„Viele Chancen versäumt“: Ausgewanderte Ex-Unnaerin blickt auf Entwicklung ihrer Heimatstadt

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Blick auf die Massener Straße im Sommer 2022, nach dem Abschluss der Sanierung. (Foto Rinke)

„Die Fußgängerzone wurde doch gerade neu gemacht. Da habt ihr wirklich eine Chance versäumt, die Stadt attraktiver zu gestalten und etwas Außergewöhnliches zu schaffen.“

Unsere Leserin Andrea S. wanderte vor 23 Jahren von Unna in die Niederlande aus. Sie besucht ihre frühere Heimatstadt regelmäßig und verfolgt die aktuellen Entwicklungen seither interessiert mit dem Blick einer Auswärtigen.

Hier ihre Eindrücke in einem Meinungsbeitrag.

„Ich bin ursprünglich aus Unna, komme aber einmal im Monat zu Besuch. Vor 23 Jahren bin ich in die Niederlande ausgewandert und wohne jetzt in Waalre. Das ist bei Eindhoven.

Leider muss ich mit jedem Jahr mehr bemerken, wieviel unattraktiver die Stadt in vielen Belangen geworden ist. Unna war noch nie wirklich ein Highlight, aber besser als heute. Zumindest kann man jetzt mit Absatzschuhen durch die Stadt laufen.

Ich fahre gleich nach Eindhoven rein zum Shoppen. Großstadt, man zahlt Parkgebühren. Dafür bekommt man aber auch eine Menge geboten.

Ein Theater, wo auch neue und moderne Stücke und Musicals aufgeführt werden. Mehrere Kinos, ein großer Marktplatz mit unterschiedlicher Gastronomie , wo man sich hinsetzen kann. Überall Bänke, unterschiedlich gestaltete Straßen. Und jede Menge unterschiedlicher Geschäfte und vieles mehr.

Da ich von auswärts komme, bin ich nur mit dem Auto unterwegs. Anders wären meine To Do-Listen auch nicht zu schaffen. Es ärgert mich einfach langsam vieles in Unna. Diese 30-km/h-Straßen aufgrund von „Lärmschutz“. Ich fahre elektrisch im Stadtverkehr. Mein Auto macht keinen Lärm.

Oder diese diskutierte Erhöhung der Parkgebühren. Sollte die Stadt das durchziehen, sorry, für eine Parkgebühr von 3,60 Euro pro Stunde ist Unna bei weitem nicht interessant genug. Mir tun die Geschäftsinhaber in Unna leid und auch das Kino, sie alle werden unter diesem Konzept leiden.

Statt Parkplätze wegzunehmen und sogenannte Ruheflächen zu gestalten, die dann wahrscheinlich eh nicht so genutzt werden (eher bald von von Jugendlichen eingenommen werden, die ja auch nicht wissen, wohin), hätte man die Fußgängerzone grüner gestalten sollen. Dort wären schön begrünte Ruheplätze gut angekommen.

Beim Einkaufsbummel sich einfach mal zwischendurch gemütlich hinsetzen, das Treiben in der Fußgängerzone genießen. Eine Gestaltung mit viel mehr Grün hätte auch verhindert, dass sich die Innenstadt im Sommer so aufheizt.

Die Fußgängerzone wurde doch grade neu gemacht. Da habt ihr wirklich eine Chance versäumt, die Stadt attraktiver gestalten zu können und etwas Außergewöhnliches zu schaffen.

Ich bin immer mal gerne nach Unna ins Kino gegangen. Aber sollten die Preise so steigen, dann fahre ich lieber nach Dortmund oder Bochum. Idealismus gut und schön. Aber Unna in eine autofreie Stadt verwandeln zu wollen, wird eher ein Todesurteil für die Stadt werden. Sie bietet nichts, was ich nicht in anderen Städten günstiger und bequemer bekommen kann. Die Grünen und CDU wollen, dass die Leute in die Stadt kommen. Da werden ein paar umgewandelte Parkplätze nicht helfen. Die werden dann sicher auch so vermüllen wie mancher Grünstreifen.

Unna müsste erst einmal attraktiv für alle werden, müsste etwas bieten, was andere Städte nicht haben. Aber Unna wirkt auf mich eher langweilig, hat nichts, was nicht woanders auch zu finden ist. Also, warum soll ich größere Mühen auf mich nehmen und mehr Geld zahlen, um die Stadt zu besuchen?

Ich frage mich, wo diese Politiker leben.

Es ist auch nicht hilfreich, alles zuzubetonieren. Hier bei uns sind viele Straßen mit Backsteinen ausgelegt. Da kann das Wasser gut im Boden versickern. Das hilft dem Grundwasserspiegel und mindert das Überschwemmungsrisiko. Das sind schon solche Kleinigkeiten, die mir auffallen. Ach ja, wenn die Straße dann mal neu gemacht wird, werden die Backsteine gereinigt, die kaputten ersetzt und wieder gebraucht. Das spart Geld und man hat keine Winterschäden.

Ich sehe hier so vieles, was besser läuft. So vieles, was viel einfacher zu regeln ist.

Ich bin auch der Meinung, man hätte die Mühle nicht abreißen müssen. Da hätten sie ein Kulturzentrum mit Park draus machen und statt dessen die Geschäfte in der Innenstadt mehr stärken sollen. Die Auslastung, die sich die Stadt von diesem Einkaufszentrum erträumt hat, hat es doch nicht, und das konnte man auch voraussehen.

Aber Altes muss weg, das war leider schon oft so in Unna. Das, was die Stadt mit attraktiv und einzigartig macht, entfernen sie. Es muss was Neues, Hochmodernes gebaut werden. Da geht doch der Charme der Stadt verloren. Und damit verliert Unna dann noch die wenigen Touristen.

  • Andrea S., Waalre/Niederlande

10 KOMMENTARE

  1. Frau S. hat in allem Recht. Auch ich bin von Unna weg gezogen. Die Stadtplaner sollten einfach Mal öfter nach NL fahren, da können sie viel lernen.

  2. Exzellent dargestellte und beschrieben die Situation wie sie auch in der veröffentlichten Image Studio abzulesen ist.
    Erinnere mich ungern an die Diskussion zur Neugestaltung der Massener Straße als aus der WfU Fraktion Frau Strathoff vehement Grünzonen mit Bänken und Wasserspielen als Abkühlung einerseits, andererseits für Kinder als ein attraktiver Anziehungspunkt, vorgeschlagen und gefordert hat. Arrogant und hämisch abgelehnt. Statt dessen haben wir eine zugepflasterte Straßenfläche mit einem Lichtband dem, für die Bürger uninteressanten aber reichlich bezuschussten, Lichtkunstzentrum gedankt.
    Aber überheblich Arroganz war immer schon angesagt in der Politik. Leider hat sich die gewünschte Abwahl der SPD als Fehler herausgestellt denn heute gilt das Motte in abgeänderten Form „Schlimmer geht immer“ Was sich die schwarzgrüne Projektgemeinschaft leistet um die Stadt unattraktiv zu machen für Kunden und Gäste wird in diesem Beitrag deutlich vor Augen geführt. Danke dafür.

  3. Vielen Dank für das Schreiben. Das bringt es auf den Punkt. Ich habe bei der Mühle das gleiche gedacht. Das wäre so schön geworden. Und unsere Kinder und Jugendlichen haben in Unna wirklich nichts. Da brauchen wir uns nicht wundern wenn da das agressive Verhalten steigt.

  4. Es ist schön zu lesen, das ich mit meiner Sicht so viel Zustimmung bekomme. Sicher ist bei uns auch nicht alles eitler Sonnenschein. Aber dennoch machen sie hier viele Dinge richtig. Warum fahren denn wohl so viele nach den Niederlanden für einen Ausflug, zum Entspannen oder Shoppen? Ich selbst wohne in Waalre, welches eher mit Königsborn vergleichbar ist. Eindhoven ist eine Grossstadt und ist die 5. größte Stadt in den Niederlanden. Sicher kann man das von den Möglichkeiten nicht vergleichen. Aber was hier umgesetzt wurde, geht auch in kleinen Städten, das sehe ich immer wieder.
    Mal ehrlich, wer geht nach Sonnenuntergang noch durch die Stadt? Da ist doch nichts mehr. Doch, jetzt eine Lichtleiste, deren Bedeutung ein Außenstehender und Besucher doch gar nicht weiß. Als Frau fühle ich mich in Unna eh nicht besonders sicher. Da ist ab der Dämmerung immer ein ungutes Gefühl. Was ich in meiner neuen Heimat so gar nicht kenne. Da machen mir auch riesige Tiefgaragen keine Angst.
    Habe ich noch Lust durch Unna zu bummeln, nicht wirklich. Meistens suche ich nur ein paar bestimmte Geschäfte oder auch mal das Kino auf. Aber ich habe Kamen erst letztens neu entdeckt.
    Ich verstehe einfach viele Entscheidungen nicht. Radwege am Wall entlang? Als Radfahrer nimmt man immer den kürzesten Weg und der führt durch die Stadt. Sie sollten anstatt die Straßen mal richtig sanieren und nicht diese flicken. Ach es gibt noch so vieles, aber es macht mich einfach traurig, was hier passiert.

  5. Au weia, jetzt werden aber alle Register gezogen! Wenn das in Holland alles so gut ist Andrea, dann haben sie ja alles richtig gemacht. Auch ich war in letzter Zeit in einigen Mittelstädten in Holland. Nahezu autofreie Innenstädte, sehr hohe Parkgebühren und Vorrang für Radfahrer. Das ist doch genau das, wo grünschwarz hin will. Und dass der Einzelhandel glaubt, dass durch Umsetzung die „Welt untergeht“ ist doch eine totale Verdrängung der wahren Probleme. Kostenfreie Parkmöglichkeit in Tiefgaragen zu fordern, ist dann wirklich ein Vorschlag, der nur von der Autofahrerpartei FDP kommen kann. Die haben nun wirklich den Schuss nicht gehört. Das sonst meinungsfreie Anhängsel der CDU wird beim Thema Auto auf einmal wieder wach. Aber alles ruhig bleiben! Die CDU knickt ja schon ein und am Ende steht vermutlich ein laues Parkplatzkonzeptchen.

    • Ja, solche Orte gibt es. Aber in den meisten Orten gibt es Autos, Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigt. Und ja, in manchen Städten sind die Parkgebühren sehr hoch. Aber das ist nicht die Regel und es sind eher Touristen- und Großstädte.
      Wie gesagt, hier läuft auch nicht alles rund. Aber dennoch besser als in Deutschland. Ich habe es nicht einen Tag bereut, ausgewandert zu sein. Selbst wenn ich eines Tages nach Deutschland zurück kehren sollte, würde ich unter den jetzigen Voraussetzungen nicht Unna wählen.
      Aber bedenke, die Niederländer haben schon immer viel das Fahrrad benutzt. Hier ist vieles schon seit Jahrzehnten darauf ausgelegt und wird gefördert. Auch hat es den Vorteil, das es fast überall flach ist. 😄 Allerdings werden hier auch die alten Leute und alle die es benötigen, nicht in Stich gelassen und viel unterstützt mit Fahrdienst, Einkaufen, Begleitung etc..
      Unna will Autofrei werden, dann muss auch so etwas her und zwar kostenfrei. Dennoch wird das Problem bleiben, dass Unna einfach unattraktiv ist. Und dieses neue Einkaufszentren wird auch keine Besuchermassen anziehen.
      Gleichberechtigung für alle Verkehrsteilnehmer passt doch eher. Aber das ist meine Meinung. Die Zukunft wird zeigen, ob ich richtig liege.

    • Keine Ahnung, Christian H. in welchen Mittelstädten sie waren.
      Wir haben unseren letzten Jahresurlaub in Friesland verbracht. In den Großstädten die wir besucht haben, vergleichbar mit Dortmund, lag der Parktarif in einer zentrumsnahen Tiefgarage bei 2€ / Std bei minutengenauer Abrechnung und max 10€ Tagestarif. In der anderen Stadt habe ich den kostenfreien P&R Parkplatz genutzt, außerhalb mit Shuttleverkehr. Die kurze aber interessante Busreise durch die Vororte hat pro Person einen Euro gekostet, lange warten mussten wir auch nicht bei einer Taktung alle 10 Min.
      Zum Abschluss haben wir dann die 11 Städtetour mit dem Rad gemacht um auch Städte und Umfeld kennen zu lernen. Nicht wettbewerbsmäßig 200KM an einem Tag sondern in einer touristischen 8 Tagestour. In den Mittelstädten sahen wir immer zentrumsnah einen Parkplatz mit Parkscheibenregelung 2 Stunden oder oft zeitlich unbegrenzt. Vermutlich damit Kunden auch stressfrei und ausgiebig Shoppen können. Überall in den Mittelstädten gab es Autoverkehr. Der wird nicht ausgeschlossen vielmehr gibt es ein Miteinander der Verkehrsteilnehmer. Da wo sich Rad- und Autoverkehr queren wurde die Vorfahrt nach Priorität geregelt. Entweder hatte der Autoverkehr Vorfahrt oder wir konnten locker queren da die Autofahrer Vorfahrt gewährten. Funktioniert.
      Insofern sollte die einseitig gewünschte alleinige Ausrichtung aufs Rad der Grünen in Unna Wunschdenken bleiben. Ebenso der zwang eine Tiefgarage anzufahren. Und wenn dann zumindest 1 Stunde kostenfrei, danach mit minutengenauer Abrechnung damit die Kunden die heute noch nach Unna kommen die Kaufmannschaft weiter stärken und die Innenstadt durch Leerstände nicht noch trister wird.
      Insofern Grüße an ihre Grünen Mitstreiter.

  6. Es ist leider so, dass, wenn man lästert, sich nichts ändert. Bietet nicht eine Demokratie sowie auch die Stadt Unna jetzt zum Beispiel bei dem Reallabor an der Schulstraße eine Bürgerbeteiligung an? Vielleicht kommt ja dorthin ein Plätzchen zum kontrollierten Drogenkonsumieren wie überall in Holland, was dann auch videoüberwacht werden muss, so wie die meisten Plätze in der NL. Weil dort ja, wie in de meisten Städten, sich nach Einbruch der Dunkelheit niemand mehr in die Städte traut. Aber da ist ja alles besser.

    • Wir haben Ihre durchgängigen Versalien der Lesbarkeit halber geändert, Nitro Kid. Zu Ihren Gedanken: Natürlich bietet Demokratie Mitbeteiligungsmöglichkeiten. Beim Reallabor gab/gibt es sie auch, allerdings unter der bereits feststehenden Prämisse, dass die Nutzung als Parkplatz verschwindet. Und das geht vielen gegen den Strich. Bürgerbeteiligung beim gesamten Parkkonzept gab es bisher überhaupt nicht, daher haben SPD und WfU sie jetzt angemahnt. Zu Ihrem Hinweis auf kontrollierte Drogenkonsumplätze: Diese Nutznung des Schulstraßenparkplatzes würde der avisierten Nutzung für die breite Bürgerschaft widersprechen. VG von der Redaktion!

  7. Zustimmung erhält Andrea von mir insbesondere für den Punkt „Bäume“ bzw. „Grün“ in der Fußgängerzone. Da ich älteren Baujahrs bin, kann ich mich noch sehr gut an die ehemals dort befindlichen quadratischen, gemauerten Behältnisse erinnern: Mittig befand sich jeweils ein Baum, an den Seiten waren Sitzbänke angebracht. Optisch ansprechend, ein Ort zum Ausruhen, zum Pläuschchen halten und die Innenstadt heizte sich nicht so stark auf. Auch was das Areal „Mühle Bremme“ betrifft muss ich zustimmen – man hätte dort Bäume bzw. Grünflächen installieren sollen und dadurch einen Ort der Begegnung erhalten. Der Parkplatz an der Schulstraße wäre geblieben und allen wäre gedient gewesen (insbesondere den Anwohnern, die scheinbar niemand der Verantwortlichen auf dem Schirm hat). Aber ich denke, der (mutmaßlich vorrangig grünen) Politik geht es darum, Autos mit Vehemenz aus der Innenstadt zu verbannen (Öko und Auto passen da nicht zusammen). Der Effekt wird sein, wie Andrea ihn beschrieben hat: Noch weniger Menschen werden die Innenstadt aufsuchen, denn wer will schon seinen mitunter großen / schweren Einkauf über eine lange Strecke tragen, nur um zu seinem Auto zu gelangen, welches in einem am anderen Ende der Stadt gelegenen Parkhaus abgestellt werden musste (besonders für ältere Menschen eine große Belastung)?! Ich bin auch der Meinung, dass es den Menschen stetig mehr gegen den Strich geht, sich durch die Politik bevormunden oder gar mit Verboten belegen zu lassen. In Sachen Gesetze und Verordnungen ist dieses Land inzwischen derart überlagert, dass es einem nur noch Runzeln im Gesicht verursacht! Man fragt sich inzwischen erstaunt, wie der Bürger in der Vergangenheit überhaupt lebensfähig war – das „mündig“ verkehrt sich immer stärker in das Gegenteil. Ich selber bin so gut wie gar nicht mehr in der Innenstadt unterwegs, denn sie ist, das hat Andrea treffend formuliert, unansehnlich und langweilig. Die oft erwähnte Kultur sucht man dort vergeblich.

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