Verkehrswende „bürgernah“: Stadt Unna lässt „Konzept zur Erstellung eines Konzepts“ erstellen

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Eine Fußgängerampel mit Unnas Wappentier, dem Esel, fand bisher keine politische Mehrheit. (Foto Archiv)

Unnas Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) unterstreicht seit seinem Amtsantritt gern und oft das „Mitnehmen“ seiner Bürger bei so allerlei Entscheidungen, die die Bürger betreffen. Zuletzt unterstrich Wigant diesen seinen Anspruch und sein Tun ausgiebig bei seiner Neujahrsansprache vor seinen Parteifreunden der CDU (wir berichteten), die unter dem Leitmotto hätte stehen können: „Versprechen gehalten!“

Nun bastelt Wigants Verwaltung zusammen mit weiteren Akteuren bekanntlich seit geraumer Zeit an einem „Mobilitätskonzept“ für den Verkehr der Zukunft, sprich eine Verkehrswende. Damit geht es nicht wirklich voran, wird immer wieder kritisiert, zuletzt vom Radclub ADFC bei dessen Jahreshauptversammlung.

Das Nichtvorankommen wundert wenig, wenn man sich folgende Passage aus der Verwaltungsvorlage „Mobilitätskonzept“ für den nächsten Stadtentwicklungsausschuss am Mittwoch (25. 1.) zu Gemüte führt – wir zitieren wörtlich:

„Kern des Mobilitätkonzepts ist ein abgestimmtes Zielkonzept, das die Ausrichtung der Verkehrsplanung und -politik beschreibt und anhand dessen die Entwicklung in Unna gemeinsam verfolgt, gemessen und evaluiert werden kann.

Das Zielkonzept ist in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, dem Beirat, dem politischen Lenkungskreis sowie unter der Mitwirkung der Bürger:innen entstanden. Das Zielkonzept enthält zunächst als Kern ein Leitmotiv, das grundlegende Werte und Prämissen für die Planung und die Inhalte des Mobilitätskonzepts beschreibt.

Auf dieser Basis sind weiterhin vier Zielfelder herausgearbeitet worden, die die wesentlichen Themenfelder für die Verkehrs- und Mobilitätsentwicklung in Unna abbilden. Der Aufbau des Zielkonzeptes sowie die Zielfelder mit ihren jeweiligen Unterzielen sind im beigefügten Zielbericht genau beschrieben. Das erarbeitete Zielkonzept dient als Grundlage für die weiteren Inhalte des Mobilitätskonzeptes, insbesondere für die anstehende Maßnahmenentwicklung.“

Wer sich als Bürger das Durcharbeiten dieses erklecklichen Geschwurbels zumutet, die Zahl solcher Bürger dürfte überschaubar sein, stößt irgendwann tatsächlich auf einige Ziele, die bisher lediglich auf dem Papier realisiert sind, sieht man von zwei Radstraßen ab, welche allerdings nicht einmal funktionieren.

Im Kernpunkt soll das Konzept

  • motorisierten Individualverkehr vermeiden, verlagern und verbessern,
  • ÖPNV und Car-Sharing stärken,
  • Nahmobilität systematisch fördern und dadurch
  • die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum steigern.

Für Bürgermeister Dirk Wigant „ist es eine Herzensangelegenheit“, erinnerte die Verwaltung im März vorigen Jahres an einen zentralen Punkt in Wigants Bürgermeisterwahlkampf. Unter seiner Bürgermeisterschaft, so versprach der damalige Ordnungsamtsleiter, werde es ein umfassendes Mobiliätskonzept für Unna geben, das freilich nach Wigants damaligen Verlautbarungen alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt berücksichtigen werde: neben Fußgängern und Radlern eben auch den Individualverkehr im eigenen Pkw.

Das hört sich nun ein wenig anders an: Das Konzept setzt klare Prioritäten.

„Ziel des Mobilitätskonzeptes ist es, die Verkehrswende in Unna einzuleiten. Wir können Dinge versuchen, die woanders schon funktionieren“,

lässt sich Dirk Wigant in der Mitteilung seines Pressebüros zitieren. Er sei froh, mit der Planersocietät Mobilität.Stadt.Dialog ein Unternehmen gefunden zu haben, das über reichlich Vorerfahrung auf diesem Gebiet verfüge.

Auch sein Erster Beigeordneter Jens Toschläger sieht das so; er ergänzt:

„Wir müssen Maßnahmen, deren Wirkung nicht von vornherein abzusehen sind, einfach mal ausprobieren, dann wissen wir auch, ob es funktioniert.“

Im Herbst 2023 soll das fertige Konzept durch den Stadtrat verabschiedet werden.

Die Pressemitteilung skizziert ausführlich den Weg dorthin:

„Wichtig ist allen Beteiligten, dass alle lokalen Akteure wie der ADFC, vor allem aber auch die Bürgerinnen und Bürger in Unna ihre Ideen in diesen Prozess einbringen.

Auch ein Beirat soll gegründet werden: Ein Gremium, in das Vereine oder Fachleute ihre Gedanken und Ideen einbringen können.

„Wir nehmen die gesamte Stadtgesellschaft mit.“

  • (Bürgermeister Dirk Wigant)

Dazu sollen es verschiedene Beteiligungsformate geben. Foren, Bürgerveranstaltungen oder auch eine Ideenbörse. Planungsradtouren oder- spaziergänge gehören ebenfalls zu den angedachten Beteiligungsmöglichkeiten.

Über den aktuellen Fortschritt wollen Planer und Verwaltung fortlaufend unter anderem über die Homepage der Kreisstadt Unna informieren.

Im Gegensatz zu früheren überwiegend netz- und infrastrukturorientierten Verkehrsentwicklungsplänen sollen in dem Mobilitätskonzept alle relevanten Einflüsse und Maßnahmenebenen aus den Themenfeldern Mobilität und Verkehr aufgehen. Für Dipl.-Ing Michael Frehn von der Planersocietät soll ein Denken in alle Richtungen erlaubt sein.

„Wir kennen die Knackpunkte in solchen Prozessen“, sagt Frehn. Und Toschläger ergänzt:

„Es wird sicherlich auch mal Punkte geben, wo wir Nein sagen müssen.“

Am Ende, da ist sich Bürgermeister Wigant sicher, werde das Mobilitätskonzept einen breiten Konsens finden.

Doch vor dem Ende steht der Anfang und der sieht eine Bestandsaufnahme durch die Planersocietät vor.

Ein wesentlicher Aspekt des Mobilitätskonzeptes ist das Aufzeigen einer ganzheitlichen Strategie unter Einbeziehung aller Verkehrsträger und Verkehrsteilnehmer, wobei die Vernetzung eine wesentliche Rolle spielt. Die Erreichbarkeit der Innenstadt und der einzelnen Stadtteile ist ein weiterer Aspekt. Dabei sind im Konzept nicht nur reine Einzelmaßnahmen aufzulisten, vielmehr ist eine perspektivische Ausrichtung erwünscht.

Das Konzept soll darauf ausgelegt sein, den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu vermeiden, zu verlagern und zu verbessern, wobei ÖPNV/SPNV und der Sharing-Gedanke unterstützend wirken. Der Nahmobilität soll hier die Chance und Möglichkeit eingeräumt werden, sich gegen das Konzept der autogerechten Stadt zu behaupten: Maßnahmen, die zu einer systematischen Förderung der Nahmobilität und zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum führen.

1 KOMMENTAR

  1. „Wichtig ist allen Beteiligten, dass alle lokalen Akteure wie der ADFC, vor allem aber auch die Bürgerinnen und Bürger in Unna ihre Ideen in diesen Prozess einbringen“

    Warum wird dem ADFC so viel politisches Gewicht verliehen, obwohl er ca. 97,7% der Fahrradfahrer gar nicht vertritt? Nur grob gerechnet ca. 0,3% der Radfahrer bundesweit sind bei ihm organisiert. Er ist nicht die Stimme der radfahrenden Bevölkerung, für die die Mobilität durch das Auto eine weitaus existenziellere Bedeutung hat.
    Seine Bedeutung wirkt politisch künstlich aufgepumpt. Warum wird nicht der ADAC, welcher einen weitaus größeren Teil der Bevölkerung (immerhin ca. 21 Millionen Mitglieder) vertritt, zumindest ebenbürtig mit in die Planungen einbezogen?

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