SPD-Jubel in drei Städten – Bürgermeisterbeben in Fröndenberg – AfD bis 22 %: So unterschiedlich wählten die Menschen im Kreis Unna

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Riesige Erleichterung bei der Unnaer SPD, hier am letzten Samstag vor der Wahl am Infostand in der Fußgängerzone. Nach 5 Jahren gegen eine schwarzgrüne Mehrheit im Rat sind die Genossen wieder als größte Fraktion zurück. Jetzt hoffen sie noch auf wieder einen SPD-Bürgermeister. (Foto RB)

Der Kreis Unna hat gewählt.

Der gemeinsame Nenner aller 10 kreiseigenen Städte und Gemeinden nach diesem Wahlsonntag ist das erwartet starke Abschneiden der Alternative für Deutschland – und gleichzeitig bestätigten die Wähler grundsätzlich ihr Vertrauen in die weiterhin beiden größten Parteien SPD und CDU.

Mit kreisweit 17 Prozent und in Bergkamen fast 22 Prozent ist die AfD auch im Kreis Unna in den kommunalen Parlamenten angekommen. In viele zog sie erstmals ein, in anderen vervielfachte sie ihre Mandate.

Dies und das Absacken der Grünen nach deren Höhenflug 2020 auf vormalige Normalstärke sind die vielleicht einzigen Gemeinsamkeiten bei den Wahlergebnissen von Selm ganz in Norden bis nach Schwerte im Süden des Kreises.

Die teils gravierenden Unterschiede zeigen, dass Kommunalwahlen – trotz Einflüssen durch die Bundespolitik – doch letztlich ihren eigenen Gesetzen folgen und stark von den Personen und der politischen Arbeit vor Ort abhängen.

Höchst erleichtert dürften das besonders die Sozialdemokraten im Kreis registriert haben.

Ihr Landrat Mario Löhr braucht noch nicht einmal in die Stichwahl. Der Selmer ließ seinen Herausforderer Marco Morten Pufke, wie schon 2020, bereits im ersten Wahlgang mit 58 Prozent deutlich hinter sich.

An die Spitze setzte sich die SPD sowohl im Kreistag als auch in Kamen, Bergkamen, Bönen, Holzwickede, Schwerte und Lünen.

Sowie – zur besonderen Freude der Genossen und für manche wohl selbst völlig unerwartet – auch wieder in der Kreisstadt Unna.

Dort hatten es die Genossen in den letzten 5 Jahren mit einer schwarzgrünen Abstimmungsgemeinschaft unter CDU-Bürgermeister Dirk Wigant zu tun. Diesen zwang sein SPD-Herausforderer Hartmut Ganzke mit lediglich 3 Punkten Rückstand in die Stichwahl am 28. September. Alles ist damit noch offen.

Auch in weiteren Städten werden Stichwahlen um den Bürgermeisterposten fällig.

Ein Schock war der Wahlabend für die sozialdemokratische Bürgermeisterin Fröndenbergs, Sabina Müller. Bei der Wahl 2020 noch mit klarer Mehrheit als Nachfolgerin von Friedrich-Wilhelm Rebbe (SPD) gewählt, hatte sich Müller im jetzigen Wahlkampf von ihrer Partei abgekoppelt. Wir berichteten.

Offenbar ging diese Strategie jedoch schief. Denn mit lediglich 25,5 Prozent – ein Desaster für eine Amtsinhaberin – blieb Müller noch hinter dem Ergebnis ihrer Partei, das mit 26,5 Prozent ebenfalls desaströs ausfiel.

Müllers CDU-Herausforderer Dirk Weise geht jetzt mit einem satten Vorsprung von 44,4 Prozent in die Stichwahl am 28. September.

Ein völlig anderes Bild bietet sich in Kamen, wo SPD-Bürgermeisterin Elke Kappen erneut im Amt bestätigt wurde und knapp an einer Stichwahl vorbeischrammte.

Noch größer war der Genossenjubel in Schwerte, wo Bürgermeister Axourgos ein Durchmarsch gelang und seiner Partei gleich mit dazu.

Demgegenüber muss Bergkamens Bürgermeister Bernd Schäfer am 28. September noch einmal ran – lediglich 6 Prozentpunkte Vorsprung trennen ihn von CDU-Bewerber Richard Heinze.

In allen Rathäusern ebenso wie im Kreishaus stellt sich nach dieser Wahl die Frage nach dem Umgang mit der AfD.

Da überall von Brandmauern auszugehen ist, dürften sich oftmals, wie auf Bundesebene, „große Koalitionen“ aus SPD und CDU zusammenfinden, zumal die Räte in vielen Kommunen farbiger und inhomogener zusammengesetzt sind als bisher.

Der Blick auf die Ergebnisse in den zehn Städten und Gemeinden in alphabetischer Reihenfolge.

Bergkamen – die AfD-Hochburg mit offener Bürgermeisterfrage

In der Nordbergstadt muss Bürgermeister Bernd Schäfer (SPD), der 2020 dem ungemein populären langjährigen Stadtchef Roland Schäfer folgte, um seine Wiederwahl bangen. CDU-Herausforderer Richard Heinzel kam auf über 30 Prozent.

Über 20 Prozent der Bergkamener Wähler entschieden sich für die in Schwerte wohnende AfD-Kandidatin Junghanns-Hurek. Ihre Partei erzielte bei der Ratswahl mit fast 22 Prozent das beste Ergebnis im Kreis – 7 Prozent über Landesdurchschnitt NRW.


Bönen – ein neuer parteiloser Bürgermeister ist gewählt

Die Bönener bekommen einen parteilosen neuen Bürgermeister.

Nils Böckmann, gemeinsamer Kandidat von CDU, Grünen, BgB und FDP, ließ seinen SPD-Konkurrenten mit 64,5 Prozent klar hinter sich und wurde direkt gewählt.

Im neuen Gemeinderat ergibt sich fast ein Patt zwischen SPD und CDU, mit hauchdünnem Vorsprung für die SPD. Die AfD war in Bönen nicht angetreten, dafür drei kleinere Wählergruppen.


Fröndenberg – ein Schock für die SPD und ihre Bürgermeisterin

In der Kleinstadt an der Ruhr sieht es nach 5 Jahren erneut nach einem Bürgermeisterwechsel aus.

Sabina Müller (SPD), die 2020 noch mit klarem Vorsprung durch Stichwahl gegen den damaligen Beigeordneten Günther Freck (CDU) als Chefin ins Rathaus einzog und ihren jetzigen Wahlkampf ohne „SPD“ auf ihren Plakaten bestritt, bekam von den Wählern eine schallende Ohrfeige verpasst.

Mit desolaten 25,5 Prozent blieb sie noch unter dem schlechten Ergebnis ihrer Partei und muss nun in der Stichwahl in zwei Wochen einen Vorsprung von fast 20 Prozent gegen den CDU-Kandidaten Dirk Weise aufholen.

Ob ihr das gelingen kann, ist fraglich. Es hängt wohl mit davon ab, ob die Freie Wählergemeinschaft, deren populärer Kandidat Matthias Büscher erneut ein sehr gutes Ergebnis einfuhr, eine Wahlempfehlung für einen der beiden Kandidaten ausspricht.

Wenn zu viele Genossen es ihrer Bürgermeisterin übel nehmen, sich im Wahlkampf derart von ihrer Partei abgekoppelt zu haben, und wenn zugleich die dem Westen und Dellwig zugeneigten FWG-Wähler den Dellwiger Dirk Weise favorisieren, dann war es das für Sabina Müller.

Der neue Fröndenberger Rat, der klar von der CDU dominiert wird, bietet noch eine Besonderheit:

Vermutlich als einziger Stadt in ganz NRW ist dem liberal-konservativen „Bündnis Deutschland“ hier der Einzug ins Kommunalparlament gelungen. Das BD ist mit zwei Sitzen im Fröndenberger Rat vertreten.

Die AfD trat in der Ruhrstadt nicht an.


Holzwickede – wo die AfD sich vor den Bürgerblock schiebt

Die kleine Emschergemeinde steht ebenfalls vor einer Bürgermeisterstichwahl. Hier gab es für keinen der Bewerber ein eindeutiges Votum, nachdem Bürgermeisterin Ulrike Drossel (Bürgerblock) nicht wieder angetreten war.

Achtfarbig bunt präsentiert sich, wie in Unna, auch der neue Gemeinderat von Holzwickede, mit der SPD an Nummer 1 und der AfD als neuer Kraft, die sich vor den etablierten Bürgerblock geschoben hat.


Kamen – auf die nächsten 5 Jahre mit Kappen

In Kamen steht Bürgermeisterin Elke Kappen (SPD) vor ihrer dritten Amtszeit.

Die frühere Beigeordnete unter dem damaligen Bürgermeister Hermann Hupe (SPD) konnte um Haaresbreite den Gang in die Stichwahl vermeiden, in die sie CDU-Kandidat Eisenhardt und AfD-Bewerber Lehmann hatten zwingen wollen.

Der neue Rat in Kamen besteht wie in Unna und Holzwickede aus 8 Parteien, unter denen die AfD auch hier drittstärkste Kraft ist.

Auch „Die PARTEI“ ist, wie in Holzwickede, wieder Teil des kommunalen Parlaments.


Lünen – größte Stadt im Kreis mit offener Bürgermeisterfrage und einer Vision

In der größten Stadt im Kreis ist die Frage nach dem nächsten Bürgermeister völlig offen.

Nachdem Amtsinhaber Jürgen Kleine Frauns aufgrund der Negativschlagzeilen um seinen wegen Pädophalie verurteilten früheren Vize auf eine erneute Kandidatur kurzfristig verzichtet hatte, liefern sich sein Beigeordneter Klicki von der CDU und Martina Förster-Teutenberg von der SPD jetzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Ein sehr gutes Ergebnis holte auch Andreas Dahlke von der Wählergemeinschaft Gemeinsam für Lünen.

9 Parteien und Wählergruppen werden den nächsten Lüner Stadtrat bilden, mit der Besonderheit der Kleinpartei „Vision“.

Die AfD holte mit Ratsfrau Friederike Hagelstein ihr einziges Direktmandat im Kreis und setzt sich auch in Lünen auf den dritten Platz. Hier mit deutlichem Vorsprung vor den Grünen, die noch um 4 Punkte hinter der GFL landen.


Schwerte – rotgrüne Oase im Kreis

Satter Durchmarsch für den SPD-Bürgermeister, ein klarer Vorsprung für seine Partei im neuen Rat und – als einzige Kommune im Kreis – die Grünen vor der AfD.

Die Ruhrstadt Schwerte hat bei der Kommunalwahl die Fahne für Rotgrün hochgehalten.

Dimitrios Axourgos geht gestärkt in eine weitere Amtszeit, die CDU – ansonsten kreis- wie landesweit auf der Siegerstrecke – muss sich mit deutlichem Abstand mit Platz 2 begnügen.


Selm – wo der Bürgermeister noch aufholen muss

Die Kleinstadt ganz im Norden des Kreises steht vor einer Stichwahl zwischen Heinz-Georg Mors (CDU) und Amtsinhaber Thomas Orlowski.

Der Stadtchef landete 6 Prozentpunkte hinter seinem christdemokratischen Herausforderer und muss nun noch einiges an Wählerschaft mobilisieren, will er Bürgermeister bleiben.

Im Selmer Stadtrat dominiert während der nächsten fünf Jahre unter insgesamt 7 Gruppierungen die CDU. Die SPD landet deutlich dahinter, die AfD sichert sich auch in Selm den dritten Platz, mit einem Sitz mehr als die Grünen.


Werne – das einzige Refugium für die FDP

In Werne an der Lippe findet ebenfalls am 28. 9. noch einen Bürgermeisterstichwahl statt, wobei der SPD-Kandidat mit mehreren Nasenlängen Vorsprung ins Rennen geht.

Als einzige Stadt im Kreis und wohl als eine von ganz wenigen in NRW ist Werne noch ein Refugium für die FDP.

Der liberale Bürgermeisterbewerber Christoph Dammermann hat es in die Stichwahl gegen Lars Hübchen (SPD) geschafft, und im Rat landete die FDP haarscharf vor den Grünen auf den dritten Platz. Beide bekommen gleichwohl je 4 Sitze.

Die AfD ist auch in Werne nicht angetreten.


Unna – die Kreisstadt, in der die SPD ihr Revival feiert

In der Kreisstadt Unna schließlich ist die SPD als stärkste Kraft im Rat zurück.

Insbesondere dem Parteivorsitzenden Sebastian Laaser plumpste am Wahlabend mit Blick auf die einlaufenden Ergebnisse ein wahres Gebirge von der Seele. Hatten er und andere Genossen nach der Bundestagswahl im Februar doch schlimmste (blaue) Szenarien in den beiden größten Stadtteilen befürchtet.

Die AfD hatte am 23. Februar in einigen Königsborner und Massener Wahllokalen über 30 Prozent abgeräumt.

Das Schlimmste aus SPD-Sicht ist nicht eingetreten, wenngleich die AfD erwartet stark abschnitt und im neuen Unnaer Rat mit 8 Vertretern präsent sein wird.

Die SPD konnte jedoch zugleich wieder deutlich zulegen und nach ihren 5 Jahren in der Opposition (gegen eine schwarzgrüne Abstimmungsmehrheit) vier Ratssitze zurück erobern.

Die Grünen, die in Unna traditionell eine größere Stammwählerschaft haben als in anderen Städten, landen nach ihrem bundesweit bedingten Höhenflug von 2020 wieder auf ihrer für Unna gewohnten Größe und müssen 5 Sitze im Rat räumen.

8 Grüne sitzen im neuen Rat, genau so viele wie AfD-Vertreter.

Nicht mehr im Rat vertreten ist die Freie Liste Unna (FLU), neu drin sitzt dafür Volt.

WfU büßt einen der 4 Sitze ein, die Linke schafft 2, die FDP rettet sich – nach ihrem schlechten Ergebnis von 2020 – erneut mit einem Mandat in den jetzt erheblich größeren Rat.

Die Bürgermeisterwahl ist in Unna so ausgegangen wie von den meisten erwartet.

Amtsinhaber Dirk Wigant (CDU), der es mit einem starken SPD-Herausforderer zu tun bekam, muss am 28. September gegen Hartmut Ganzke in die Stichwahl, die er 2020 gegen die damalige SPD-Kandidatin Katja Schuon nur haarscharf gewann.

Das Rennen um den Bürgermeisterposten gilt in Unna jetzt als völlig offen. Nachdem die Grünen sich in der letzten Ratsperiode mit der CDU zusammengetan hatten, ist es jetzt fraglich ist, ob ihr komplett neues Team ebenfalls wieder Wigant unterstützen wird.

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