„Der 35-jährige Deutsche aus Dortmund…“, „… ein 26-jähriger Algerier“ oder „… trafen Einsatzkräfte einen 34-jähriger Deutsch-Marokkaner aus Holzwickede an“: In den Pressemitteilungen der Kreispolizei Unna fiel Anfang September 2022 plötzlich eine Neuerung auf.
Die Behörde unter Pressechef Bernd Pentrop und Landrat Mario Löhr (SPD) als Leiter der KPB nannte nun initiativ, also ungefragt, die Täterherkünfte.
Gut zwei Jahre später ist die Behörde plötzlich wieder von ihrer Offenheit abgerückt.
Eine Begründung gab es nicht, eine Anfrage unserer Redaktion vom 23. 12. 2024 blieb ohne Erklärung. Polizeisprecherin Jana Ebbinghaus zitierte lediglich die seit 2011 geltende Richtlinie des Innenministeriums: „Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist.“ Auf genau diese Richtlinie hatte sich jedoch schon Ebbinghaus´ Vorgänger als Polizeisprecher, Christian Stein, berufen, als er uns vor zwei Jahren erklärte, wieso die Polizei Unna jetzt die Herkünfte nennt.
Anlass unserer Anfrage war die Meldung über einen aggressiven Ladendieb in der Drogerie Müller in Unna – der, wie einstmals, als „34-jähriger Mann aus Unna“ bezeichnet wurde statt als „34-jähriger Armenier“.
Damit lassen die Pressesprecher der Unnaer Kreispolizei Informationen über Nationalitäten möglicher Täter wieder aus Pressemitteilungen heraus und geben sie nur auf Nachfrage an Medienvertreter. Dazu ist die Polizei NRW auf der Basis des Landesmediengesetzes im Übrigen verpflichtet.
Diese Auskunft „auf Nachfrage“ bezüglich der Täterherkünfte ist auch bei den meisten anderen Landes-Polizeipressestellen Usus.
Die Unnaer Behörde verfolgte bei jugendlichen Tatverdächtigen zum Teil einer noch strikteren Linie: Von dieser Tätergruppe erfuhr die Öffentlichkeit bisher weder die Herkunft noch das Alter, auch nicht auf Nachfrage von Medienvertretern.
Diese Nichtnennung sogar des Alters in manchen Fällen begründete die Pressestelle der KPB Unna gegenüber unserer Redaktion mehrmals mit dem besonderen Persönlichkeitsschutz Minderjähriger.
Doch bei vielen Bürgern und auch vielen unserer Leser stieß diese Art von „Täterschutz“ auf großes Unverständnis und Kritik, gerade wenn es sich um jugendliche Gewalt- und Intensivtäter handelte.
Überraschend entschloss sich die Unnaer Polizeipressestelle im Frühherbst 2022 dann zu größerer Offenheit.
Sie nannte seit Montag, 5. September, in ihren auf dem öffentlichen Polizeiportal eingestellten Meldungen sowohl die Nationalitäten mutmaßlicher Täter als auch das Alter minderjähriger Verdächtiger.
Mit dieser Transparenz zählte die KPB Unna weiterhin zum kleineren Teil der Landespolizeibehörden.
Völlig anders verfährt seit jeher die Bundespolizei. Diese führt auf ihrem Portal sowohl das Alter, den Wohnort als auch die Nationalität sämtlicher Beteiligter auf – der Täter/Tatverdächtigen, der Opfer und auch der Zeugen.
So weit ging die Unnaer Behörde nicht. Doch mit der nun ungefragten Nennung der Täterherkünfte wollte man auch in den eigenen Pressemitteilungen „mehr Transparenz“ bieten, begründete der damalige Unnaer Polizeisprecher Christian Stein (inzwischen Pressesprecher bei der Stadt Dortmund) die neue Linie auf Nachfrage unserer Redaktion.
Maßgeblich ist für polizeiliche Pressearbeit der Runderlass des NRW-Innenministeriums vom 15. 11. 2011. Nach diesem sind initiative Herkunftsnennungen von „Minderheiten“ gestattet, „… wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist“.
Diese Formulierung lässt nun zugegebenermaßen viel Interpretationsspielräume zu. Der jeweilige Pressemitteilungsverfasser muss stets im Einzelfall und gezwungenermaßen subjektiv entscheiden, ob es für das Verständnis des Bürgers „zwingend erforderlich ist“ zu wissen, ob ein Täter oder Tatverdächtiger Deutscher, Chinese, Marokkaner o. a. ist.
Den nun gewählten Weg, die Herkunft generell zu nennen, habe man sich „von höchster Stelle“ absichern lassen, bemerkt Stein.
„Wir werden die Reaktionen der Leute beobachten und sicherlich auch unsere Schlüsse ziehen.“
Ein erstes direktes Feedback bekam die KPB Unna gleich zum Start ihrer neuen Transparenz auf ihrer eigenen Facebookseite: Dort berichtete sie über einen kriminellen „Antänzer“ und sexuellen Belästiger auf dem Stadtfest und fügte hinzu, dass der (inzwischen inhaftierte) Verdächtige Algerier sei. Dies wurde von Foristen mit sofortigem Lob quittiert.
Jedoch, so unterstrich der Unnaer Polizeisprecher:
„Es bleibt jedem Medium freigestellt, welche Informationen es aus dem Angebot unserer Pressemitteilungen übernimmt – und auf welche es verzichtet.“
Das NRW-Innenministerium unternahm im August 2024 den Vorstoß, bei Informationen über Straftaten künftig immer die Nationalität der Tatverdächtigen zu nennen. Das Ziel: Transparenz schaffen, Spekulationen vermeiden.
Dieser Vorstoß stieß sowohl auf Lob als auch auf Skepsis und Kritik.
hWährend die FDP-Opposition den Plan des CDU-Innenministers Herbert Reul (CDU) begrüßte, formulierten der Deutsche Journalistenverband (DJV) und der NRW-Landesintegrationsrat scharfe Kritik. Beide befürchten negative Folgen für Menschen mit ausländischen Wurzeln.
Der Landesintegrationsrat nannte die geplante Änderung „problematisch und gefährlich“. Trotz des Ziels, Transparenz zu schaffen und Spekulationen zu vermeiden, könnten durch die Nennung der Nationalität Vorurteile und rassistische Stereotype verstärkt werden.
„Durch die Nennung der Nationalität von Tatverdächtigen entsteht bei der Bevölkerung der Eindruck, dass diese entscheidend für das kriminelle Verhalten ist.“
Dies könnte den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden.
Der Integrationsrat führte dazu aus:
Laut Studien wird Kriminalität – auch in NRW – primär durch drei wesentliche Faktoren bestimmt: sozialer Status, Geschlecht und Alter. Herkunft oder Migration spielten dabei keine entscheidende Rolle, so der Integrationsrat. Menschen aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen sind häufiger in Straftaten verwickelt, bedingt durch Ungleichheiten in Bildung, Einkommen und Lebensbedingungen.
Statistiken zeigten zudem, dass Männer, besonders junge Männer, überproportional häufig Straftaten begehen, unabhängig von ihrer Herkunft.
Der Deutsche Journalistenverband plädierte aus ähnlichen Gründen dafür, Täterherkünfte wie bisher nur in „begründeten Fällen“ zu nennen und nicht generell.
Bei den Polizeipressestellen im Land und Bund herrscht nach wie vor keine einheitliche Linie. Einige Beispiele aus dem Verbreitungsgebiet des Ausblicks am Hellweg und des Rundblicks Unna:
Die Bundespolizei nennt, von wenigen Dienststellen abgesehen, die Herkunft von Tätern, Tatverdächtigen und auch Opfern von Straftaten grundsätzlich.
Die Polizei Dortmund nennt die Herkunft auch auf Presseanfrage nur noch in Ausnahmefällen. Hintergrund waren massive Anfeindungen gegen die Dortmunder Polizei, nachdem bei einem Einsatz in der Nordstadt am 8. 8. 2022 ein 16-jähriger senegalesischer Flüchtling durch Schüsse aus einer Polizei-Maschinenpistole starb. Selbst in Publikationen des DJV (Deutschen Journalistenverbandes) wurden die eingesetzten Polizisten noch vor Beginn des Strafprozesses als „Mörder“ bezeichnet. Seither gibt es kaum noch Auskünfte zu Täternationalitäten.
Die Kreispolizeien Unna – Update: Diese ist zum Jahresende 2024 wieder von ihrer Transparenz abgerückt – und Soest schreiben die Herkünfte seit ca. eineinhalb bzw. zwei Jahren grundsätzlich in ihre Pressemitteilungen über Straftaten.
Beide begründeten diesen Schritt mit mehr Transparenz und einer Vermeidung des Vorwurfs, die Polizei wolle Ausländerkriminalität „vertuschen“.
Die größte Kehrtwende vollzog dabei die Soester Polizeipressestelle, deren früherer Leiter die Nationalität von Straftätern zuvor nicht einmal auf Nachfrage preisgab: Er allein entscheide, was in einer Pressemitteilung wichtig sei und was nicht.
Die meisten polizeilichen Pressestellen, so auch zum Beispiel Hamm oder Märkischer Kreis, nennen die Nationalitäten nicht initiativ, geben aber auf schriftliche oder mündliche Nachfrage stets bereitwillig Auskunft.
Unsere Redaktionen – Ausblick am Hellweg und Rundblick Unna – nennen seit jeher die Herkünfte immer, so weit es möglich ist. Unsere Gründe haben wir in diesem Artikel ausgeführt:
„Wieso wir Ross und Reiter nennen“
Hahaha….was für ein Land.
Vielleicht sollten diese Polizeipressestellen einmal die eigenen Worte Ihres Chefs – Innenminister Reul – lesen.
Hoffentlich ist Reul konsequent und besetzt diese Pressestellen anderweitig.
Wir werden eine Anfrage ans Innenministerium stellen, „interessierter Leser“, denn das interessiert uns auch selbst.
Ein Teil dieser Antworten könnte die Bevölkerung verunsichern.
Zum Kotzen.
Was hat man nur aus diesem Land gemacht.
Na sowas da hat jemand einfach den Stecker gezogen und gesagt, nee das verunsichert die Bürgerinnen und Bürger zu sehr. Ist ja kurz vor der Bundestagswahl und man möchte ich nicht manchen Parteien in die Karten spielen. Der unmündige Wähler 2.0.
Bitte bemühen Sie sich, weiter Ross und Reiter zu nennen.
Hallo Herr Bast, selbstverständlich tun wir das. Zur Auskunft auf Nachfrage ist die Polizei NRW verpflichtet.
Selbst wenn wieder Nationalitäten genannt werden, werden weiter relevante Informationen unterschlagen. Erst wenn zumindest die Vornamen der Täter ebenfalls integraler Bestandteil polizeilicher Meldungen sind, ergibt sich fûr den Bürger ein annähernd realistisches Bild.
Dann können wir unsere zeitraubenden Nachfragen ja einstellen, Herr „Mustermann“, das würde unsere Arbeit sehr erleichtern. In diesem Sinne, guten Rutsch.