Unna-City: „Sie waren 8-10 km/h zu schnell, das habe ich geschätzt“ – Das sagt die Polizei dazu

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Abzweigung Flügelstraße / Gürtelstraße in der Unnaer City. (Foto Rinke)

Weil sie „8-10 km/h zu schnell“ durch die City fuhr, wurde unsere Leserin Astrid A. (ihr Name ist der Redaktion bekannt) am Freitag vergangener Woche auf der Flügelstraße/Ecke Gürtelstraße 15 Euro los. Ihre Tempoüberschreitung wurde von dem Beamten „geschätzt“, schrieb sie unserer Redaktion. Sie zahlte. „Ich hatte keine Lust auf weitere Diskussionen.“

In unserem Update zu dem am Wochenende veröffentlichen Artikel benennt Polizeisprecher Bernd Pentrop die Faktenlage aus seiner Sicht.

Astrid A. schilderte den Vorfall wie folgt:

„Ich hatte meinen Wagen im Parkhaus Flügelstraße geparkt. Beim Verlassen des Parkhauses überquerte gerade eine Dame im Rollstuhl die Straße. Sie kam von Rewe und fuhr quer zum hinteren Eingang von Woolworth.

Ich wartete, bis die Straße frei war, und fuhr langsam an. Einige Meter weiter, kurz vor dem Flammkuchenhaus, hielt mich die Polizei an.

Man sagte mir, ich sei „ca. 8-10 km/h zu schnell“ gefahren. Zulässig sind dort maximal 7 km/h.. Laut Polizei wäre ich dann ca. 15km/h gefahren… Schande über mich. Unmittelbar nach der Linkskurve ist dann wieder 20km/h.“

Ihr sei, so gesteht die Temposünderin wider Wissen, „noch nie ein Schild mit 7km/h aufgefallen. Fakt ist, er wollte 15 Euro. Da ich keine Lust auf weitere Diskussionen hatte, die eh nichts gebracht hätten, habe ich bezahlt.

Im Nachhinein fragte ich, wieviel ich denn genau gefahren sei. Daraufhin meinte er, man hätte es nicht gemessen, er hätte es aber geschätzt und das Geräusch der Beschleunigung vernommen.“

Diese Antwort fand Astrid A. nun doch reichlich unbefriedigend. „Ehrlich gesagt, bin ich total angepisst (sorry…), das ist für mich einfach nur eine subjektive Einschätzung der Geschwindigkeit und reine Schikane.

Ob sowas überhaupt zulässig ist, sei mal dahingestellt. Das musste ich jetzt mal loswerden. Gruß Astrid!“

Polizeisprecher Bernd Pentrop schätzt den Unnaer Fall folgendermaßen ein:

 „Die Polizei ist berechtigt, Geschwindigkeiten zu schätzen. Dazu gibt es auch zitierfähige Urteile, die sich in der Regel auf einen verkehrsberuhigten Bereich beziehen.

Zulässig ist die Schätzung demnach, wenn sie durch einen besonders in der Überwachung des fließenden Verkehrs geschult und erfahren Polizeibeamten stattfindet.

Es steht aber auch jedem Betroffenen frei, ein Verwarngeld abzulehnen.

Ob eine subjektive Schätzung der Geschwindigkeit für ein Knöllchen ausreicht, hat ein Urteil des Amtsgerichts Dortmund (Az.: 729 OWi-261 Js 2511/17-379/17) bezüglich einer 30erZone anders beantwortet:

Ein Polizeibeamter hatte in einer Tempo-30-Zone einen Autofahrer angehalten, der keine Fahrzeugpapiere vorweisen konnte. Der Polizist verhängte daraufhin ein hohes Bußgeld wegen nicht angepasster Geschwindigkeit sowie ein Verwarnungsgeld in Höhe von 10 Euro.

Der betroffene Autofahrer legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Das Gericht gab ihm Recht: Der Polizist konnte nicht erklären, wie er die behauptete Geschwindigkeitsüberschreitung genau ermittelt hatte. Das Gericht argumentierte, dass die Geschwindigkeit ausschließlich aufgrund einer subjektiven Schätzung ohne konkrete objektive Beweise ermittelt wurde. Eine solche Schätzung allein reiche für ein Bußgeld nicht aus.

  • Zu dem konkreten Fall in Unna stellen wir am Montag Anfrage bei der Pressestelle der KPB Unna.

Im verkehrsberuhigten Abschnitt der Flügelstraße/Ecke Gürtelstraße in Richtung Marcusgasse wurde am Freitag noch ein anderer Leser von zwei Polizisten kontrolliert.

„Wenn ich ehrlich bin, überschreite ich die zulässige Geschwindigkeit von 6 km/h dort regelmäßig auch mit dem Fahrrad“, räumt André K. ein. „Die freundlichen Beamten habe ich um ein kurzes klärendes Gespräch bezüglich dem allgemeinen Verhalten in solchen Zonen gebeten. Dem Fußgänger ist demnach durch Fahrzeugführer jeglicher Art Vorrang zu geben, und erhöhte Aufmerksamkeit ist geboten wobei die Geschwindigkeit natürlich nicht überschritten werden soll.“

Aus Sicht dieses Lesers sind Kontrollen an dieser Örtlichkeit sehr sinnvoll: „Vor allem die hohe Querungszahl von Fußgängern vor den einzelnen Geschäften und die Vielzahl zu schnell fahrender Fahrzeuge lässt mich diese Stelle als gut gewählt erachten, um durch Kontrolle, Aufklärung und Sanktionierung auf diverse Gefährdungen hinzuweisen!“

12 KOMMENTARE

  1. Guten Abend,
    ich habe gerade den Artikel zur Flügelstr. gelesen und habe etwas anzumerken.
    Prinzipiell ist es richtig, dass die Polizei keine geschätzten Geschwindigkeitsmessungen durchführen darf (wie bereits durch das AG Dortmund festgestellt), jedoch bezieht sich das auf Straßen außerhalb der verkehrsberuhigten Bereiche und mit einer höheren Geschwindigkeit als Schrittgeschwindigkeit.

    U.a. urteilte das OLG Bayern im Jahr 2000 folgendes:
    Das BayObLG (Beschluss vom 20.10.2000 – 2 ObOWi 500/00) hat entschieden:
    Die Feststellung der Geschwindigkeit eines Kfz durch Schätzung eines Polizeibeamten ist möglich; diesen Schätzungen ist jedoch mit Vorsicht zu begegnen.

    Es bestehen jedenfalls dann keine Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Geschwindigkeitsermittlung durch Schätzung eines Polizeibeamten, wenn dem Betroffenen nicht zur Last gelegt wird, eine bestimmte Geschwindigkeit gefahren zu sein, sondern durch Schätzung lediglich festgestellt wird, dass ein Betroffener wesentlich schneller als Schrittgeschwindigkeit gefahren ist.

    Es gibt weitere Urteile, die den Polizeibeamten diese Form der Ahndung einräumen.

    Ich verstehe, dass es manchen sauer aufstößt, wenn die Beamten aufgrund einer subj. Wahrnehmung einen Verkehrsverstoß sanktionieren, allerdings wird deshalb auch nur der „geringste“ Tatbestand sanktioniert. In dem Falle Tbnr: 142109 des Bundeseinheitlichen Tatbestandskataloges. Hier heißt es, dass als Fahrzeugführer in einem verkehrsberuhigten Bereich (Z. 325.1/325.2) nicht die Schrittgeschwindigkeit eingehalten wurde. Dieser Verstoß wird mit einem einem Verwarnungsgeld von 15€ sanktioniert.
    Die anderen Verstöße, die eine genaue Messung voraussetzen, werden mit höheren Verwarnungs- /Bußgeldern sanktioniert.

    LG

    • Wir haben Ihren zweiten Kommentar gelöscht, weil wir uns gegenüber anonymen Schreibern weder rechtfertigen noch uns von Ihnen beschimpfen lassen. Da die Pressestelle der Polizei an den Wochenenden bekanntlich keine Anfragen beantwortet, war diesbezüglich logischerweise noch keine Nachfrage möglich. Also unterlassen Sie Ihre anonymen Belehrungen. Schönen Sonntag!

  2. Wenn mir das ein Polizist erzählt hätte, wäre ich aus dem Lachen nicht mehr heraus gekommen.

    Mein Fazit zu dem Bericht in einem Satz:
    Die Polizei in Unna dreht ahnungslosen Bürgern rechtswidrige Bußgelder an.

    Das ich während der Coronamaßnahmen ohne Bußgeld nie eine Maske getragen habe oder einen Test über mich ergehen lassen mußte, trotzdem aber unzählige Kontakte hatte und viel unterwegs war und gereist bin, ist ein anderes Thema. Genauso das ich während der Zeit als einziger ohne Maske problemlos durch die Fußgängerzone in Unna gelaufen bin. Kontaktsperren, Ausgangssperren. Reisesperrren, etc, das ganze gab es für mich in der Zeit nicht. Nur wer informiert ist, bleibt souverän :-).

    In der Zeit habe ich gelernt, das man uninformierte Bürger mit Fehlinformationen beliebig steuern kann und es gar nicht unbedingt rechtstaatlicher Grundlagen dazu benötigt. Leider scheinen es einzelne Teile der Polizei inzwischen verinnerlicht zu haben.

    Das aufgrund des Nachwuchsmangels die Kriterien für den Polizeiberuf heruntergesetzt wurden, trägt scherlich auch einen Teil dazu bei.

    • Das diese Methode von der Polizei angewendet wird, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben gehört. Es scheint möglicherweise doch bei niedrigen Geschwindigkeiten Ausnahmemöglichkeiten für die Polizei zu geben, so das ich meinen Kommentar mit der Kritik an die Polizei in diesem Fall zurück nehmen muß.

  3. Das mit den Schätzungen gibt es schon lange. Ich bin in den 90ern mit meinem damaligen LandRover 110 TD durch ein Dorf in OWL gefahren. Hinter dem LandRover 90 eines Freundes her. Ich kannte den Weg nicht. Tempo 30. Plötzlich eine Polizeikelle. Wir wären deutlich zu schnell gefahren, mindestens 40km/h.
    Sie wollten damals irgendwas um 10DM. Ich war im zweiten Gang unterwegs, und der ging mit vertretbaren Drehzahlen nicht bis 40km/h.
    Ich habe trotzdem anstandslos gezahlt. Was denen nicht aufgefallen war: Die Straße war nur für Anlieger frei. Das wäre teurer gewesen…
    Die Polizisten sahen vermutlich nur zwei relativ große Fahrzeuge mit vergleichsweise viel Fahrgeräusch durch die Diesel und die Geländereifen. Das führte zu der „Fehlschätzung“.
    Vorsatz schließe ich in meinem Fall aus.
    Zeigt aber, wie schlecht Geschwindigkeit je nach Winkel und Geräusch schätzbar ist.

  4. Ich finde es richtig und sinnvoll dass dort kontrolliert wird. Da wird regelmäßig mit mindestens 30 kmh gefahren obwohl es Verkehrsberuhigter Bereich ist und das auch nicht erst seid gestern.
    Daher können die dort von mir aus jeden Tag stehen bis die Leute es verstanden haben.

  5. Ich wünsche mir einige Kontrollen an der Fußgängerampel Morgenstraße-Ostring.
    So viele Rotlichtverstöße habe ich durch Fußgänger noch nicht erlebt. es liegt aber nicht an der Ampel sondern an der Fähigkeit der Fußgänger diese zu benutzen.
    Als Erwachsener sollte man ,gegenüber Kindern , Vorbild sein!!!!!!!!!!!!!!!

  6. „Ihr sei, so gesteht die Temposünderin wider Wissen, „noch nie ein Schild mit 7km/h aufgefallen.“

    Wer die Bedeutung des Verkehrszeichens 325.1 bzw. den „verkehrsberuhigten Bereich“ nicht kennt, sollte vielleicht mal generell seine Teilnahmefähigkeit am Straßenverkehr überprüfen (lassen)…aber schon klar, schuld sind natürlich immer die anderen (in dem Fall der Polizist)

  7. Es wäre doch einfacher und würde dem Ruf der Polizei sicher gut tun, wenn man die betroffenen Fahrer einfach mal rausgewunken hätte und -gerade weil man keine obhektive Messung hat- diese einfach in einem kurzen Gespräch darauf hingewiesen hätte.
    Mit der schnellen Erteilung eines Verwarn- oder Bußgelds festigt sich natürlich der Eindruck des Abzockens in der Bevölkerung. Die Polizei behauptet ja seit Jahren, nicht unter Leistungsdruck zu stehen, aber ein Polizist, der nicht eine Mindestzahl von Knöllchen mit in die Dienststelle bringt, wird sich sicher rechtfertigen müssen… diese Vorfälle passen also gut ins Bild!

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