„Gastarbeiter, Boat People, Syrienflüchtlinge: Alles geschafft!“ Ex-Landrat Makiolla ruft in Massen gegen „rechtsextremistische Hetze“ auf

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Vor einer Kulisse bunter Regenbogenschirme hielt der frühere Landrat und Sozialdezernent des Kreises Unna, Michael Makiolla, am Dienstagnachmittag (29. August) auf dem Gemeindeplatz Massen ein nachdrückliches Plädoyer für „Toleranz, Freiheit und Vielfalt“.

Anlass war die für den frühen Abend angemeldete Kundgebung der Alternative für Deutschland (AfD) mit dem Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich. Der Anwalt aus Dortmund wird dem sogenannten Höcke-Flügel in der AfD zugerechnet. Neben ihm traten die AfD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat Lünen, Friedrike Hagelstein, und der stellv. Kreisverbandssprecher Nils Hartwig als Redner vor ihr Publikum.

Übertönt waren die Ansprachen der drei AfD-Politiker von lautstarken Schmähgebrüll („Halt die Fresse“, „Nazis raus“) und gellenden Trillerpfeifen von Gegendemonstranten, darunter eine kleine Gruppe der Antifa.

Die bunte Versammlung „für Demokratie, gegen extremistische Hetze und Rassismus“ zwei Stunden vor dem Beginn der AfD-Kundgebung wurde vom Runden Tisch gegen Gewalt und Rassismus veranstaltet. Sie verlief ungestört.

Hier die Rede von Ex-Landrat Michael Makiolla im Wortlaut.

„Lieber Landrat Mario Löhr, lieber Bürgermeister Dirk Wigant, sehr geehrter Herr Superintendent Dr. Schneider, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wir stehen heute hier auf dem Marktplatz von Massen, um uns für Werte wie Toleranz, Freiheit und Vielfalt eizusetzen.

Im Gegensatz zu denen, die hier nach uns demonstrieren wollen, treten wir für eine offene und demokratische Gesellschaft ein.

Wir sind hier, um eine klare Botschaft zu senden – eine Botschaft des Widerstands gegen Hass, Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz. Wir sind hier, um unsere Stimme zu erheben und zu zeigen, dass wir für eine bessere Zukunft stehen – eine Zukunft, in der jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft, seiner Religion, seines Geschlechts oder seiner Hautfarbe respektiert wird.

Die deutsche Geschichte hat uns gelehrt, wohin insbesondere Rassismus und Antisemitismus führen können. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Saat des Hasses erneut aufgeht.

Unser Grundgesetz, das auf Demokratie und Menschenrechten basiert, ist unser Fundament, unser Kompass in diesen stürmischen Zeiten. Dabei gelten die Menschenrechte und die Grundrechte unseres Grundgesetzes für alle Menschen, also auch für Zugewanderte und Geflüchtete.

Und genau diese Werte unserer Verfassung verteidigen wir heute.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

ich weiß, dass viele Menschen hier in Unna-Massen verunsichert und besorgt sind, weil die Konflikte innerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung für geflüchtete Menschen und in der Nachbarschaft spürbar zugenommen haben.

Das ist nach all dem, was ich erfahren habe, nachvollziehbar und wir sollten die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Ortsteil sehr ernst nehmen. –

Deswegen müssen die verantwortlichen Behörden in Unna, Arnsberg und Düsseldorf dringend Maßnahmen ergreifen, um die Lage wieder zu beruhigen; was ja auch bereits geschieht.

Insbesondere habe ich vollstes Vertrauen in Landrat Mario Löhr, die Kreispolizeibehörde Unna und Bürgermeister Dirk Wigant, dass sie gemeinsam die Sicherheit der Menschen in Unna-Massen gewährleisten können.

Wir sollten uns aber daran erinnern, dass Zuwanderung und Integrationserfahrung seit jeher zum Kern unseres Landes gehören:

Wir sind ein Einwanderungsland!

Vertriebene nach dem 2. Weltkrieg, die sogenannten „Gastarbeiter“, Boatpeople aus Vietnam, Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und Geflüchtete aus Syrien. Alles geschafft! Alles Teil der Identität unseres Landes!

Deshalb können wir zuversichtlich sein, auch die aktuellen Probleme in den Griff zu bekommen, so wie wir das in den vergangenen Jahrzehnten geschafft haben.

Und gerade dieser Ortsteil hat mit der früheren Landesstelle Unna-Massen einen besonderen Anteil an der erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen.

Massen war über Jahrzehnte der Brennpunkt der Aufnahme und der Integration von Zuwanderern in ganz Nordrhein-Westfalen.Darauf können die Menschen in Unna-Massen auch heute noch sehr stolz sein.

Allerdings ist die Integration zugewanderter Menschen in unsere Gesellschaft kein Kurzstreckenspurt, sondern ein Marathonlauf über viele Jahre, der häufig mit Konflikten und Krisen verbunden ist.

Deshalb bedarf es ausreichender gesellschaftlicher und staatlicher Maßnahmen und Hilfen, um Zuwanderung erfolgreich bewältigen zu können; denn Integration ist kein Selbstläufer.

Das gilt erst recht für die aktuelle Situation hier in Massen:

Ich erwarte … von der Landesregierung, dass bei der Unterbringung und Betreuung geflüchteter Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung Bedingungen geschaffen werden, die die Konflikte zwischen den Bewohnern untereinander und die Belastungen der Nachbarschaft auf ein Minimum begrenzen.

Wenn man das wirklich will, dann ist das auch möglich!

Insbesondere sollte die Betreuung der zum Teil traumatisierten Menschen intensiviert und professionalisiert werden. Wir brauchen eine Betreuung, die ihren Namen wirklich verdient!-

Warum gibt man nicht in allen Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW den freigemeinnützigen Verbänden die Möglichkeit, dort die Betreuung zu übernehmen und ergänzend auch Ehrenamtliche mit einzubeziehen?

Stattdessen werden die Betreuungsleistungen alle paar Jahre von der Bezirksregierung Arnsberg neu ausgeschrieben und an den billigsten Anbieter vergeben.

Anders als die Freien Wohlfahrtsverbände verfügen die kommerziellen Betreiber solcher Einrichtungen in der Regel über keine gesellschaftlichen Netzwerke vor Ort und können daher auch keine ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer mobilisieren.

Diese Vorgehensweise muss die Landesregierung unbedingt ändern!

Und schließlich gilt es, in den Heimatländern der Geflüchteten im verstärkten Maße Fluchtursachen zu bekämpfen, damit weniger Menschen sich entschließen, den gefahrvollen Weg durch die Sahara und über das Mittelmeer anzutreten, um nach Europa zu gelangen.

Es ist ein großer Skandal und mit unseren humanitären Werten nicht zu vereinbaren, dass wir es zulassen, dass jedes Jahr tausende Menschen auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer, im Atlantik und im Ärmelkanal jämmerlich ertrinken.

Wie kann es sein, dass wir Europäer und andere die westafrikanischen Fischgründe mit schwimmenden Fabriken leer fischen und damit die heimischen Fischer arbeitslos machen?

Wie kann es sein, dass wir Europäer die afrikanischen Märkte mit subventionierten Agrarprodukten überschwemmen und damit den lokalen Kleinbauern die Existenzgrundlage nehmen?-

Wie kann es sein, dass das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, das überwiegend mit Mitteln aus Europa und Nordamerika finanziert wird, im Jahre 2015 angeblich völlig überraschend nicht mehr genug Geld hatte, um Menschen in den Flüchtlingslagern in Nordsyrien angemessen zu ernähren mit der Folge, dass die betroffenen Familien Hunger leiden mussten?

Und dann wundern wir uns, wenn junge Leute aus diesen Ländern nach Europa aufbrechen.

Stattdessen schließen europäische Regierungen Abkommen mit autokratischen Regimen rund um das Mittelmeer ab und bezahlen diese dafür, flüchtende Menschen davon abzuhalten, nach Europa zu gelangen.

Heute wissen wir, dass diese Autokraten dies nur sehr begrenzt tun und Flüchtlingsbewegungen als Druckmittel gegen Europa einsetzen.

Warum bilden wir nicht junge Menschen in ihren Heimatländern oder bei uns in Deutschland in Berufen aus, in denen Fachkräftemangel herrscht und geben ihnen so eine legale und nicht lebensgefährliche Möglichkeit nach Europa zu kommen?

Das hilft ihnen und das hilft uns!

Aus eigener familiärer Betroffenheit weiß ich, dass unsere Altenpflege auf die Arbeitskraft zugewanderter Menschen aus Osteuropa und mittlerweile auch aus Afrika existenziell angewiesen ist.

Das gilt mit Sicherheit auch für andere Branchen in Deutschland.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Bundesregierung hier bereits tätig ist. Das muss jetzt konsequent und mit großem Engagement in die Tat umgesetzt werden.

Wir brauchen endlich eine umfassende europäische Strategie zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Dazu gehören faire Handelsbeziehungen – insbesondere zu den Ländern Afrikas – sowie die Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wir wollen uns heute denen entgegenstellen, die die aktuelle Situation in Unna-Massen ausnutzen wollen, um unsere demokratische und solidarische Gesellschaft in Frage zu stellen.

Denen geht es nicht um die Bürgerinnen und Bürger, die hier leben; die sind nur Mittel zum Zweck, um die Demokratie zu zerstören.

An der Lösung der konkreten Probleme hier in Unna-Massen sind sie in Wirklichkeit gar nicht interessiert.

Diese Leute sind nicht stark, auch wenn die sogenannten sozialen Medien manchmal einen anderen Eindruck vermitteln. Stark ist vielmehr die demokratische Mehrheit in diesem Land.

Wir sind hier, um zu zeigen, dass unsere Gemeinschaft stark ist. Wir sind eine vielfältige Gesellschaft. Gerade diese Vielfalt ist unsere Stärke!

Und jetzt müssen wir Verantwortung zeigen, indem wir für unsere demokratische Gesellschaft offen und aktiv eintreten.

Demokratische Politikerinnen und Politiker sollten auch nicht der Versuchung erliegen, die Wortwahl und die Begriffe der rechtsextremistischen Hetzer zu übernehmen, weil sie glauben, so rechte Wählerinnen und Wähler an sich binden zu können.

Die Erfahrung zeigt, dass diese politische Strategie die rechtsextremistischen Parteien stärkt und unsere Demokratie schwächt.

Rechtsextremistische Demokratiefeinde kann man nicht mit Verständnis und Dialog bekämpfen, sondern nur mit Haltung und Konfliktbereitschaft.

Demokratie gibt es nur, wenn genügend Menschen aktiv für sie eintreten. Und das tun wir heute.

Lassen wir uns also in schwierigen Zeiten nicht verunsichern oder gar einschüchtern!

Das ist unser Land!

Und wir sind die Mehrheit!

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!“

6 KOMMENTARE

  1. Will sagen, Ihr habt alle Recht, aber größtenteils habt Ihr Unrecht?

    hani Hanjour war der Pilot der die Boeing 757 ins Pentagon steuerte. Mitarbeiter der gleichen Fluggesellschaft beschrieben Mr.Hanjour zu aller erst als einen verdammz schlechten Piloten.

    Eher auf Offenheit und Toleranz zu setzen als auf „Konsequenz“ bringt was genau?

    Ich erinnere gern auch noch mal an die Flugzeugentführungen der 70er, und was heute Sicherheitsfirmen…

  2. Gut, das der Rundblick journalistisch die Bürger umfassend und nicht einseitig informiert. Fakt ist, die durchs Internet stärker gewordenen Bürger und Leser wollen Meinungsvielfalt.
    Bei den Veranstaltern und Beteiligten findet man kaum Informationen über die Gegenveranstaltung. Reaktionen so gut wie gar nicht. Tageszeitung natürlich Bezahlschranke.
    Wie groß ist dieses Bürgerbündnis im Kreis aufgestellt und wie groß ist die Unterstützung durch die Bürger?

    Da man durch die Hauptseiten im Netz die Reichweite und vor allem Wirkung auf die Bevölkerung nicht analysieren kann, habe ich gerade alternativ auf den Facebookseiten von SPD, GRÜNE, CDU, Evangelische Kirche und der örtlichen Tageszeitung nachgeschaut, wie dort die Reaktion auf die Gegenveranstaltung bei den Bürgern ist.

    Tageszeitung: 0 likes und 3 kritische Kommentare (bei der größten Tageszeitung)

    Ev. Kirche : 5 likes und 0 Kommentare (bei ca. 65.000 Mitgliedern im Kreis)

    CDU: Die Veranstaltung wird auf der Hauptseite und bei FB nicht erwähnt.

    SPD: 55 Likes und 1 Kommentar (fast nur Funktionäre)

    GRÜNE: 1 kritischer Kommentar und 8 Likes

    Bunte Bilder von der Veranstaltung Nachmittags auf der Seite der Grünen. Keine vom Abend und dem promintenen öffentlichen Auftritt des Bundestagabgeordneten Michael Sacher, der Fraktionsvorsitzenden Claudia Keuchel und Aliyah Quenum von der Jugend Unna. Keine Infos an die Mitglieder oder Bürger über den Auftritt der Grünenspitze neben dem Antifablock. Nicht einmal Hinweise über diesen Teil der Gegendemo.
    Gesicht zeigen und öffentlich Stellung beziehen gegen Rechts auf eine Art und Weise, die man seinen eigenen Mitgliedern und den Bürgern anscheinend nicht mitteilen möchte. Oder sie waren privat dort und die Grünen haben offiziell die Gegendemo an dem Tag nicht durch ihre Vetreter unterstützt.

    PS: Die Bürgerbeteiligung auf der Seite des kleinen Kreisverbandes der AFD ist natürlich ebenfalls irrelevant.

    • Danke für die aufschlussreiche Recherche, Schmunzler. Die Zeitungen haben immer noch nicht verstanden, dass sie sich durch Abopflicht bei Artikeln selbst eine mögliche Diskussion im Ansatz abwarten, es sei denn, sie legen Wert auf reine Überschriftenleser. Schade eigentlich, und das meinen wir ganz ehrlich.

  3. Erinnert sich noch wer daran, daß irgendjemand sagte, „das mit der Ethik sei große Scheiße“?

    Ich meine, heute hört man ja nicht mehr so oft, das etwas eine große Lüge sei, nein -Sie sagen, „da wende jemand eine situative Ethik an“.

    Als Chance wird eine günstige Gelegenheit oder ein Glücksfall bezeichnet, aber auch die Aussicht, bei jemandem durch Sympathie Erfolg zu haben.

    Der Begriff wird auch als günstige Aussicht, die im Gegensatz zu einer Gefahr steht verwendet. Chance und Gefahr bilden hier zusammen ein Risiko. Gelegentlich werden sowohl Risiko als auch Gefahr als Antonyme zur Chance gesehen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Situative_Ethik#Kritik

    Ideologie

    Eine Chance bitet die Möglichkeit ideologischer Nutzung. Chance erscheint als positiv besetzter Begriff. Der vermeintliche (subjektive) Vorteil eine Chance gehabt zu haben, legitimiert insofern Konkurrenz und die Ausgestaltung der konkreten Bedingungen für Erfolg.

    Naive Zustimmung zur Chancengebung, befördert wohl eher den vornehmlichen Nutzen der Interessengruppen/Personen, welche die Bedingungen der Chancen hergestellt haben und somit kontrollieren.

    Wodurch Teilnehmerinteressen ausgehebelt und die sich ergebende Versagerquote als persönliche Schuldfrage/ Schicksalsfrage problematisiert werden kann.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Moralischer_Relativismus#Widersprüchlichkeit_des_moralischen_Relativismus?

    Soviel dazu, das etwas „nicht Hintergründig“, oder „Merkbefreit“… ^^

  4. Die Rede von unserem früheren Landrat ist schön zusammengetragen aus allen möglichen Publikationen die die weltweite Problematik der Flüchtlingsströme beschreibt aber die Problematik vor Ort und in diesem Land nicht lösen wird .

    Und richtig, wie in einem früheren Kommentar bereits angemerkt hat das Lager Massen fast 3 Millionen Kriegsflüchtlinge als Familien aufgenommen die sich integriert haben.
    Wir können aber nicht, wie in der Rede vermerkt, zuversichtlich sein dass wir ebenso die derzeitigen Probleme in den Griff bekommen so wie wir es in den letzten Jahrzehnten geschafft haben.

    Wann endlich begreifen unsere Politiker die aktuelle Situation zu der sie sich nur die Zusammensetzung der Asylanträge ansehen müssten.
    70% sind alleinstehende Männer unter 30 Jahren die zur Integration hingetragen werden müssen, eine Arbeit aufnehmen könnten aber laut Agentur der Arbeit gern Bürgergeld in Anspruch nehmen.
    Und das sind belegbare Fakten die nicht auf Hass, Rassismus oder Intoleranz beruhen.
    Des Weiteren kenne ich niemanden der Integrationsbereitschaft nicht respektiert und nicht akzeptiert sondern fördert aber die derzeitige Migrationspolitik, wie mittlerweile der überwiegende Teil der Bevölkerung, nicht akzeptiert.

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