Beschwichtigungen, Klartext, Medienschelte: CDU-Podium „Sicherheit in NRW“ in Unna mit Reul und Ostermann

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Podium in der Unnaer Stadthalle zum Thema Sicherheit in NRW am 13. August 2025. (Foto RB)

Beschwichtigungen, Klartext und die schon obligatorische Medienschelte hörten die Teilnehmer und Gäste des Diskussionspodiums „Sicherheit in NRW“ am Mittwochabend, 13. August, in der Stadthalle Unna.

Wohl auch dem Hochsommerwetter geschuldet, blieben die Besucherreihen trotz des prominent besetzten Podiums eher luftig gefüllt.

Zu Gast bei den veranstalteten Senioren-Union Unna waren der Innenminister von NRW, Herbert Reul, und Manuel Ostermann, Vizevorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft. Beide sind in der CDU, ebenso wie Bürgermeister Dirk Wigant, der das Podium zusammen mit dem langjährigen früheren Leiter des Unnaer Rettungswesens, Olaf Weischenberg, komplettierte.

In seinem Impulsvortrag ging Minister Reul an einigen Punkten durchaus auch selbstkritisch auf Versäumnisse ein – sowohl der aktuellen als auch der Vorgängerregierungen.

So etwa bei der konsequenten Verfolgung von Pädophalie / sexuellen Straftaten gegen Kinder im Internet, Kinderpornografie, die erst viel zu spät ganz oben auf die Prioritätenliste der Polizei in NRW gerückt sei.

„Wir haben alle versagt“, stellte Reul fest und meinte damit nicht nur die Strafverfolgungsbehörden.

Es sei aber nun einmal nicht so, dass der Rechtsstaat nicht (mehr) funktioniere. Das tue er.

Vieles gehe noch zu langsam, an vielen Stellen hake es noch. Dann bekomme der Bürger etwa mit, dass Intensivkriminelle auch nach Dutzenden Festnahmen immer wieder laufen gelassen werden, dass „keine ausreichenden Haftgründe“ bestehen, dass auch auf schwere Straftaten wie Raubüberfälle nur Bewährung erfolgt, weil der Täter in irgendeiner Weise strafmildernde Umstände geltend machen konnte.

Dies alles sei in der Außenwirkung leider bestens dazu angetan, Wasser auf die Mühlen derer zu gießen, die den Rechtsstaat als solchen in Frage stellten, warnte Herbert Reul.

„Die Frage ist: Kriegen wir es hin, schaffen wir es alle gemeinsam,dass sich diese Bedenkenträger nicht durchsetzen? Wenn sie sich nämlich durchsetzen, haben wir verloren.“

Nähere Ausführungen zu diesen „Bedenkenträgern“ machte Reul nicht, auch die anderen Podiumsteilnehmer nannten keine gesellschaftliche Gruppe und keine Partei namentlich.

Der NRW-Innenminister warb bei seinem Auftritt in der Stadthalle Unna immer wieder um Geduld und eine faire Beurteilung des schon Erreichten.

„Der Eindruck, dass auf eine Anzeige nach einer Straftat keine Konsequenzen für den Täter folgen, Delikte nicht verfolgt und Verfahren eingestellt werden, ist natürlich fatal“, gestand Reul zu.

„Null Toleranz der Polizei macht keinen Sinn ohne Null Toleranz der Justiz.

Doch unsere Staatsanwälte und Richter haben so viele Sachen, die kriegen sie nicht verfolgt. Das ist ein Riesenproblem. Das müssen wir in den Griff kriegen.“

Aber dadurch, dass inzwischen Probleme offen benannt würden (wie Clankriminalität oder eben Kinderpornografie), sei ein ganz wichtiger Schritt getan, so der CDU-Politiker. Denn:

„Die meisten Probleme, die wir heute haben, haben wir, weil wir sie nicht früh genug benannt haben.“

Benannt wurde bei der mehrstündigen Veranstaltung in der Stadthalle mancher Punkt, andere (wie z. B. Messerangriffe) blieben ausgespart.

Thematisiert (durch Vorgabe der Moderatorin und Unnaer CDU-Chefin Beatrix Wieczore) wurden z. B. Angriffe auf Polizisten und Retter, die mangelnde Abstimmung und digitale Vernetzung zwischen Landespolizeien und Bundespolizei oder der Nachwuchsmangel bei der Polizei – den gibt es nicht, ganz im Gegenteil, erklärten Reul und Ostermann zur offensichtlichen Überraschung der Diskussionsleiterin. Bundes- wie Landespolizei können sich vor Bewerbern kaum retten, auch wenn natürlich längst nicht alle qualifiziert seien.

Unnas CDU-Vorsitzende übernahm in ihrer Moderatorinnenrolle den Part der Beschwichtigungen und erging sich, wie schon bei vorangegangen öffentlichen Auftritten, in wenig dezenter Medienschelte. So brachte sie Reuls Impulsvortrag auf dem verkürzten Nenner:

„Wir können also festhalten: Der Rechtsstaat funktioniert. In Medien und Presse entsteht oft ein ganz anderer Eindruck. Manchmal, wenn in bestimmte Blasen reinhört, würde man am liebsten sagen: Leute, schaut mal woanders hin, dann wisst ihr, wie gut ihr es hier habt.“

So ganz blumig wollte das Polizeigewerkschafter Manuel Ostermann allerdings nicht stehen lassen. Von Wieczorek befragt nach „den größten Baustellen bei der Bundespolizei“ erwiderte der für seine prägnanten (und manchmal provokanten) Äußerungen bekannte Gewerkschaftsvize unverblümt:

„Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll.

Die Bundespolizei ist ein Fass ohne Boden. An den Bahnhöfen erleben wir Gewaltexplosionen in steigendem Ausmaß.

Künstliche Intelligenz, Ausstattung, gemeinsame Streifen, all das muss noch viel mehr vestärkt und ausgebaut werden.“

Die für Ostermann wichtigste Frage benannte er klar:

„Wie wollen Bund und Land bei der Migration zusammenarbeiten? Derzeit sind bis zu fünf Behörden für eine einzige Person zuständig. Wir müssen die Verfahren bei der Migration dringend bündeln, das sehe ich als eine der dringlichsten Aufgaben.“

Minister Reul hakte bei diesem Punkt ein:

„Die Menschen haben große Erwartungen im Wahlkampf gehabt und sind jetzt fundamental enttäuscht.

Ich verweise jedoch auf eine entsprechende Initiative von drei Bundesländern, die alle schwarzgrün regiert werden: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

Dass die Grünen bei einer solchen Initiative mitmachen ist ein Novum. Das hätte es früher nie gegeben.“

Die drei schwarzgrün regierten Bundesländer hatten eine gemeinsame Initiative zur Begrenzung der irregulären Migration und zur Stärkung der inneren Sicherheit in den Bundesrat eingebracht. Sie beinhaltet unter anderem Forderungen nach einer besseren Grenzsicherung und einer schnelleren Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern. Es wird auch eine stärkere Zusammenarbeit der Bundesländer bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen gefordert. 

Hintergrund dieser Initiative war die wachsende Sorge über die gestiegenen Flüchtlingszahlen und die damit verbundenen Herausforderungen für die Kommunen und die Gesellschaft. Die beteiligten Bundesländer sehen Handlungsbedarf und wollen mit ihrem Vorstoß eine gemeinsame Linie in der Migrationspolitik forcieren. 

v.li. Innenminister Herbert Reul, Bürgermeister Dirk Wigant, Polzeigewerkschaftsvize Manuel Ostermann, Olaf Weischenberg. (Foto RB)

Fragen zur Sicherheit auf lokaler Ebene, vor Ort in Unna, gab es bei der Veranstaltung in der Stadthalle auch. So wurde aus zuvor schriftlich gestellten Publikumsfragen etwa eine herausgezogen, deren Verfasser wissen wollte, was die Stadt Unna für die Sicherheit bei ihren öffentlichen Veranstaltungen tue.

Bürgermeister Wigant verwies dazu auf die neu angeschafften Oktablocks und mobilen Fahrzeugsperren, die erstmals bei der Festa Italiana zum Einsatz kamen.

Kooperationen mit anderen Städten, um die Kosten zu senken, habe man zuvor ausgelotet, doch „wenn Unna Weihnachtsmarkt hat, haben eben auch die meisten anderen Städte Weihnachtsmärkte.“ Deshalb hat die Kreisstadt jetzt ihr eigenes 600.000 Euro-Sicherheitspaket, aus Bürgermeistersicht ist jeder Euro zu rechtfertigen, denn es gehe um die Sicherheit.

Olaf Weischenberg, der langjährige früherer Leiter des Unnaer Rettungsdienstes, erklärte zur Frage „Angriffe auf Rettungskräfte“, dass das Problem in Unna – zum Glück – nicht so extrem sei.

„In 18 Monaten gab es eine Anzeige. Das Problem ist, dass der Respekt gesellschaftlich schwindet. Oder dass maßlos reagiert wird, unsere Leute angespuckt werden.

Anspucken fällt dann nicht unter Körperverletzung. Aber auch darauf muss eine Strafe resultieren. Sonst verfestigt sich in der Gesellschaft der Eindruck: Ist ja nicht so schlimm. Das darf man ja.“

Reul pflichtete dieser Feststellung bei:

„Das Problem ist diese Haltung, die sich in der Gesellschaft immer mehr verfestigt: Wenn ich was will und nicht kriege, schlage ich zu.“ Dagegen helfen aus Reuls Sicht aber nicht ständig schärfere Strafen. Es müsse sich etwas im Bewusstsein allgemein ändern.

„Ich wünsche mir mal irgendwann Großdemonstrationen für den Rechtsstaat und die Demokratie.“

Schließlich wurde noch die Frage der Moderatorin nach dem Nachwuchsmangel bei der Polizei für sie offensichtlich überraschend dahingehend beantwortet, dass es keinen Nachwuchsmangel gibt – weder bei der Landes- noch bei der Bundespolizei.

Minister Reul nannte rund 10.000 Bewerber auf jährlich 3000 Stellen bei der Polizei NRW, die Bundespolizei, so Polizeigewerkschafter Ostermann, kann für 3500 Stellen unter 21.000 Bewerbern auswählen.

„Das Problem sind die Bewerberprofile. Denn gewisse Hürden müssen wir halten“, betonte Manuel Ostermann.

Unausgesprochen schwang natürlich mit, dass jede Aufstockung an Polizeistellen das Land bzw. den Bund viel Geld kostet.

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