„Einfach zu schön, um leer zu sein“: Wie kommt Unnas Wirtschaftsförderer auf unter 7 Prozent?

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Leerstand im früheren GameStop auf der Bahnhofstraße. Seit Ende 2022 sucht das weitläufige Ecklokal einen neuen Mieter. (Foto Rinke)

„Deutlich unterdurchschnittlich“ – sowohl auf den Kreis Unna bezogen, den Bereich der Industrie- und Handelskammer (Kreis Unna, Dortmund, Hamm) und NRW-weit – sei die Zahl der Leerstände in der Unnaer Innenstadt.

So behauptete es vor der Ratssommerpause in einer öffentlichen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der städtische Wirtschaftsförderer Martin Bick.

Er nannte eine Leerstandsquote von 6,7 Prozent in der Innenstadt und behauptete:

„In den Hauptlagen haben wir gar nicht so viel Leerstand. Der Eindruck entsteht vielleicht, weil einige Leerstände sehr groß sind.“

Letzteres stimmt zweifellos – siehe die großen Leerstände in der Neuen Mühle/gläsernes Erdgeschossrondell, im früheren S.Oliver auf der Bahnhofstraße oder im seit einem Jahr leerstehenden ehemaligen C&A in Top A-Lage am Alten Markt.

Die Behauptung, dass in den Hauptlagen „gar nicht so viel“ Läden leer stünden, ist vielleicht noch subjektiv auslegbar. Kaum nachzuvollziehen ist beim Durchzählen in der Fußgängerzone jedoch, wie Unnas Wirtschaftsförderer zu seiner im Ausschuss genannten und dort unhinterfragt gebliebenen Leerstandsquote von unter 7 Prozent kommt.

Unsere Redaktion hat den heutigen Sonntag, 23. Juli, einmal für eine kurze aktuelle Bestandsaufnahme in der Fußgängerzone genutzt.

Gezählt haben wir nur die Leerstände und Gesamtzahl an Ladenlokalen auf der Hauptsachse der Bummelmeile, also auf der Massener Straße, am Alten Markt, entlang der Bahnhofstraße und am Rathausplatz.

Die Nebenstraßen haben wir (aus Zeitgründen) ausgeklammert. Da dort die Zahl der leeren im Vergleich mit den bewirtschaften Ladenflächen mindestens genauso hoch ist wie in der 1A-Lage, meist höher, stellt die so ermittelte Leerstandsquote den günstigsten Fall dar.

Beim Nachzählen kamen wir auf folgende Zahlen:

  • Entlang Unnas Haupteinkaufsachse befinden sich derzeit 114 Ladenlokale (das Einkaufszentrum Neue Mühle eingerechnet).
  • 17 Ladenlokale stehen leer. Darunter befinde sich die 3 genannten großen (Neue Mühle, Ex-C&A und Ex-S.Oliver)m die zudem alle drei schon über ein Jahr leer stehen.
  • Daraus ergibt sich allein entlang der Hauptbummelmeile eine aktuelle Leerstandsquote von rund 15 Prozent – das Doppelte von dem, was Wirtschaftsförderer Bick vor anderthalb Monaten im Ausschuss nannte.
„Viel Raum für Ihren Traum“ hat Noch-Eigentümer Ten Brinke nach wie vor im Erdgeschoss des Einkaufszentrums Neue Mühle Unna zu vergeben. Die Suche nach einer tagesfüllenden Gastronomie ist bislang nicht von Erfolg gekrönt. (Foto: Rinke)

Zu den großen Langfristleerständen gehört, wie oben schon erwähnt, das gläserne Rondell des Einkaufszentrums Neue Mühle (es sucht nach wie vor eine tagesfüllende Gastronomie), zu diesen gehört der frühere C&A am Alten Markt oder der ehemalige Standort von S.Oliver auf der Bahnhofstraße.

Dass sich dort der schon gesetzte Mieter Rituals (Kosmetik) inzwischen von seinen Ansiedlungsabsichten zurückgezogen hat, weil es mit der Gebäudesanierung sichtlich nur im Schneckentempo vorangeht, ist von Rituals selbst bislang weder dementiert noch bestätigt worden.

Eine Presseanfrage unserer Redaktion ließ die Unternehmenszentrale im Frühjahr unbeantwortet. Einige Leserinnen berichteten, dass sie sich schon im vorigen Jahr auf Stellenangebote für „Rituals Unna“ beworben, aber bis zum heutigen Tag keine Antwort bekommen hätten.

Schon viele Monate leer steht beispielsweise auch das Ecklokal des früheren Spieleanbieters GameStop auf der Bahnhofstraße.

Gähnende Leere seit nun einem Jahr im früheren C&A am Alten Markt, Bild oben. (Foto Rinke)
Aktueller Baustellenstand auf der Bahnhofstraße in Unna-City im früheren S.Oliver. Das Gebäude ist jetzt Christo-mäßig komplett verhüllt, an einen nahen Einzug von Rituals ist nicht zu denken. (Foto Rinke)

Martin Bick nannte im öffentlichen Teil der Sitzung am 2. Juni weder Namen von ansiedlungswilligen noch von abgesprungenen Unternehmen.

„Einige leere Geschäfte werden auf absehbare Zeit oder auch dauerhaft leer bleiben“, betonte er. Etwa, wenn ein Gebäude nicht mehr vermietungsfähig ist, saniert werden müsste.

„Es will auch nicht jeder Eigentümer mit uns zusammenarbeiten.“

Was die Stadt jetzt versuchen will, so Bick, ist das Anzapfen des Fördertopfs „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren“. Die als „Soforthilfe Innenstadt“ bekannte NRW-Förderprogramm ist mit jährlich 35 Millionen Euro ausgestattet und wird von Nachbarstädten wie Kamen oder Fröndenberg bereits seit Jahren rege genutzt.

Für einen begrenzten Zeitraum von 2 Jahren mietet die Stadt mit Hilfe dieser Fördergelder leere Geschäfte in Innenstadtlagen an und vermietet sie zu einem besonders günstigen Mietzins an Gründer weiter. Das Ziel, so Bick, sei natürlich, dass diese Anschubshilfe anschließend in eine langfristige Ansiedlung mündet.

Diese Gewissheit hat die Kommune aber natürlich nicht.

Und: Nicht jeder Immobilienbesitzer sei bereit, temporär auf mindestens 30 Prozent seiner Kaltmiete zu verzichten. Bick:

„Ich bin bereits mit allen Vermietern im Gespräch. Einige wollen, andere haben Nein gesagt.“

Langfristig müsse man generell „die Stadtmitte neu denken“: Die frühere Funktion von Innenstädten als Zentren des Handels ließe sich im Zuge des geänderten Konsum- und Freizeitverhaltens nicht mehr reaktivieren.

Nordrhein-Westfalen-Initiative „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren“:
Mit dem Programm sollen die Kommunen dabei unterstützt werden, mit nachhaltigen und zukunftsfähigen Nutzungskonzepten den Wandel im Handel positiv zu begleiten und neue Ankerpunkte in den Innenstädten zu schaffen. Dafür stehen Gelder in Höhe von 35 Millionen Euro zur Verfügung.

Unna – Stadt der Optiker?

Am 9. Juli vorigen Jahres, zwei Tage nach der Eröffnung der Neuen Mühle, hatte die Redaktion unter der Frage „Unna – Stadt der Optiker?“ einmal eine komplette Bestandsaufnahme in der Unnaer Innenstadt unternommen und den Besatz der Läden inklusive der Leerstände für die gesamte Fußgängerzone aufgelistet.

C&A war damals noch am Alten Markt ansässig, Kodi auf der Bahnhofstraße noch nicht auf Rossmann gefolgt, dafür hatte GameStop daneben noch geöffnet.

Hier noch einmal das Ergebnis unserer letztjährigen Bestandsaufnahme, an dem sich – von einigen Verschiebungen abgesehen – im Grundsatz nichts geändert hat. Berücksichtigt wurde der Kern der Fußgängerzone vom Rathausplatz bis zum Lindenplatz.

Morgenstraße in Unna – Foto Rinke

Morgenstraße/Güldener Trog

Leerstand: 3

Borten / Knöpfe / Stoffe: 2

Restaurant / Kneipe: 2

Gesundheit/Kosmetik: 2

Brille/Optik / Hörgeräteakustik: 2

Café, PC-Zubehör, Kinderkleidung, Brautmoden, Bubble Tea, Apotheke, Reisebüro: Je 1

Rathausplatz / Bahnhofstraße

Blick von der Bahnhofstraße auf den Rathausplatz. – Archivbild/Rinke

Mode: 10

Handy: 8

Brille/Optik / Hörgeräteakustik: 7

Leerstand: 5

Apotheke: 4

Bäckerei: 4

Parfum: 3

Friseur: 2

Geldinstitut: 2

Schuhe: 2

Süßwaren, Billardcafé, Euro-Shop, Eis, Fleisch/Wurst, Game-Shop, Schmuck/Accessoires, Juwelier, Drogerie, Hüte, Haushaltswaren, Deko, Wolle, Nahrungsergänzung, Blumen, Bücher, Kaffee: Je 1

Alter Markt / Wasserstraße

Die Wasserstraße im Juli 2022. (Foto Rinke)

Leerstand: 5

Brille/Optik / Hörgeräteakustik: 4

Mode: 3

Eis: 2

Café / Restaurant: 2

Handy, Rauchwaren, Süßwaren, Bücher, Schuhe, Bastelbedarf, Fitness, Friseur, Reisebüro, Fußpflege: Je 1

Hertinger Straße / Flügelstraße / Gürtelstraße

Leerstand: 9

Restaurant / Café: 4

Reformhaus, Schreibwaren, Spanndecken, Friseur, Apotheke, Geldinstitut, Lebensmittel, Schlüsseldienst, Mode, Bubble Tea, Schneiderei, Asia-Imbiss: Je 1

Massener Straße

Mode: 7

Restaurant und Imbiss: 5

Café: 3

Eis: 2

(Gesamt Gastronomie: 10)

Leerstand: 2

Kaufhaus: 2

Kino, Schneider, Handy, Senf, Korbwaren, Goldschmiede, Kinderkleidung, Geldinstitut, Bäcker, Kunst, Reisebüro, Schuhe, Reformhaus, Wein/Feinkost, Sportkleidung, Tee, Donut: Je 1

Nicht abgezählt haben wir den Bestand in den Nebenstraßen Gerhart-Hauptmann-Straße und Schäferstraße: In Letzterer findet sich schwerpunktmäßig Friseur /Kosmetik / Nagelstudio.

Zusammenfassung

Stolperfrei durch die Fußgängerzone flanieren – das ist das Hauptziel der Neugestaltung der Bummelzone, hier auf dem ersten Teilstück auf der Massener Straße.
  • Die Massener Straße fällt durch die größte Branchen-Vielfalt mit kleineren, inhabergeführten Läden und zugleich die geringste Leerstandsquote auf. Auch die Gastrononie ist hier am stärksten vertreten.
  • An Modegeschäften mangelt es in der Fußgängerzone nicht: Insgesamt sind es rund zwei Dutzend, die Kaufhäuser mitgezählt. Es fehlt jedoch ein Angebot für die jüngere Generation.
  • Brillengeschäfte und Hörgeräteakustiker gibt es in der Tat viele in Unna – es sind aktuell 13.
  • Handy-Anbieter zählten wir 9.

Die Zahl der Leerstände beträgt aktuell zwei Dutzend.

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