„Verstoß gegen geltendes Recht“: Beschwerde gegen millionenschweren Ausbau von Sonderschulen im Kreis Unna

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Grundschüler - Symbolbild Pixbay


„Gemeinsamer Unterricht ist Konsens – dennoch eine neue Förderschule im Kreis Unna?“

Dagegen stemmt sich ein Inklusions-Bündnis aus NRW.

Die Initiative DABEI hat gemeinsam mit „Gemeinsam Leben Gemeinsam Lernen NRW“ sowie dem NRW-Bündnis „Eine Schule für
Alle“ in der vergangenen Woche eine Kommunalaufsichtsbeschwerde bei der Bezirksregierung Arnsberg eingereicht.

Sie richtet sich gegen den Ausbau des Förderschulsystems im Kreis Unna. Dieser verstoße, so die Initiativen, gegen geltendes Recht.

Im Fokus der Beschwerde stehen mehrere Beschlüsse des Kreistages und der Verwaltung des Kreises Unna, die, so die Inklusionsbefürworter, „gegen die gesetzliche Pflicht zu mehr inklusiver Beschulung und entsprechender Entwicklungsplanung verstoßen.“

Insbesondere wird kritisiert, dass die Maßnahmen nicht im Einklang mit § 20 des Schulgesetzes NRW stehen, der das gemeinsame Lernen als Regelfall vorsieht.

„Der Kreis Unna vernachlässigt seine gesetzliche Verpflichtung zur Förderung des gemeinsamen Lernens“,

erklärt Uta Kumar, Sprecherin des NRW-Bündnisses „Eine Schule für Alle“: „Es ist höchste Zeit, dass der Kreis seine Maßnahmen im Sinne der inklusiven Bildung überdenkt und entsprechend anpasst.“

Noch im Dezember, so erinnert das Bündnis in einer Pressemitteilung vom heutigen Mittwoch (6. 3.), hatte der Kreistag selbst entsprechend den gesetzlichen Vorgaben beschlossen, dass der Kreis Unna als Träger der Förderschulen und die Gemeinden als Träger der Regelschulen zusammen ein inklusives Schulkonzept entwickeln sollen (Beschluss des Kreistags vom 12.12.23 zur Drucksache 292/23).

Ganz im Gegensatz dazu plant der Kreis Unna den Ausbau des Förderschulsystems mit Gesamtinvestitionen in Höhe von geschätzten 125 Millionen Euro.“ Insbesondere der kostspielige Neubau einer ganz neuen Förderschule in Lünen stößt auf erhebliches Unverständnis und wird als nicht wirtschaftlich kritisiert.

„Es ist nicht im besten Interesse der Gemeinden und der Bürger, millionenschwere Investitionen in Strukturen zu tätigen, die die
Entwicklung des gemeinsamen Lernens behindern“, betont Stefanie Krüger-Peter, Sprecherin der Initiative „DABEI“ im Kreis Unna.

Statt dessen plädieren die Organisationen dafür, die Ressourcen an Geld und Personal in einen gemeinsamen Unterricht zu investieren, der die Talente aller Schüler – mit und ohne Behinderung – durch kleinere Klassen und differenzierten Unterricht fördert.

Erfolgreiche Beispiele wie die Primus-Schulen, die es auch im Regierungsbezirk Arnsberg gibt, sollten Vorbild
sein. In Bundesländern wie Hamburg und Schleswig-Holstein besuchen mittlerweile weniger als 3 von 100 Schülern die
Förderschule – in NRW dagegen immer noch 5 (https://www.aktion-mensch.de/inklusion/bildung/hintergrund/zahlen-daten-undfakten/inklusionsquoten-in-deutschland).

„Vor 15 Jahren hat Deutschland die UN Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit verpflichtet, Sondersysteme
abzubauen, in einigen Städten und Kommunen hingegen werden neue Förderschulen gebaut“, kritisiert Henrich Berkhoff,
Vorsitzender der Initiative Gemeinsam Leben Gemeinsam Lernen. „Vor Ort sollte überlegt werden, dass die Umsetzung der UN
Resolution an der Basis anfängt und in die Zukunft wirkt.“

Noch einmal Stefanie Krüger-Peter: „Wir fordern eine verstärkte Kooperation zwischen dem Kreis und den örtlichen Schulträgern,
um eine inklusive Schulentwicklung endlich auch in der Praxis voranzutreiben.“

Die Bezirksregierung habe die Aufgabe, eine gleichmäßige Schulentwicklungsplanung aller Schulträger sicherzustellen, und die
Beschwerde zur Prüfung angenommen.

  • Pressemitteilung: Stefanie Krüger-Peter, Initiative DABEI im Kreis Unna

4 KOMMENTARE

  1. Bevor in Deutschland überhaupt darüber nachgedacht wurde, gab es schon den Inklusionsunterricht in den Niederlanden. Ich fand es immer traurig, das die betroffenen Schüler hier in Deutschland so wegisoliert unterrichtet wurden. Gemeinsames aufwachsen fördert das gemeinsame Verständnis enorm.

    Von der Einführung in Deutschland war ich allerdings dann nicht immer begeistert, weil die Schüler oftmals einfach in bestehende Klassen verpflanzt wurden, ohne die Schulumgebung ausreichend darauf einzurichten.
    Inklusionsunterricht in unserem maroden Schulsystem mit Mangel an Lehrkräften ohne intelligente und sehr aufwendige Einrichtungsanpassung kann sich für alle Beteiligten schnell ins Gegenteil verkehren. In einem Land, welches selbst für die klassischen Schüler keine ordentliche Schulumgebung hinbekommt, bin ich bei Inklusionsunterricht skeptisch.

    „Ja, wir wissen, daß das um sich schlagende und beissende Kind (extremfall) eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Lehrkräfte ist, aber wir haben für die nächsten Wochen eine zusätzliche Stelle als Schwangerschaftsvertretung ausgeschrieben, damit die Lage wieder besser wird. Der andere extra eingestellte Kollege fällt halt längere Zeit krankheitsbedingt aus, da müssen wir halt so lange etwas improvisieren. Wir konnten ja nicht ahnen, das die dritte Fachkraft zur Unterstützung so plötzlich wieder kündigt.“

    Zudem bin ich der Ansicht, das für einen vernünftigen Inklusionsuntericht kleine Klassen eine wichtige Voraussetzung sind. NRW hat bundesweit den höchsten Wert mit durchschnittlich 23,5 Schüler pro Klasse. 15 pro Klasse wären wohl beim Inklusionsunterricht optimal.
    Falls ich das nicht falsch verstanden habe, geht man in Deutschland wohl von einer Klassenstärke von 25 Schülern als Grundlage beim Inklusionsunterricht aus.

    Ein weiterer spontaner Gedanke:
    Bereits ab der 5. Klasse gibt es bereits schon reine I-Phone Unterrichtklassen, wo man gezwungen ist, dem Kind täglich der Datensammelkrake Apple auszusetzen. Wenn man in Fröndenberg bei der Gemeinschaftschule sein Kind vor dieser frühzeitigen Onlinesucht vor dem Pubertätsalter schützen will, muß man es halt in einer anderen Stadt anmelden. Eine Klasse, in der die meisten den ganzen Tag auf einen Bildschirm starren, stelle ich mir unvorteilhafter für einen Inklusionsunterricht vor.

  2. „Falls ich das nicht falsch verstanden habe, geht man in Deutschland wohl von einer Klassenstärke von 25 Schülern als Grundlage beim Inklusionsunterricht aus“

    Inklusive drei schwerstbehinderte Schüler.

    • Mit dem Geld könnte man kleinere Klassen schaffen. Das Ergebnis der Förderschule in Bergkamen? Von den 24 Schülern, die im letzten Jahr die Schule verlassen haben, sind 22 gleich in die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen gewechselt und bleiben ihr Leben lang Empfänger von Sozialleistungen. Die Klassen haben sieben Schüler und zwei Sonderpädagogen plus im Schnitt itt drei Integrationshelfer.. Wenn man dieses Personal in die Regelschulen geben würde, wäre Inklusion möglich, und. Die Schüler hätten später eine Chance.. Sie schreiben auch für Schüler mit Behinderungen? Wirklich? Wer sind diese Schüler?

  3. Haupt-, Real- und Gesamtschulen in Deutschland müssen alle behinderten Kinder aufnehmen, die sich bei ihnen bewerben, mit all den Belastungen, die das für den Schulbetrieb bedeutet. Egal ob die schulischen Rahmenbedingungen dafür vorliegen oder nicht. Die Gymnasien dagegen dürfen sich aussuchen, welche Behinderten in ihren Klassen Platz nehmen. (Stand 2019)

    https://www.welt.de/regionales/nrw/article194288065/NRW-Schulpolitik-Wenn-die-Inklusion-das-Gymnasium-aushebeln-soll.html

    Einen Schüler, der zum Bsp. niemals in seinem Leben Rechnen und Schreiben lernen wird, oder im Extremfall den ganzen Tag herumspuckt, beisst oder um sich schlägt, kann man zwar auf eine Realschule schicken, aber er wird dadurch keine besseren Chancen auf dem freien Arbeitsmarkt bekommen. Wenn schon bei Klassen mit sieben Schüler und zwei Sonderpädagogen plus im Schnitt drei Integrationshelfer von 24 Schülern nur 2 einen Abschluß schaffen. Selbst für Hauptschüler ohne starke Beeinträchtigungen ist es schon traurigerweise schwieriger auf dem regulären Arbeitsmarkt.

    Vorrangig finde ich ich es erst einmal wichtig, das Förderschüler durch Inklusion im normalen gesellschaftlichen Umfeld aufwachsen. Das ist schon einmal für die Zukunft ein wesentlicher Vorteil. Sie bereichern meiner Ansicht nach sogar eine Regelschule. Da geht es wohl weniger um Karrierechancen.

    Sie haben natürlich vollkommen Recht, das man mit dem Geld besser kleinere Klassen schaffen könnte. Mit den geplanten 125 Millionen für Förderschulen könnte man da eine Menge machen. Allerdings ist das eine sehr komplexe Aufgabe, die praktisch eine komplette Reform des Schulsystems erfordert. Diesen Ansatz von ihnen unterstütze ich voll, aber wie endet er in der Praxis, wo man kaum den regulären Schulbetrieb organisatorisch hinbekommt?

    Beruflich werden sie wohl selber genug Erfahrung haben, was bei solchen hehren Plänen letztendlich beim Öffentlichen Dienst am Ende heraus kommt, wo man im Gegensatz zur durchstrukturierten auf reiner Effektivität ausgerichteten Privatwirtschaft einen Konsens aus allen möglichen Beteiligten mit auch noch verschiedenen politischen Strömungen finden muß. Wie man dem Bericht entnehmen kann, bekommen die Träger der Förderschulen und die Gemeinden als Träger der Regelschulen zusammen kein inklusives Schulkonzept als Grundentwurf hin. Die sind schon mit dem normalen Alltagsgeschäft überlastet.

    In NRW gibt es kein kontinuierliches Schulkonzept über jahrzehnte hinweg, sondern je nach aktueller Regierung verschiedene pädagogische „Modewellen“. Die CDU Bildungsministerin Dorothee Feller (eigendlich vom Beruf her Juristin) hat noch die Grünen in der Koalition, die sicherlich sozialistischere Vorstellungen von einer Einheitsschule haben und zum Beispiel die Hauptschüler in die Realschulen integrieren möchten.

    Unabhängig von Inklusionsmodellen ist die Realität in den Regelschulen bereits schwierig genug (Stand 2023):

    https://www.landtag.nrw.de/home/aktuelles/meldungen-und-berichte/meldungen-berichte-und-informati/meldungen-und-berichte/2023/12/1412aspisa.html

    „Schulministerin Dorothee Feller (CDU) nannte die Ergebnisse der PISA-Studie „erschreckend“. Nach 2003 habe es zunächst einen Aufwärtstrend gegeben, in den vergangenen zehn Jahren hätten sich die Ergebnisse aber wieder verschlechtert. Grund sei zum einen die Corona-Pandemie. Hinzu komme eine veränderte Gesellschaft. Zu viele Kinder kämen aus bildungsfernen Familien, seien bei der Einschulung unruhiger und hätten einen deutlich geringeren Wortschatz. “
    (In den Niederlanden gab es diese Coronamaßnahmeeinschränkungen für Kitas und Schulen nicht wie in Deutschland, wo sie von Herrn Lauterbach und Herrn Wieler im Nachhinein als „unnötig“ bezeichnet wurden, da sie keine Auswirkung auf das Pandemiegeschehen hatten. Deutschland war Europameister bei der Dauer und Heftigkeit von Coronamaßnahmeeinschränkungen)

    „„Jedes vierte Kind in Nordrhein-Westfalen kann in der vierten Klasse nicht altersangemessen lesen und schreiben“, sagte Dr. Dennis Maelzer (SPD). Studienergebnisse zum Bildungsstand von Schülerinnen und Schülern seien „jedes Mal ein neuer Schock“. Längst sei klar, dass Handlungsbedarf für frühkindliche Bildung bereits in Kitas bestehe. Angesichts hoher Krankenstände von Erzieherinnen und Erziehern und hochverschuldeter Kita-Träger sei es jedoch kaum möglich, dem frühkindlichen Bildungsauftrag gerecht zu werden. Viele Träger stünden vor der Insolvenz“
    (Wir haben momentan nach den Coronamaßnahmen und Impfungen den größten Krankenstand seit Jahrzehnten)

    https://www.swr.de/wissen/lerndefizite-durch-corona-100.html

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