Selbsthilfe für Eltern nichtbinärer Kinder stieß auf Welle von Häme und Verachtung: „Was ist aus uns geworden?“

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Ein Appell an Dich – und an uns alle.“

So titelt ein langjähriger Leser des Rundblicks Unna seine Gedanken, die er zusammenfasste, nachdem wir am Wochenende eine kurze Meldung über eine geplante neue Selbsthilfegruppe in Unna veröffentlichten – eine Gruppe für Eltern nicht binärer- und Transkinder.

Die Gruppe ist privat, sie kostet den Steuerzahler nichts, höchstens einen vom Kreis Unna gestellten Raum für ein- bis zweistündige Zusammenkünfte alle paar Wochen.

Dieser kurzen Ankündigung folgten gleichwohl auf unserer Facebookseite unmittelbar derartige Wogen von Verachtung, Häme und Hass, dass wir – was wir bisher erst dreimal vorher getan haben – die Kommentarfunktion für den Artikel am Sonntagabend einschränkten.


Dieser Leser hat die Diskussionen am Samstag verfolgt. Hier sind seine Gedanken dazu.

„Ich frage mich in letzter Zeit immer öfter: Was ist aus uns geworden? Was ist aus der Menschlichkeit in uns geworden?

Vielleicht hast Du es auch schon gespürt – diese zunehmende Kälte, diese Schärfe in unseren Worten und Taten.

Der Grund, warum ich schreibe, ist eine kleine Nachricht, die große Wellen geschlagen hat: Eine Selbsthilfegruppe für Eltern von trans- und nonbinären Kindern wurde angekündigt. Ein Beitrag von Rundblick Unna.

Eigentlich eine leise, unterstützende Geste. Doch was folgte, war eine Welle aus Spott, Häme und Verachtung. Und ich frage mich: Wie konnte das geschehen?

Warum greifen wir einander so oft an, wo doch so viel Schmerz in der Welt ohnehin schon existiert?

Vielleicht hast Du das auch schon erlebt. Vielleicht weißt Du, wie es ist, zu einer Minderheit zu gehören – sei es durch Deine Herkunft, Deine Überzeugungen, Deine Lebenssituation. Vielleicht warst Du auch schon einmal in der Rolle, in der Du nur einen kleinen Halt gesucht hast – und stattdessen Ablehnung erfahren hast.

Wenn ja, dann weißt Du, wie tief solche Wunden gehen können.

Ich glaube, wir alle haben etwas vergessen: Niemand von uns ist nur Teil einer Mehrheit. Wir alle tragen in irgendeiner Weise den Stempel der Andersartigkeit. Und genau deshalb sollten wir doch zusammenhalten.

Denn wie können wir anderen helfen, wenn wir uns selbst ständig spalten?

Ich frage Dich: Was bringt es, mit dem Finger auf andere zu zeigen? Führt es wirklich weiter, jemanden niederzumachen, nur um sich selbst stärker zu fühlen?

Oder ist es nicht vielmehr ein Zeichen von Schwäche, von innerer Leere, wenn wir andere herabsetzen?

Ich bin überzeugt: Stärke zeigt sich in der Fähigkeit, andere zu verstehen, zuzuhören und die Hand zu reichen – auch wenn es unbequem ist.

Wir leben in einer Zeit, in der sich vieles online abspielt. Social Media könnte so viel Gutes bewirken, doch es scheint oft eher das Gegenteil zu sein: ein Ort, an dem wir unsere Schatten ausleben, an dem wir unsere dunkelsten Gedanken auf andere projizieren.

Aber frage Dich: Willst Du wirklich Teil eines solchen Systems sein? Willst Du zu der wachsenden Distanz zwischen uns beitragen?

Ich glaube, tief in uns wissen wir, dass das nicht der richtige Weg ist. Du weißt das. Ich weiß das. Wir wissen, wie es sich anfühlt, respektlos behandelt zu werden. Warum also tun wir es anderen an?

Ich wünsche mir, dass wir innehalten. Dass wir erkennen, wie wertvoll es ist, einander mit Respekt zu begegnen – gerade dann, wenn es schwerfällt.

Es geht nicht nur um Minderheiten. Es geht um uns alle. Wenn wir nicht mehr wissen, wie wir nicht behandelt werden wollen, dann verlieren wir etwas, das uns als Menschen ausmacht.

Ich schreibe Dir nicht, um Schuld zuzuweisen, sondern um zu erinnern: Wir können besser sein. Du kannst besser sein. Ich kann besser sein.

Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir unsere Gemeinschaft wiederfinden. Lass uns lernen, einander zu sehen, statt uns zu bekämpfen. Denn nur so können wir stark sein – für uns selbst und für die, die unsere Stärke dringend brauchen.

  • Mit nachdenklichen, aber hoffnungsvollen Grüßen: Jens Kritzler, Schwerte

1 KOMMENTAR

  1. Holla Jens, aufwachen, Traum vorbei. Wenn die Generation von ihren arbeitenden Eltern allein gelassen wird und sich dann verlaufen und sich dann selbst am nächsten ist, ist es zu spät . Dann taucht deine Nachricht erst jetzt auf in der Hoffnung…. das ein Umdenken geschieht? Naja viel Glück reicht da nicht

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