Reallabor Schulstraße: Bei „Parkplätze“ fährt Grünen-Chefin dem Bürgermeister regelrecht über den Mund

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Unnas "Reallabor", hier am Wochenende der Festa Italiana. (Foto Rinke)

Es ging um eine Zwischenbilanz zum Reallabor Schulstraße am gestrigen Donnerstag (15. Juni) im Rat. Im selben Augenblick, als aus dem Mund des Bürgermeisters das böse Wort „Parkplätze“ plumpste, sprang Grünen-Chefin Claudia Keuchel regelrecht aus ihrem Sessel hoch und fuhr den Verwaltungschef an:

Es sei zu diesem frühen Zeitpunkt wirklich die Unzeit, über die künftige und dann dauerhafte Verwendung des ehemaligen Parkplatzes an der Schulstraße zu reden. Auf Wigants fast devoten Einwand, er habe ja lediglich darauf hingewiesen, dass es solche Wünsche bei Anwohnern gebe, fuhr ihm Keuchel ruppig über den Mund: „Warten wir ab.“ Und der Bürgermeister schwieg.

Von Ruppigkeit, Respektlosigkeit und latenter bis offener Aggressivität war diese letzte Sitzung des Unnaer Stadtrates vor der politischen Sommerpause geprägt, in der Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) unter anderem eine erste Bilanz zum Reallabor Schulstraße vorstellte – Unnas „begehbarem Bürgerexperiment“, bei dem – wie immer wieder versichert wird, „temporär“ – der bisherige Innenstadtparkplatz zum Verweilen umgemodelt wird. Wie verweilt wird, entscheiden die Bürger.

Die Ratsfraktion Wir für Unna (WfU) hatte angefragt, wie viel das „Experiment“ (das sich dem ahnungslosen Betrachter wie ein netter, aber optimierungsbedürftiger Spielplatz, Bänken und Pflanzkübeln darstellt) mittlerweile gekostet hat.

Wigant nutzte die Beantwortung dieser Frage für einen kurzen Zwischenstand der bisher eingegangenen Bürgerreaktionen.

Zu den Kosten: Rund 102.000 Euro wurden bis dato für die Platzumgestaltung ausgegeben.

2500 Euro davon gab es als Förderung für die Fahrradreparaturstation, 12.000 Euro der Summe entfielen auf die Pflanzkübel. Diese könne man jedoch, sollte das „Experiment“ im Herbst beendet werden, anderweitig in der Stadt nutzen, relativierte Wigant diese Summe.

33 geplante Veranstaltungen haben Bürger bisher in ihrem „Freiluftlabor“ gemacht, das reichte von Freiluftyoga bis zum gemeinsamen Singen. Wir berichteten darüber.

Die bisherigen Rückmeldungen: 35 landeten im Briefkasten am Reallabor, 26 Anregungen kamen per Mail. „Sofern das keine Dopplungen waren, sind das bisher also 61 Beteiligte“, rechnete der Bürgermeister zusammen.

Als Anregungen kamen unter anderem: Eisautomat, Trinkwasserbrunnen, Schaukel, Outdoor-Büro/-Klassenzimmer, weitere Spielgeräte, Picknicktisch, Sonnensegel, Schlauchautomat für Fahrräder, Rampe am Bordstein Richtung Innenstadt. Letztere wird in Kürze hergestellt, außerdem wird in Kürze ein Picknicktisch aufgestellt, signalisierte Wigant.

Er fügte hinzu:

„Es gibt auch den Wunsch nach Anwohnerparkplätzen – leider – fünf Mal.“

Dem (für Zuhörern etwas irritierenden) Ausdruck des Bedauerns („leider“) über diesen Wunsch ließ Wigant sacht anklingend den Vorschlag folgen, dass man auf der derzeit kaum bis wenig genutzten Asphaltfläche neben dem Verweilplatz möglicherweise im Anschluss an die 6-monatige Testphase „den Parkdruck wieder leicht lindern“ könne.

Doch damit hatte er die Rechnung ohne die Grünen-Vorsitzende Claudia Keuchel gemacht. Diese fiel ihm unverzüglich im rüden „Basta“-Ton über den Mund: Es sei nach so wenigen Wochen nicht die Zeit, über die endgültige Nutzung zu reden. Und über die Rückwandlung von Parkplätzen zu reden sei nun wirklich das „völlig falsche Signal“ an die Anwohner, denn schließlich habe man gerade das neue Parkkonzept beschlossen, das auch Anwohnern sehr gute Parklösungen biete.

Darauf erwiderte der Bürgermeister lediglich noch im Verteidigungsmodus, er habe nur darauf hinweisen wollen, dass die dauerhafte Nutzung des Schulstraßen“Labors“ als offen definiert sei, was die Grünen offenbar anders sehen.

„85 Prozent der Rückmeldungen sind positiv, der Rest: parken“,

schloss Wigant.

Spielplatz des Reallabors. – Foto Rinke

Aus seiner Pressestelle folgte am Freitagmorgen ein zusammenfassendes Erklärstück zum Stand Reallabor. Nicht alle Wünsche seien demnach während der noch laufenden Laborphase bis Oktober umsetzbar, da es sich eben um ein „zunächst auf 6 Monate festgelegtes Experiment“ handele.

„Vor rund zwei Monaten wurde aus einem Parkplatz mitten in der Stadt ein großes Experiment: Am 22. April eröffnete Bürgermeister Dirk Wigant das sogenannte Reallabor an der Schulstraße.“

Zu den Anregungen der Bürger heißt es:

„Neben der Farbe der Bänke („zu rot“) wurde von einigen Eltern der Wunsch nach anderem, weicherem Sand geäußert. Da dieser als Fallschutz dient, kann er jedoch nicht getauscht werden. Feinerer Sand würde bei Regen verklumpen – ein Aufprall wäre dann zu hart und für die Kinder potenziell gefährlich.

Anwohner wünschen sich wieder mehr Parkmöglichkeiten. Wird die Verwaltung darauf eingehen?

Die bislang quasi ungenutzte Asphaltfläche des Reallabors. (Foto Rinke)

„Da der westliche, an der Klosterstraße befindliche Teil der Reallaborfläche bisher nicht genutzt wird und viele Autofahrer irritiert, die dann auf dem Platz wenden müssen, könnten hier Anwohnerparkplätze entstehen. Diese Maßnahme würde auch dem Parkraumkonzept nicht zuwiderlaufen, da es ausschließlich um Stellflächen für Anwohner geht und keinen Parksuchverkehr fördert.“

Über diesen Vorschlag werde derzeit „mit der Politik beraten“.

Angedacht sei jetzt seitens der Verwaltung eine weitere Veranstaltung vor Ort mit Bürgerbeteiligung und Zwischenauswertung. Bis dahin könne auch die Online-Umfrage ausgewertet werden, an der interessierte Bürger derzeit noch teilnehmen könnenunter www.reallabor-schulstrasse.de.

Auf der Internetseite des Reallabors ist auch der Veranstaltungskalender zu finden.

Das Experiment endet im Oktober 2023. Anschließend wird die Verwaltung dem Rat eine Gesamtauswertung mit Nutzungsvorschlag vorlegen.

10 KOMMENTARE

  1. Mein Mitleid für H. Wigant hält sich in Grenzen, hat er doch selbst dazu beigetragen so behandelt zu werden.

    Mit Grausen denke ich daran dass C. Keuchel Kandidatin fürs Bürgermeisteramt war und stelle nach dem Artikel fest dass sie trotz verlorener Wahl ihre Halskette offensichtlich mit der Amtskette verwechselt.

    • In dem Zusammenhang würde mich auch interessieren ob H. Wigant nach dem konspirativen Treffen zur Bürgermeisterwahl mit den Grünen morgens noch in den Spiegel schauen kann. Speziell nach dem Auftritt von C. Keuchel in dieser Sitzung.

  2. Von mir aus kann der platz so bleiben.
    Wir haben uns einkaufstechnisch Richtung Hamm und Werl umorientiert.
    Die Anwohner tun mir aber leid.

  3. Ich arbeite im Fahrradgeschäft neben an und wir bekommen nicht einmal Kurzzeitparkplätze für unsere Kunden um Fahrräder auf und ab zu laden. Stattdessen bekommen diese Knöllchen um die Kasse der Stadt zu füllen.
    Dieser Platz ist zum Teil gut, aber nicht so schön wie gedacht. Es sieht immer noch nach Platte aus.
    Schafe um das Geld.

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