„Es waren emotionale, vor allem aber herzliche Momente, mit denen sich am Dienstagvormittag im Hellweg-Museum Unna ein Kreis schloss, der vor 18 Jahren mit einem Sederteller und der Suche nach seiner Herkunft begann“:
So leitet die Stadt Unna eine Pressemitteilung vom heutigen Dienstag ein, 2. April, die wir hier wörtlich wiedergeben.
Der US-Amerikaner Joel Kaufmann, Nachfahre der jüdischen Familien Brandenstein, die bis 1938 an der Bahnhofstraße 25 lebte, war mit seiner Frau Susan nach Unna gekommen und besuchte gemeinsam mit Bürgermeister Dirk Wigant und dem Ersten Beigeordneten Sandro Wiggerich den Ausstellungsbereich „Spuren jüdischen Lebens“, der seit einem Jahr Teil der Dauerausstellung des Hellweg-Museums Unna ist.
Ermöglicht wurde dieser Ausstellungsbereich durch Joel Kaufmann, der den Sederteller dem Hellweg-Museum Unna als Schenkung überließ. Sederteller werden am Sederabend, dem Auftakt zum Pessach-Fest, verwendet. Das mehrtägige Fest gehört zu den wichtigsten jüdischen Festen und erinnert an die Befreiung der Israeliten aus Ägypten durch Mose.
Großzügige Schenkung an das Hellweg-Museum Unna
„Es ist mir eine große Freude, Sie heute in unserer Stadt begrüßen zu können und Ihnen zu zeigen, wie wir das Andenken Ihrer Eltern und Großeltern bewahren“, sagte Bürgermeister Dirk Wigant bei einer kleinen Feierstunde im Museum, „es ist keinesfalls selbstverständlich, dass Sie uns so persönliche Objekte wie Familienfotos und Briefe überlassen haben, damit wir sie nutzen können, um die Spuren jüdischen Lebens in Unna anschaulich nachvollziehen und künftigen Generationen vermitteln können.“
Joel Kaufmann und sein Cousin schenkten dem Hellweg-Museum nicht nur den Sederteller ihrer Großeltern, Kaufmann überließ dem Museum auch zahlreiche persönliche Gegenstände aus dem Nachlass seiner Mutter.
Der Großvater von Joel Kaufmann, Julius Brandenstein, war Kaufmann und betrieb ein Textil- und Konfektionsgeschäft an der Bahnhofstraße 25, wo die Familie auch lebte. Im Jahr 2006 erwarb das Hellweg-Museum Unna einen Sederteller, der aus einer Haushaltsauflösung in der Bahnhofstraße 25 stammte.
Vermutlich war der Sederteller in dem Wohn- und Geschäftshaus geblieben, als die Familie im November 1938 aus Unna fortzog.
Obwohl bekannt war, dass die Kinder der Familie Brandenstein, Kurt und Lotte, in die USA hatten emigrieren können, führte der Versuch von Museumsleiterin Dr. Beate Olmer, Angehörige der Familie Brandenstein/Rosenmeyer ausfindig zu machen, erst Anfang 2020 zum Erfolg. Joel Kaufmann, der Sohn von Lotte Kaufmann (geb. Brandenstein), und Dennis Branden, der Sohn von Kurt Brandenstein, konnten in den USA aufgespürt werden. Die sogenannte Provenienzforschung, also die Prüfung der Herkunft von Museumsobjekte, und die sogenannte Restitution – die Rückgabe – unrechtmäßig entzogenen Kulturguts gehören zu den zentralen Aufgaben von Museen.
Mahnung für künftige Generationen
Im Dezember 2020 gab die Kreisstadt Unna den Sedereteller formell an Dennis Branden und Joel Kaufmann zurück, die sich dazu entschieden, den Sederteller dem Hellweg-Museum als Schenkung zu überlassen.
Für den 78-jährigen Joel Kaufmann war der Besuch in Unna eine emotionale Reise in die alte Heimat seiner Eltern – und gleichzeitig ein Besuch bei Freunden, wie er betonte.
„Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Geschichte meiner Familie bewahren“, sagte Kaufmann, „es ist schön zu sehen, dass auf diese Weise junge Menschen etwas lernen können:
Meine Familie ist eine ganz normale Familie; was meinen Eltern und Großeltern damals widerfahren ist, kann jedem passieren.
Deswegen ist es gerade heutzutage so wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen und nicht aufhören, daraus zu lernen.“
Für seine großzügige Schenkung an das Hellweg-Museum und die damit verbundenen Dienste für das jüdische Leben in Unna hat Bürgermeister Dirk Wigant Joel Kaufmann die Ehrennadel der Kreisstadt Unna verliehen.
Am Anfang des Berichtes dachte ich mir erst:
Wo ist denn der GRÜNE Sandro Wiggerich? Der muß doch auch auf jedes Pressewerbefoto des Bürgermeisters mit drauf.
Dann tauchte er aber schnell auf :-).