Es sei, so schrieb der Unnaer Bürgermeister, „nachvollziehbar, dass viele Menschen ihr Vertrauen in die Rettungsdienste angesichts der Vorfälle in Frage stellen.“
Nicht nur auf Zustimmung, sonder auch auf massive Kritik stößt bei den Rundblick-Lesern die Stellungnahme Bürgermeister Dirk Wigants (CDU) zu den Vorfällen beim privaten Rettungsdienst Reinoldus.
Nachdem auch durch überregionale Medien verbreitet worden war, dass Mitarbeiter bei Reindoldus makabre „Todeslisten“ geführt hätten über die Anzahl ihrer Einsätze mit Todesfolge, war ein Auszubildender der Feuerwehr Unna am Wochenende vor Weihnachten verbal angefeindet worden.
Wigant nahm dies zum Anlass, sich öffentlich von Reinoldus zu distanzieren, welcher die Stadt seit einigen Jahren bei den Rettungsdiensten ihrer Feuerwehr unterstützt.
Zu den ersten, die sich zu diesem Bericht auf unserer Facebookseite zu Wort meldeten, gehörte unser Leser Jochen H. (sein Name und seine Kontaktedaten sind der Redaktion durch schriftlichen Kontakt bekannt). Er kritisiert den Bürgermeister in aller Schärfe für seine Äußerungen und begründet das wie folgt:
„Herr Wigant distanziert sich also vom Rettungsdienst Reinoldus.
Von dem Rettungsdienst, der täglich seine Beamten der ihm in oberster Regie unterstellten Feuerwehr unterstützt.
Von dem Rettungsdienst also, der seit 2021 in seiner Stadt dafür Sorge trägt, dass er persönlich selbst nicht in Schwierigkeiten gerät, da er mit seiner Feuerwehr die Erfüllung der Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplanes jahrelang nicht hinterhergekommen ist.
Von dem Rettungsdienst, der noch schnell einen weiteren Krankenwagen für die Stadt Unna personell übernommen hatte, da seine Feuerwehr nicht mehr Willens und leistungsfähig war.
Herr Wigant, schämen Sie sich! Statt zu spalten, wäre es jetzt Ihre politische Verpflichtung gewesen, sich klar vor den GESAMTEN Rettungsdienst zu stellen und jetzt nicht in Schwarz und Weiß zu unterteilen.
Ihre Mitarbeiter im Rettungsdienst der Feuerwehr haben eine gewaltige Fluktuation, sie schieben einen immensen Berg an Überstunden vor sich her, die Mitarbeiter des Bauamtes laufen Ihnen in Scharen davon, dass das Amt kurz vor der Handlungsunfähigkeit steht.
Und Sie? Sie spalten, statt zu einigen.
Selbstverständlich ist die Liste inakzeptabel und es wurde jetzt in allen Gazetten berichtet.
Das Unternehmen war mehr als offen damit umgegangen, hat reagiert und sich davon offen distanziert, ist sogar von sich aus damit in Erscheinung getreten.
Ja, ganz klar war es menschliches Versagen Einzelner. Aber nicht ein Versagen des Unternehmens an sich!
Aber Sie persönlich versagen jetzt politisch und tragen den Trumpismus in unsere Stadt.
Ganz ehrlich: mit 100 km/h voll gegen den Baum!
Sie sollten lieber öffentlich eingestehen, dass Sie überhaupt nicht in der Lage sind, ohne Reinoldus den Rettungsdienst und Krankentransport mit Ihrer Feuerwehr aufrecht zu erhalten.
Die öffentliche Berichterstattung nimmt Ausmaße an, die das Potential haben, die Versorgungssicherheit im gesamten Kreis Unna zu destabilisieren und zu gefährden.
Weder die Feuerwehr noch die Hilfsorganisationen sind auch nur ansatzsweise in der Lage, solche Masse an Planstellen zu kompensieren. Sie kollabierten mit Ihrer Wehr und politischer Verantwortung bereits, als der Bedarfsplan Erweiterungen vorsah und unternahmen – NICHTS! Jahrelang! Es war Ihnen wichtiger, die Feuerwehr zu schützen als Ihre Bürger.
Nur so hatte das Unternehmen überhaupt die Möglichkeit, tätig zu werden. Auch jetzt brennt es bei der Feuerwehr an allen Ecken und Enden.
Ende 2023 waren Sie nicht mehr in der Lage, einen einzigen Krankenwagen zu besetzen. Sie hätten jedes Recht gehabt, den Vorfall der Liste ganz klar zu verurteilen – aber öffentlich zu spalten? NEIN! Das Ganze nimmt mittlerweile Ausmaße einer Hetzjagd an.
Gegen ein Unternehmen, dass im gesamten Kreisgebiet und auch in Ihrer Stadt täglich Ihre Bürger rettet. Für SIE! Und für uns ALLE!“
Auf dieses Statement antwortete Jochen H. ein Mitarbeiter des Reinoldus-Rettungsdienstes, dessen Name und Kontaktdaten der Redaktion durch Rücksprache ebenfalls bekannt sind.
Sven P. erklärt:
„Sehr geehrter Herr Jochen H.,
ich möchte mich herzlich für die klaren und unterstützenden Worte bedanken, die in einer Situation wie dieser unglaublich wertvoll sind.
Es ist für uns als Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens eine große Stütze zu wissen, dass es Menschen gibt, die unsere Arbeit und unser Engagement sehen und zu schätzen wissen.
Die aktuelle öffentliche Diskussion empfinde ich persönlich als äußerst belastend. Sie überschattet eine Arbeit, die wir jeden Tag mit größtem Einsatz und Herzblut leisten – für die Sicherheit und Gesundheit der Menschen in unserer Region.
Ich bin stolz darauf, Teil des Reinoldus Rettungsdienstes zu sein, und habe großen Respekt vor der Art und Weise, wie das Unternehmen mit der Situation umgegangen ist.
Die offene Kommunikation, das entschlossene Handeln und das professionelle Krisenmanagement verdienen höchsten Respekt. Es zeigt, dass wir als Organisation zu unseren Werten stehen und bereit sind, aus Fehlern zu lernen.
Vielen Dank, dass Sie die Situation differenziert betrachten und unsere Arbeit in den Vordergrund stellen. Das gibt uns die Kraft, trotz aller Herausforderungen weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger da zu sein.
Mit freundlichen Grüßen, Sven P.“
Jochen H. erwidert darauf noch kurz:
„Sven P., ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Ihre Arbeit durch die Berichterstattung nicht leicht ist. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen viel Kraft und danke Ihnen für die Erfüllung ihrer Aufgaben.
Wann immer ich mit Reinoldus im Einsatzgeschehen zusammengearbeitet habe, war ich stets von der Professionalität begeistert, mit denen ihr Unternehmen ihre Patienten und Patientinnen versorgt.
Ich kann deshalb nur eines ganz klar sagen: für den Kreis Unna sind sie im System eine klare Bereicherung und haben nicht nur Lücken geschlossen, sondern sind ein leuchtendes Beispiel dafür, wie ein privater Dienstleister auf diesem Sektor agieren soll. Weiter so und Kopf hoch!“
+++ Lesen Sie dazu auch: Statement des Reinoldus-Inhabers Peter Schröter +++
Anmerkung unserer Redaktion:
Nachdem die „Todeslisten“ durch einen Mitarbeiter von Reinoldus an ein einzelnes Medium getragen worden waren, hatte sich die Berichterstattung in rasender Schnelle verbreitet. Viele Leserinnen und Leser baten auch unsere Redaktion daraufhin darum, „diesen Skandal doch aufzugreifen“.
Wir haben in diesem Fall darauf verzichtet, weil uns der Erstinformant von Reinoldus nicht bekannt war und wir bei einem so brisanten Thema nicht ohne jegliche eigene Quelle einfach die Berichterstattungen aus anderen Medien wiedergeben wollten. Das erschien uns verantwortungslos und auch presserechtlich fragwürdig.
Generell berichten wir möglichst immer unter Hinzunahme von Primärquellen. Das war uns in diesem Fall nicht möglich.
Ein Thema wurden die Vorfälle am Wochenende für uns dann aufgrund der öffentlichen Stellungnahme des Unnaer Bürgermeisters.
Unsere Redaktion schließt sich den obigen Ausführungen der beiden Leser an und bittet herzlich darum, sich nicht an medialen „Hetzjagden“ zu beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen: Das Team des Rundblicks Unna.
[…] Auf diese Stellungnahme kam eine massive Kritik, die wir HIER als Lesermeinung veröffentlichten. […]
Das kranke an dieser ganzen Geschichte:
Was ist genau der Skandal an der Liste?
Es gibt anscheinend keinerlei rechtliche Verstöße.
Das ganze wirkt auf mich wie eine weitere Erscheinungsform des wiedererwachten Jakobinertums während des untergehenden linksgrünen Zeitgeistes. Da hat sich Herr Wigant wohl von der Berichterstattung einer unseriösen Tageszeitung am Nasenring durch die Manege führen lassen.
Das Verhalten des Bürgermeisters als „Trumpismus“ zu bezeichnen zeugt allerdings auch nicht von besonders intellektuelle Fähigkeiten des entsprechenden Leserbriefschreibers. Herr Wigant hat nicht ansatzweise den politischen Erfolg von Herrn Trump und auch nicht dessen Anerkennung bei hunderte Millionen Menschen weltweit. Zudem ist Herr Wigant auch nicht im Gegensatz zu Herrn Trump vom TIME Magazin zur „Person des Jahres“ auf dem Titelbild gekürt worden :-).
Gesamt gesehen kann man das Ganze wohl als eine unnötige peinliche Provinzposse abhaken. Sie zeigt aber auch, das anscheinend bei einigen die Nerven ziemlich blank liegen.
Für mich dient sie lediglich als Beleg dafür, daß in Zeiten einer sich auflösenden Gesellschaft die öffentliche Diskussionen immer bizarrer werden.
Während die Stadt Unna massive weitreichende strukturelle Probleme hat, streit man sich darüber, weil irgendwelche Mitarbeiter eines Rettungsdienstes Kreuze gemacht haben wenn sie bei der Schicht ein Todesopfer hatten.
Danke @schmunzler, dann bin ich ja nicht der Einzige, dem das Skandalöse der Geschichte entgeht. Etwas pietätlos, vielleicht. Aber es hätte auch nicht an die Öffentlichkeit gezogen gehört.
Da hätte der Chef mal am Öhrchen gezogen und gut.
Volle Zustimmung zum Text von Jochen H.
Wenn er allerdings mit „Trumpismus“ die betriebene Spaltung durch Hr. Wiegand meint, dann verwechselt er in den USA Ursache und Wirkung.
[…] um sog. „Todeslisten“ bei Mitarbeitern des privaten Rettungsdienstes Reinoldus und zum Umgang des Unnaer Bürgermeisters damit – erklärte sich zu einem gestern auf Rundblick veröffentlichten Meinungsbeitrag jetzt der […]
Die Stadt Unna erwähnt in ihrer Stellungnahme nur ohne weitere Hintergründe, das es bei dem Rettungsdienst Listen gab, auf denen die täglichen Todesopfer aufgeführt wurden. Mehr wird nicht aufgeführt.
Das wird wohl auch Praxis sein bei jedem Krankenhaus oder Beerdigungsinstitut. Die genaueren Umstände, warum dies bei dem entsprechenden Rettungsdienst besonders verwerflich ist und sich der Bürgermeister davon distanziert, werden dabei nicht begründet.
https://www.unna.de/news/kreisstadt-unna-distanziert-sich-von-vorfaellen-bei-privatem-rettungsdienst
Wer genauere Hintergründe über diesen „Skandal“ erfahren will und warum sich der Bürgermeister in diesem Fall von dem Rettungsdienst distanziert, muß wohl erst Geld an die örtliche Tageszeitung zahlen, die den Bericht darüber hinter einer Bezahlschranke versteckt hat und damit praktisch Geld verdient.
Der Pressesprecher, der die Öffentlichkeitsarbeit des Bürgermeisters betreut, ist der ehemalige langjährige Redaktionsleiter dieser Tageszeitung.