„Niemand hilft uns – wir haben nur noch Angst. Wir fühlen uns völlig im Stich gelassen…“
Ein verzweifelter Hilferuf erreichte unsere Redaktion am gestrigen Montag (11. Oktober) aus dem Unnaer Süden. Dort leiden drei Mietsparteien in einem Mehrfamilienhaus unter fortgesetzter Schikane und Bedrohung eines einzelnen Mitmieters.
Bereits eine dreistellige Zahl von Anzeigen liege gegen den hochaggressiven und offenbar psychisch beeinträchtigten Mann vor, der am vergangenen Freitag als vorläufigen Höhepunkt mit einem Messer Bewohner im Hausflur bedrohte.
Während ein Räumungsverfahren angelaufen ist und der Mann auf unabsehbare Zeit weiter in dem Haus wohnt, trauen sich die anderen Mieterinnen und Mieter inzwischen kaum noch in ihre eigenen Wohnungen.
„Er ist unberechenbar. Wir leben in ständiger Angst davor, was er jetzt gerade wieder anstellt.“
Das sagt uns eine der betroffenen Mieterinnen, Sabine M. (Name geändert), die sich am Montag in ihrer Verzweiflung an unsere Redaktion wandte. Wir führten mit ihr ein längeres Telefongespräch. Sie schildert die Vorfälle in dem Mietshaus schriftlich wie folgt (wir geben ihre Darstellung ungekürzt und wörtlich hier wieder).
Sabine M. schreibt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wende mich an Sie, weil wir uns nicht mehr anders zu helfen wissen und wir der Meinung sind, dass so etwas an die Öffentlichkeit muss.
Wir wohnen in einem Mietshaus einer Wohnungsgesellschaft im Unnaer Süden. Wir sind 4 Parteien im Haus. Im Mai ist ein neuer Mieter zu uns gezogen.
Er war von Anfang an komisch, teilweise sehr auffällig, viel nachts im Haus unterwegs, schließt alle Türen hinter sich ab, auch wenn er nur eine Minute im Keller ist etc..
Seit ca. 2 Monaten hat der Mann keinen Strom mehr, da fing alles an, aus dem Ruder zu laufen.
Er brach den Stromkeller auf, klaute bei jedem Mieter Strom, legte Kabel quer durch den Keller über seinen Balkon oder über die Hauswand durch sein Schlafzimmerfenster.
(Fotos: Privat)
Wir haben die Wohnungsgesellschaft und natürlich auch die Polizei in Kenntnis gesetzt. Die Polizei war auch mehrfach hier, hat es aufgenommen. Die Anzeigen laufen.
Dann fing er an, uns alle Sicherungen vom Strom zu klauen, Allgemeinstrom für Hausflur und draußen zu kappen.
Wir standen hier dann ohne Strom, teilweise war dadurch kein Internet und Fernsehen mehr in der ganzen Straße. Auch das nahm die Polizei auf. Wir sind teilweise tagelang im dunklen Hausflur hier rumgelaufen.
Dieser Mann ist ganz klar psychisch krank. Er fing dann an, wirre Sachen zu erzählen. Die Stadtwerke hätten seinen Strom nicht weggenommen, das wäre Agata gewesen, eine böse Frau von nebenan. Mittlerweile wissen wir, dass Agata eine polnische Influenzerin ist.
Die Polizei hat alles fotografiert, dass das Stromkabel in seinem Schlafzimmer lag. Er sagt, nein, das war er nicht, das waren die bösen Leute von nebenan.
Er hat versucht, in die anderen Wohnungen einzubrechen, wenn wir nicht da waren, hat Türen mit dem Feuerzeug bearbeitet, hat meinem Nachbarn einen Winkel an die Tür geschraubt. Wenn der zu Hause gewesen wäre, wäre er nicht mehr aus seiner Wohnung gekommen.
Er hat uns Penisse an die Türen gemalt, darunter „Agata“ geschrieben. Er hat meinen Nachbarn bedroht, der seinen 7-jährigen Sohn zu Besuch hatte, er solle den Keller aufschließen zum Stromkeller, sonst würde ein Unglück passieren. Der Sohn hat das mitbekommen und bitterlich geweint … dann ist er zum Keller, hat geschrien, aufmachen, hat mehrmals vor die Tür getreten …
Alles wurde der Polizei mitgeteilt, weitere Anzeigen wurden geschrieben und uns wurde immer gesagt: Wir können nichts machen, wir haben keine Handhabe.
Die Polizei selber hat uns teilweise unmöglich behandelt. Sie müssten -zig Stunden im Büro Berichte schreiben, die Anzeigen schreiben etc. – ob wir uns denn bedroht fühlen würden durch die Penisse, die er gemalt hat?
Es ist unfassbar, wie wir teilweise behandelt wurden.
Die Vivawest hat mittlerweile eine fristlose Kündigung ausgesprochen, und inzwischen liegt die Sache wohl auch am Gericht wegen Zwangsräumung …aber es müssen Fristen eingehalten werden, hieß es.
Vorletzte Woche und Anfang dieser Woche war jeden Tag die Polizei hier. Ich habe dann am Montag das Ordnungsamt per Mail über die Umstände hier informiert, mit Bildern… mittlerweile hatte man einem Besucher von mir die ganze Autotür eingetreten, dabei wurde er auch gesehen. Wieder Anzeige erstattet.
Das Ordnungsamt war am Mittwoch dann mit einer Psychologin hier bei ihm, nichts passierte weiter. Im Gegenteil, man hat bei der Wohnungsgesellschaft um ein Gespräch gebeten wegen der fristlosen Kündigung, die man doch zurücknehmen sollte! – Das passiert zum Glück nicht!!
In Eigenregie haben wir mehrfach mit dem Bruder von diesem Mann gesprochen, der sehr nett ist, und um Hilfe gebeten. Er hat alles versucht. Er möchte selber, dass sein Bruder in eine Klinik kommt, da er offensichtlich nicht nur ein psychologisches Problem hat, sondern auch noch Drogen da mit rein spielen. Auch er hatte schon versucht, das Ordnungsamt und die Psychologin zu erreichen, leider bis jetzt erfolglos.
Am Freitag wollte meine Freundin und Nachbarin wie jeden Mittag meinen Hund abholen und kam mit dem Schlüssel nicht mehr in meine Wohnung. Das Schloss war manipuliert.
Sie hat meinen einen Nachbarn von oben um Hilfe gebeten, dieser kam dann runter und wurde Zeuge, wie der andere Nachbar meine Freundin mit einem Messer im Hausflur bedrohte. Er stach zweimal mal in die Flurwand.
Die beiden haben sofort den Notruf gewählt und mich auch informiert. Ich habe sofort meine Arbeit abgebrochen und bin nach Hause, wo die Polizei schon dabei war, die Anzeigen zu schreiben. Der Nachbar machte trotz mehrerer Versuche der Polizei die Tür nicht auf – und unglaublicher Weise passierte wieder nichts, die Polizei fuhr wieder.
Wir haben dann ca. 3 Stunden auf den Schlüsseldienst gewartet, damit ich wieder in meine Wohnung kam. Völlig aufgelöst mit den Nerven. Am Ende haben ich und ein weiterer Mieter beschlossen, nicht mehr dort zu schlafen, ich habe schon mehrere Male woanders übernachtet aus Angst.
Der Mieter, der hier geblieben ist, rief mich dann gegen 20:15 an, dass wieder das absolute Theater im Haus gewesen wäre, diesmal aber wohl, dass der Mann, der uns das alles hier antut, selbst zusammengeschlagen wurde. Er wurde in der Nacht zu Behandlung mit ins Krankenhaus genommen, kam in derselben Nacht aber wohl wieder nach Hause.
Symbolbild, Quelle RB Rettungswagen. (Archivbild RBU)
Wie kann es sein, dass sowas passiert? Wie kann es sein, dass Vermieter, Polizei, Ordnungsamt und Psychologen so versagen und einem nicht helfen?
Wir haben mittlerweile mitbekommen, dass der Mann Anzeigen im dreistelligen Bereich am Laufen hat, dass er wirklich krank ist. Er veröffentlicht auf Instagram einen total verrückten Text, wegen einer Agata, wo jeder sofort sieht, er ist psychisch krank. Und er setzt unter diesen Text öffentlich unsere komplette Adresse.
Jetzt ist die Situation nicht nur so, dass wir Angst vor ihm haben müssen, sondern auch noch vor den Leuten, die ihn hier besuchen kommen und ihn zusammenschlagen. Und keiner hat eine Handhabe!?
Auch er muss ja geschützt werden, so wie es aussieht.
Ich bin 53 Jahre, habe einen Enkel von 7 Jahren, der sehr viel Zeit bei mir verbringt. Aktuell kann ich ihn nicht hierher kommen lassen. Der Sohn meines Nachbarn kommt nach dem Vorfall nicht mehr hierher. Wir sind alle nervliche Wracks, weil uns Schlaf fehlt, weil man nur noch aufpassen muss, wann man wo hingeht. Ich gehe nicht mehr alleine in den Keller, abends nicht alleine mit dem Hund, jeder spricht ab, wann und wo ER gerade ist, ob man zu Hause schläft oder nicht, jeder schließt sich hier ein, Fenster, Türen zu.
Das ist für uns drei hier kein Leben mehr.
Trotz allem haben wir den Bruder jetzt gebeten, bitte den Weg zum Ordnungsamt und zu der Psychologin noch einmal zu suchen, damit seinem Bruder und damit vielleicht auch uns geholfen wird. Wir möchten jetzt nur noch eins, ein halbwegs normales Leben wieder leben können.
Man zweifelt an allem mittlerweile. Polizei, Ordnungsamt, Sozialmedizinischer Dienst – keiner kann helfen und uns schützen?
Anscheinend muss man erst ein Messer zwischen den Rippen haben. Ich frage mich wirklich, ob unsere Rechtssprechung keinen Schutz vor so etwas hergibt. Oder ob Menschen da einfach nicht ihre Arbeit machen.
Wir hoffen, dass uns irgend jemand helfen kann.“
Das sagt die Stadt Unna:
Stadtsprecher Christoph Ueberfeld teilte uns auf Nachfrage mit:
„Unser Ordnungsamt steht diesbezüglich im Austausch mit Organisationseinheiten anderer Behörden.“
Die Polizeiwache Unna. / Archivbild RB
Das sagt die Kreispolizeibehörde Unna:
Polizeisprecherin Vera Howanietz teilte uns auf Nachfrage mit:
„Wie von den Betroffenen geschildert, wurden die zu Grunde liegenden Straftaten zur Anzeige gebracht und werden durch das zuständige Kommissariat bearbeitet. Es erfolgt eine abgestimmte Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeiten.“
Einweisung nach Psych.KG:
Die Unterbringung nach PsychKG beschreibt die Unterbringung von Personen, bei denen Anzeichen einer psychischen Krankheit bestehen, die psychisch erkrankt sind oder bei denen die Folgen einer psychischen Krankheit fortbestehen.
Psychische Krankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind behandlungsbedürftige Psychosen sowie andere behandlungsbedürftige psychische Störungen und Abhängigkeitserkrankungen von vergleichbarer Schwere.
Gründe
Die Anordnung von Unterbringung nach PsychKG ist eine Schutzmaßnahme, wenn auf Grund einer psychischen Krankheit gewichtige Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung oder eine Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer bestehen. Eine Unterbringung wird auf Antrag der örtlichen Ordnungsbehörde im Benehmen mit dem sozialpsychiatrischen Dienst vom zuständigen Amtsgericht angeordnet.
Voraussetzungen
Es müssen folgende Voraussetzungen für die Anordnung von Unterbringung nach PsychKG gegeben sein:
- Beim Betroffenen liegt eine psychiatrische Erkrankung vor, von der eine akute Eigengefährdung und/oder Fremdgefährdung ausgeht.
- Ein ärztliches Attest über die Erfüllung o.g. Punkte liegt vor.
Ziel
Ziel der Unterbringung nach PsychKG ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
Mittel
Bei akuter Gefährdung erfolgt eine Zwangsmedikation. Es ist jedoch keine Dauermedikation erlaubt.
Verlauf
- Antrag/ärztliches Zeugnis
- Einreichung des Antrags
- wenn Amtsgericht besetzt -> Einreichung des Antrags
- falls Amtsgericht nicht besetzt -> Zustellung des Antrags durch Bereitschaftsdienst/Feuerwehr -> Antrag zum Amtsgericht, sobald der Antrag durch Bereitschaftsdienst/Feuerwehr zugestellt ist, (Briefkasteneinwurf genügt) ist der Antrag rechtskräftig.
- binnen 24 Std. richterliche Anhörung
Der genehmigte Antrag ist 6 Wochen lang gültig. Er kann um weitere 6 Wochen verlängert werden, danach nur noch durch ein Gutachten.
Alternative
Alternativ zur Unterbringung nach PsychKG kann bei psychisch erkrankten Personen eine Unterbringung nach Betreuungsrecht erfolgen.
https://flexikon.doccheck.com/