Ab Inzidenz 100 und darunter dürfen Freibäder laut der neuen Coronaschutzverordnung NRW für „Sportschwimmen“ öffnen, ab Inzidenz 50 und darunter auch die Freibäder mit ihren Liegewiesen, allerdings nur mit Test. Und unter Inzidenz 50 dürfen auch die Hallenbäder erst öffnen.
Mit diesem Öffnungskonzept, bilanziert die Initiative „Laut für Familien“ ernüchtert, werden ein weiteres Mal vor allem die Kinder benachteiligt.
In einem offenen Brief an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bittet das Bündnis, sich endlich auf die Nöte der Kinder und Familien zu konzentrieren.
Denn, so schrieb uns Dr. Franziska Reiß von Laut für Familien auf Nachfrage:
„Etwa die Hälfte der Kreise und kreisfreien Städte kann die Schwimmbäder noch nicht zum normalen Planschen bzw. Üben mit Kindern oder einfach zur Wassergewöhnung von Kindern nutzen.“
In dem offenen Brief an den Gesundheitsminister argumentiert das Bündnis:
„Aus der Erfahrung der Mitglieder unserer Initiative, und vieler anderer Eltern, die uns kontaktieren, lässt sich festhalten: Es sind viel zu wenige Schwimmbäder zugänglich, um hier eine ausreichend große Anzahl an Schwimmlernkursen organisieren zu können.
Bereits vor der Corona-Pandemie gab es bedenklich viele Kinder und Jugendliche, die nicht sicher schwimmen gelernt haben. Als Eltern können wir aus leidlicher Erfahrung berichten, wie schwierig es bereits vor 2020 war, für sein Kind einen Platz in einem Schwimmkurs zu ergattern. Wartelisten mit einer Dauer von 3 Jahren waren keine Seltenheit.
In den nun fast 1,5 Jahren Pandemie fanden kaum Schwimmkurse statt, wodurch sich die Situation weiter zugespitzt hat. Kinder, die im vergangenen Frühjahr oder Sommer noch mit einem Kurs beginnen konnten, bekamen nicht die Chance, ihre dort bis Oktober 2020 erworbenen Fähigkeiten zu festigen. Sie starten – wenn es irgendwann weitergeht – wieder „bei Null“. Zudem ist der Erwerb des „Seepferdchens“ ja real auch nicht mehr als der Startpunkt des Schwimmenlernens. Eine sichere Schwimmfähigkeit markiert es sicher nicht. Zur Festigung dieser müssen Kinder über mehrere Jahre wiederholt Schwimmunterricht und die Möglichkeit erhalten, regelmäßig mit der Schule oder den Eltern ins Schwimmbad zu gehen. Nur so kann ein kompetenter und sicherer Umgang mit dem nassen Element spielerisch trainiert und weiter gefestigt werden.
Die nun schon seit Ende Oktober 2020 anhaltende Schließung der Bäder – über nun mehr als 7 Monate – betrifft dramatischerweise auch die 680.000 Grundschulkinder, die keinen Schwimmunterricht im Rahmen des Schulsports erhalten. Auch wenn dies zeitweise laut Verordnung erlaubt war: Die Kommunen öffneten nicht, da eine Öffnung „nur“ für das Schulschwimmen offenbar zu kostenintensiv ist.
Es gibt überdies eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen und natürlich auch Erwachsenen, die therapeutisches Schwimmen zur Verbesserung ihres gesundheitlichen Zustands und damit zum Erhalt ihrer Lebensqualität benötigen. Auch all diesen Menschen wird der Zugang zu den Bädern verwehrt, obwohl er zur Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit zwingend erforderlich ist.
Gleiches gilt übrigens für den Schwimmsport. Insbesondere Kinder, die dort auf dem Weg zum Sport- oder Leistungsschwimmen („Talentschwimmen“) waren, hatten keinerlei Möglichkeiten zu trainieren, benötigen diese jetzt, um ihr Training fortzusetzen.
Unsere Auflistung zeigt: Jeder weitere Tag mit geschlossenen Schwimmbädern ist einer zu viel! Er erhöht das Risiko von Badeunfällen von Kindern und Jugendlichen. Davor warnte schon 2020 die DLRG. [3]
Der sicherste Schutz hiervor ist die umgehende Öffnung aller Bäder in Nordrhein-Westfalen.
Wir fordern: Geben Sie den Schwimmbädern sofort eine Perspektive! Erlauben Sie die Öffnung der Bäder, von Schwimm- wie auch Freizeit- bzw. Erlebnisbädern – ab einer 7-Tage-Inzidenz in einem Landkreis bzw. einer Stadt unter 100 – für die Allgemeinheit!
Untersuchungen belegen: Der Aufenthalt in einem Schwimmbad (auch „indoor“) geht gerade nicht mit einem höheren Infektionsrisiko einher. Im Gegenteil! Die Studien weisen darauf hin, dass das Virus zum einen durch Chlorwasser deaktiviert wird und zum anderen die hohe Luftfeuchtigkeit in Bädern eine Ansteckungsgefahr reduziert. Überdies liefern die Untersuchungen Hinweise darauf, dass der regelmäßige Aufenthalt im Schwimm- oder Freizeitbad durch das Spülen und Befeuchten der Nasenschleimhäute das Infektionsrisiko senken kann. [4]
Es ist wichtig, dass das Ministerium für Schule und Bildung mit dem Start des vollen Präsenzunterrichts in NRW ab 31.05.21 mitteilt, dass „Schulschwimmen“ gerade im Hinblick auf die steigende Zahl der Nichtschwimmer:innen wieder stattfinden muss. Es ist ein wichtiger Schritt, gerade das Anfängerschwimmen wieder zu erlauben. Aber dieser Schritt reicht eben nicht aus! Für die Kommunen scheint dies keine hinreichende Grundlage für eine Öffnung der Bäder darzustellen. Die Deckung der hohen Betriebskosten – so steht zu befürchten – wird die Kommunen viel eher veranlassen, die Öffnung auf den Zeitpunkt zu verschieben, wenn auch die Bäder für Publikumsverkehr geöffnet werden können, der Badbetrieb sich also aus Eintrittsgeldern refinanzieren kann. Bereits im November 2020, als die Bäder gerade geschlossen wurden, warnten Sportakteure davor, dass den Bäderschließungen das (weitere) Bädersterben folgen wird. [5]
Wir halten den von uns geforderten Schritt bei den aktuellen sinkenden Inzidenzen in allen Kreisen NRWs und dem bestehenden Impffortschritt im Land nicht nur für geboten und überfällig, sondern für eine dringend einzulösende Pflicht!
Andere Bundesländer setzen hier bereits die richtige Priorität und planen auch die Schwimm- und Erlebnisbäder im aktuellen Stufenplan komplett zu öffnen : Baden-Württemberg und Hessen. Bitte ziehen Sie nach! [6]
Last but not least: Die Schulkinder in NRW werden aktuell regelmäßig, zweimal wöchentlich, auf das SARS-CoV-2-Virus getestet. Es wäre für Kinder, Jugendliche und Familien eine sehr große Erleichterung, wenn Sie schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen den Testnachweis als Voraussetzung für den Schwimmbadbesuch erlassen, so wie es übrigens auch Niedersachsen in Teilen praktiziert. Eine zusätzliche Testpflicht für Kinder und Jugendliche, um ihnen endlich wieder den Zugang zum Gesundheitssport bzw. Überlebenstraining zu ermöglichen, stellt eine unangemessene Hürde dar.
Damit die Kinder und Jugendlichen wenigstens einen fast „normalen“ Sommer erleben können und ihre Schwimmfähigkeiten verbessern können, ist es dringend erforderlich, dass alle Kinder und Jugendlichen ohne zusätzliche Testpflicht ins Schwimmbad gehen dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Stefanie Seifert
Nina Meseke
Nadine Kirchhoff
Dr. Nicole Reese
Svenja Streich
Nele Flüchter
Dr. Franziska Reiß