigen Ende des Parkplatzes oder seiner Reaktivierung. Mehr noch, es ging noch mehr – es ging eigentlich alles:

Unsere Mitarbeiterin gab sich unter identischen Daten einmal als Studentin aus, direkt danach als männlicher Rentner, dann als Geschäftsinhaberin der Innenstadt, stimmte mal zu, mal dagegen. Jedes Mal wurde ihr Voting beendet mit den artigen Zeilen „wir danken Ihnen für Ihre Teilnahme an der Befragung“.

Seit Scharfschaltung der Onlinebefragung am 20. Mai dieses Jahres konnte demnach jeder und jeder diese Meinungserhebung nach Belieben manipulieren?

Unsere diesbezügliche Anfrage, die wir noch am Sonntagabend an die Stadtpressestelle mailten, wurde uns am Montagmittag (18. September) wie folgt von Stadtsprecher Kevin Kohues beantwortet:

„Die Möglichkeit einer Mehrfachabstimmung wurde gewissermaßen geduldet, da es zum einen technisch nie ganz sauber ausgeschlossen werden kann (IP zurücksetzen / Router neustarten) und zum anderen ansonsten auch Mitglieder des gleichen Haushalts, Schulen etc. mit der gleichen IP ausgeschlossen würden.

Wir versuchen jedoch die Einträge bestmöglich zu verifizieren und wenn über die gleiche IP exakt die gleichen Antworten mehrfach eingereicht wurden, sortieren wir diese aus.“ (Anm. d. Red.: Sofern dies geschah, war es für den Betreffenden nicht nachvollziehbar, da keine entsprechende Meldung auf die Mehrfachvotings kamen.)

Kohues weiter:

„Nach dem Ende der Bürgerbeteiligungsphase (15. September) wird nun sämtliches eingegangenes Feedback inklusive der eingebrachten Ideen und Anregungen seitens der Stadtverwaltung ausgewertet.

Anschließend erfolgt die politische Beratung und letztlich die politische Entscheidung darüber, wie es an der Schulstraße weitergehen soll.“

Der Stadtsprecher ergänzt eine technische Information:

„Es wurden nur technisch notwendige (lokale) Cookies eingesetzt. Für diese wird keine Einwilligung per Cookie-Tool benötigt. Die entsprechenden Hinweise dazu finden sich hier: https://www.mobilitaet-in-unna.de/kontakt/datenschutz Die IP-Adresse wurde auch lediglich gekürzt und somit anonymisiert erhoben.“

Die Behauptung, das Ende der Bürgerbeteiligungsphase sei am Freitag (15. 9.) gewesen, stimmt nun zum einen nachweislich nicht, da unsere Mitarbeiterin noch am Sonntagabend (dem 17. September) wie oben beschrieben mehrfach an der Onlinebefragung teilgenommen hatte. Auch mehrere Leserinnen auf unserer Facebookseite berichteten, am Sonntag erneut – zum jeweils zweiten Mal – abgestimmt zu haben.

Zum anderen widerspricht Rathaussprecher Kohues mit dieser Behauptung seinem eigenen Chef, Bürgermeister Dirk Wigant (CDU), der noch in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Donnerstag, 14. September, öffentlich angekündigt hatte: Die Bürgerbefragung zum Reallabor laufe noch bis zum 30. September.

So hatte unsere Redaktion es in der Sitzung mitgeschrieben und auch veröffentlicht.

Wieviel Aussagekraft und vor allem Glaubwürdigkeit die Ergebnisse dieses von der Stadt so hochgelobten „Bürgerbeteiligungsprojekt“ nun noch für sich beanspruchen können, lässt unsere Redaktion dahingestellt.

Ein Update: Unsere Redaktion möchte diese Antworten der Stadtpressestelle nicht einfach so stehenlassen und hat deshalb am Dienstag Abend, 19. 9., noch einmal folgende Fragen ans Rathaus gemailt:

„Wie auch ein aufmerksamer Leser/Kommentator festgestellt hat, enthält die PM mehrere Behauptungen, die nachweislich nicht richtig sind.

  1. Falschbehauptung: Die Umfrage sollte generell am 15. beendet werden. – BM Wigant hat noch im Hauptausschuss am 14. 9. öffentlich erklärt, sie laufe bis zum Ende des Monats.
  2. Falschbehauptung: Die Umfrage wurde am 15. 9. beendet. – Das stimmt nachweislich nicht. Eine Mitarbeiterin hat noch am Sonntag, 17. September, mehrfach zum Test doppelt und dreifach gevotet. Mehrere Leserinnen bestätigen ähnliches.
  3. „Wir versuchen jedoch die Einträge bestmöglich zu verifizieren und wenn über die gleiche IP exakt die gleichen Antworten mehrfach eingereicht wurden, sortieren wir diese aus.“ – Nachfrage bei einem IT-Experten vor Ort bestätigte: Eine solche Verifizierung ist nicht möglich, wenn man die Nutzerdaten nicht komplett gespeichert hat, erst recht nicht bei dynamischen IPs. Ansonsten hätten gesetzlich vorgeschrieben Warnhinweise gesetzt werden müssen, dass man das Nutzerverhalten verfolgt. Es gab weder solche Hinweise noch die allgemein üblichen Cookie-Warnhinweise auf dieser Seite. Heißt, dass sie ohne irgendeine Nachverfolgung von Nutzerdaten betrieben wurde.

Wir bitten höflich um eine Erklärung. Des weiteren bitten wir um Auskunft darüber, ob die Stadtverwaltung dennoch von den Ergebnissen dieser Umfrage die Entscheidung über die Zukunft dieses Platzes abhängig machen möchte.“

UPDATE – Lesen Sie hier die Antworten der Stadt

10 KOMMENTARE

  1. Von der simplen Abschaffung von Parkplätze zum Politikum:

    Bei diesem 120.000 Euro „Experiment“ geht es nicht mehr nur um die Beeinträchtigung der Mobilität für die Bürger in der Stadt, sondern das „Reallabor“ steht inzwischen von seinen verschiedenen Aspekten her symbolhaft für den in Unna gepflegten Politikstil.

    Die Anfangsfragen beim Voting mußte man bis zum abschalten der Umfrage am Montag Morgen gar nicht beantworten. Man konnte einfach schnell durchklicken und immer wieder nur die entscheidende Ja oder Nein Frage anklicken. Das ging beliebig oft jeweils innerhalb weniger Sekunden.

    Also ist die Umfrage nutzlos.
    Das die Stadt sofort nach der Nachfrage des Rundblicks die Umfrage vorzeitig abgebrochen hat, ist ein Eingeständnis.

    Die Bürger haben dieses plötzlich eingerichtete „Reallabor“ nicht angenommen. Die Möglichkeiten für private Eigenaktivitäten oder eine private Mitgestaltung des Raumes wurde von ihnen nicht wahrgenommen.

    Das „Reallabor“ hat sich in erster Linie zur exklusiven Werbeveranstaltungsfläche für die Partei die Grünen bzw. deren Umfeld entwickelt. Mit viel Steuergelder wurde vergeblich versucht, künstlich den Platz zu beleben. Ohne den wiederholten Einsatz von Steuergelder passiert dort außerhalb der kleinen grünen Blase nicht viel.

    Eine Analyse der Netzwerke ergibt eindeutig, das die große Mehrheit diesen künstlich mit Blumenkübel aufgepimpten Asphaltplatz versteckt neben der Fußgängerzone nicht annimmt.

    Kurz vor Ende dieses „Laborversuches“ stellt sich heraus, das die angebliche Mehrheit für den Platz bei den Umfragen (die im starken Gegensatz zum öffentlichen Meinungsbild in den Netzwerken steht ) unseriös durchgeführt wurde.

    Eine rein persönlicher Erkenntnisgewinn zu der Umfrage:
    Wenn die Stadt schon klassische IT Aufgaben mit zusätzlichem Steuergeldaufwand an eine externe Firma vergibt, sollte sie dafür zumindest eine IT Fachfirma beauftragen. Wenn eine private Firma, die ihr Geld mit Maßnahmen zur Behinderung des Autoverkehrs verdient, eine Umfrage organisiert, ob der Autoverkehr behindert werden soll, liegt ein gewisser Widerspruch vor.

    Ein rein persönlicher Erkenntnisgewinn zu der Antwort der Stadt:
    Professioneller wäre vielleicht eine Rückmeldung der Stadt an den Rundblick gewesen, das man den offensichtlichen Fehler eingesteht und erst einmal über das weitere Vorgehen berät. Anstatt traditionell ehemalige Redakteure der seit Jahren im Niedergang befindlichen örtlichen Tageszeitung sollte man vielleicht besser erfolgreiche Fachleute, die Öffentlichkeitsarbeit studiert und Berufserfahrung in dem Bereich haben, in der Pressestelle der Stadt einsetzen.

    • Völlige Zustimmung, besonders zu der unseriösen Umfrage die, selbst unter Berücksichtigungen aller (Mehrfach) Meldungen per August d.J , eine unbedeutende Zustimmung von knapp 500 Bürgern ergeben hat.

      Die oftmals peinlichen Bemühungen der Grünen das Reallabor als „wesentlich“ darzustellen inkl. ADFC Unna Mitgliedern denen ich, als Rad-Vielfahrer, jegliche Kompetenz zur vorhandenen oder geplanten Infrastruktur abspreche.

      Insofern erneut ein Armutszeugnis dieser Verwaltung, inkl. Bürgermeister, den Bürgern den ideologischen Irrsinn einer grünen Minderheit, verbunden mit verschleuderten Steuergeldern die anders eingesetzt den Bürgern mehr Nutzen gebracht hätten., nahe zu bringen

  2. Wenn die Presseabteilung der Stadt auf die Schnelle versucht, Fehler mit Falschmeldungen auszugleichen, erinnert das ein bißchen an den Streisandeffekt :-):

    1. Falschbehauptung in der Erklärung der Stadt:
    Die Umfrage sollte generell am 15. beendet werden.

    2. Falschbehauptung in der Erklärung der Stadt:
    Die Umfrage wurde schon am Freitag beendet.

    3. Falschbehauptung in der Erklärung der Stadt:
    „Wir versuchen jedoch die Einträge bestmöglich zu verifizieren und wenn über die gleiche IP exakt die gleichen Antworten mehrfach eingereicht wurden, sortieren wir diese aus.“

    Das geht gar nicht, wenn man die Nutzerdaten nicht komplett gespeichert hat. Bei dynamischen IPs schon gar nicht.

    Die Stadt bestätigt ja selber:
    „Die IP-Adresse wurde auch lediglich gekürzt und somit anonymisiert erhoben.“

    Ansonsten hätte man auch gesetzlich vorgeschrieben Warnhinweise setzen müssen, das man das Nutzerverhalten verfolgt. Die gab es auf der Umfrageseite nicht. Es gab nicht einmal die üblichen Cookiewarnhinweise. Die Seite wurde also ohne irgendeine Nachverfolgung von Nutzerdaten betrieben.

    Mit so einer dreisten Presseerklärung verstärkt man lediglich die verständliche Empörung in der Bevölkerung anstatt Schadensbegrenzung zu erreichen.

    • Dann hat unsere Sprachlosigkeit doch durchaus eine gewisse Berechtigung, Schmunzler. Wir werden mit dieser Presseerklärung noch einmal die Stadt konfrontieren. Freundlichen Dank für den technischen Support – wir sind gerade noch dabei, diese Begründung nachzuvollziehen.

  3. Oh Oh, da ist wohl eine Kulisse in der Demokratie Simulation umgefallen.

    Und dann alles wie immer…“gehen sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen“…

  4. Passt zu „Rückgängig gemachten Wahlen“, zu zu wiederholenden Wahlen in Berlin, angeblichen Druckfehlern in Sozi-Parteiprogrammen und durch linke und grüne Wahlhelfer „geschätzte“ Wahlergebnisse beim Auszählen der Stimmen.
    Letzten Endes steht das Reallabor symbolisch für den Kampf der Grünen gegen die Realität.

  5. Ein Update hier – wir haben im Artikel einige weitere Nachfragen ergänzt, die wir gestern Abend, 19. 9., an die Stadt gemailt haben. Diese Antworten möchten wir so nicht stehenlassen.

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