Offene Briefe zu Kita-Öffnungen – „Was ist mit der vehement geforderten Kontaktminimierung?“

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Sehnsüchtige Botschaft am Zaun einer Kita im Frühjahr 2020, als nur Kinder von Eltern aus systemrelevanten Berufen betreut wurden. - Archivbild Rundblick Unna

Morgen starten die Kitas in den Pandemiebetrieb – die Eltern „sollen“ ihre Kinder zwar möglichst nicht schicken, dürfen es aber. Die Kitas bleiben, anders als die Schulen, geöffnet.

Zu dieser Entscheidung der NRW-Landesregierung, die seit ihrer Verkündigung am Mittwoch (5. 1.) für heftige Diskussionen sorgt, sind inzwischen mehrere offene Brief an Familienminister Joachim Stamp (FDP) adressiert worden. Ein Schreiben, das nicht mit einem Verfasser gekennzeichnet ist, wird aktuell in Social-Media-Gruppen von Erziehungskräften Kitamitarbeiter/innen eifrig geteilt.

So auch in einer WhatsApp-Gruppe von Mitarbeitenden einer Kita in Unna-Königsborn. Dort finden die Argumente, die in dem offenen Brief an Familienminister Stamp formuliert werden, viel Beifall, schrieb uns eine Leserin, die uns das Schreiben am heutigen Sonntagvormittag (10. 1.) zuleitete.

„Ich bin Kinderpflegerin und Tagesmutter und arbeite in Königsborn in der Kita. Wir haben eine WhatsApp Gruppe dort, und gerade hat eine Kollegin diese Nachricht geschickt.“ Der Brief stoße dort im KEEP-Team auf große Zustimmung.

Bei seiner Entscheidung, die Kinderbetreuungseinrichtungen – anders als die Schulen – auch im verlängerten und verschärften Shutdown ab Montag (11. 1.) weiter geöffnet zu lassen, hatte sich Familienminister Stamp nach seiner Aussage eng mit den Vertreter/innen der Einrichtungen abgestimmt. Gleichwohl formulieren die Verfasser des Offenen Briefes massive Kritik.

Offener Brief zu der Lage in den Kitas in NRW

Sehr geehrter Herr Stamp, sehr geehrter Herr Laschet, liebe Kitaleitungen, die dem Ministerium so hilfreich zur Seite gestanden haben,

die derzeitige Struktur in Deutschland sieht vor, dass so wenige Kontakte wie möglich stattfinden sollen. Es soll erste Eingriffe in Persönlichkeitsrechte geben, indem ein Bewegungsradius bestimmt wird.

Warum gilt diese so vehement vertretene Struktur der Kontaktminimierung nicht für Kitas?

27 Menschen auf ca. 30 qm fallen demnach nicht unter die o.g. Strukturen, das Betreten der Kita zu bestimmten Zeiten, mit im Durchschnitt mind. 50 Personen, die sich mit ihren Kindern durch eine Haustür bewegen fallen ebenfalls nicht darunter. Wir bitten hiermit um eine klare Antwort auf die eine gestellte Frage.

Von dieser Antwort erhoffen wir uns eine Einsicht, die mit dem gesunden Menschenverstand nachvollziehbar – eben logisch – ist.

Unser gesunder Menschenverstand sagt uns derzeit:

1. Kita-MitarbeiterInnen (Kindertagespflege, OGS) haben nicht das gleiche Ansehen und den gleichen Wert wie andere Professionen, z. B. Lehrer, da sie ohne Abstand und ohne Hygieneformen beim Wickeln, Essen, Nase putzen, Niesen der Kinder usw. auskommen können.

2. Kita-Mitarbeiterinnen müssen nicht geschützt werden, denn sie haben selbst keine Familie oder nahestehende Menschen, die sie geschützt wissen wollen.

3. Kinder, die im letzten Sommer zur Schule gekommen sind, sind höher gefährdet als die Kinder, die noch in der Kita sind, obwohl sie nur wenige Wochen älter sind.

4. Ein Ministerium in Deutschland erlaubt sich zu priorisieren, welche Menschen zu schützen sind und welche nur etwas oder gar nicht.

Zur Klarstellung: Wir sind alle bereit unsere Arbeit zu tun, aber nicht dazu bereit, unausgegorene Pläne (die jede Kita nun allein mit Eltern aushandeln muss), die vielleicht Stundenreduzierungen aber nicht Kontaktreduzierungen vorsehen, zu erfüllen. Bei etwas gutem Willen: Es gibt tatsächlich andere Möglichkeiten, Eltern zu unterstützen.

Zudem stellen sich rechtliche Fragen: Auf welcher Grundlage entscheidet ein Staat, welche Menschen zu schützen sind und welche nicht, und des Weiteren, wer ist haftbar zu machen bei dem Ausbruch dieser Krankheit, wenn ein Staat Menschen zu einer täglichen Vielzahl von Kontakten auf kleinstem Raum nötigt?

Diese Fragen sollten juristisch zu klären sein.

Wir sind auf Ihre Antwort sehr gespannt und stellen uns gern, so, wie die oft angeführten, das Ministerium unterstützenden Kitaleitungen zu einem Gespräch zur Verfügung, es sei denn, es werden nur Kitaleitungen ausgewählt, die mit diversen politischen Meinungen konform gehen.

P.S. Helden der Pandemie? Helden sind die Leute, die man vorschiebt, damit man selber nichts abbekommt…“

Symbolbild Pixabay

In einem weiteren Offenen Brief stellt die Bildungsgewerkschaft GEW NRW am 7. 1. 21 folgende Forderungen an Minister Stamp:

Kitas in der Corona-Pandemie nicht vergessen! Erzieher/innen arbeiten unter Hochdruck!

Erzieher/innen arbeiten seit Beginn der Corona-Krise unter Hochdruck. Sie hat noch klarer gemacht, was bereits schon zuvor in den Kitas galt: Der Fachkräftemangel erschwert es ihnen und dem weiteren sozialpädagogischen Personal, ihrem Auftrag gerecht zu werden, und erhöht den Druck.

Veränderungen sind dringend notwendig, die Kitas dürfen in der Pandemie nicht vergessen werden – lautet der Appell der GEW NRW an die Politik in einem offenen Brief an Familienminister Dr. Joachim Stamp.

„Die letzten Monate haben noch einmal deutlich gezeigt, welche Schlüsselrolle den Kitas während der Corona-Krise und bereits davor zukam und -kommt. Die Erzieher/innen und weiteren Fach- und Ergänzungskräfte in den Kitas arbeiten seit Monaten unter Hochdruck – und das ohne Maske und Abstandsgebote, immer im Sinne der Kinder“, unterstreicht GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern in dem Schreiben an den Minister.

Gemeinsam mit den Beschäftigten aus der Praxis hat die Bildungsgewerkschaft fünf konkrete Forderungen aufgestellt und erwartet, dass diese ernst genommen und umgesetzt werden. Die Forderungen reichen

  • von einer verlässlichen Test- und Impfstrategie
  • über eine bessere Informationspolitik mit mehr Handlungssicherheit
  • bis zu konkreten Maßnahmen zur personellen Verstärkung in den Kita-Einrichtungen.

Die GEW-NRW verlangt, dass Kitas die Möglichkeit erhalten, adäquat auf den Personalmangel zu reagieren.

GEW-Chef Maike Finnern verdeutlicht: „Konkret heißt das, die Öffnungszeiten müssen reduziert werden, wenn es die Personalsituation vor Ort nicht anders zulässt. Wenn keine Alltagshelfer in den Kitas sind, müssen die Erzieher und Ergänzungskräfte den Hygieneplan erfüllen, damit bleibt weniger Zeit für bspw. Teamsitzungen, Vor- und Nachbereitung oder sonstiges.“  

Aus Sicht der Bildungsgewerkschaft brauchen Kitas darüber hinaus auch ein Signal der Wertschätzung für die Beschäftigten. Schließlich arbeiteten seit dem 17. August 2020 die Kitas wieder im Regelbetrieb – in der Regel ohne Masken und Abstand.

Kinder benötigten den sozialen Kontakt zu ihren Bezugspersonen in der Kita und dieser funktioniere nicht zuletzt über Mimik, Gestik und auch über körperliche Nähe, heißt es in dem Forderungskatalog der GEW NRW. Fazit und abschließende Forderung der GEW-Landeschefin: „Die Erzieher/innen und weitere Beschäftigte in den Kitas leisten einen enormen Beitrag zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Systems. Die Zahlung einer Corona-Prämie noch in diesem Jahr ist aus Sicht der GEW NRW angebracht.“

Berthold Paschert, Pressesprecher der GEW NRW

2 KOMMENTARE

  1. Problematisch finde ich hier, dass eine Kita aus einem größeren Trägerverband ausschert und namentlich genannt wird. Ich hoffe mal, dass das keinen Stress gibt

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