Eine locker-flockige Plauderei über Wahlplakate ist vor dieser Bundestagswahl faktisch unmöglich. Das bekommen wir in den letzten Tagen ungewohnt ruppig auf unserer Facebookseite zu spüren. Merke, Rundblick: Die Nerven liegen blank.
Bahh. Wo ist der Sinn fürs Humoreske geblieben, für eine feinsinnige, messerscharfe Bemerkung wie vom großen Loriot, der weiland noch ungestraft verkünden durfte:
„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“
Vorbei diese Zeiten, heute ist Wahlkampf Krampf und wir sind ja nicht zum Vergnügen hier. Folgende giftige Bemerkungen bekamen wir auf unserer Facebookseite auf unsere bisherigen Versuche zu hören/lesen, mit fotografierten Wahlplakaten von allerlei Köpfen von allerlei Parteien (! allerlei!) den verbissenen Wahlkampf ein bisschen aufzulockern.
Causa 1 und 2: Herrn Lindners Oberlippenschatten
Wahlplakatierungsstart in Fröndenberg, launige Frage unsererseits in de Samstagmorgen: „Was fällt euch auf?“ Die Antworten bestehen zu 50 Prozent aus der Gegenfrage: „‚Was sind das für rote Pfeile?“, zu 20 Prozent aus Kopfklatschsmileys wegen des optisch etwas missglückten Schattenwurfs auf Herrn Lindners Oberlippe (der uns selbst beim Erstellen und Posten des Fotos tatsächlich komplett nicht aufgefallen ist).
Wir posten das Plakat anderntags noch einmal mit der Frage, ob hier irgendwem irgendwas auffällt. Die Antworten diesmal zu 80 Prozent „Jaaa!!“ (Kopfklatschsmileys), die verbleibenden 20 Prozent generieren sich aus biestigen Bemerkungen augenscheinlicher Freidemorakten-Anhänger „Das Niveau sinkt.“ Oder: „Dass ihr das nötig habt, Rundblick!“ – Haben wir nie behauptet. Wir sind dann einfach mal so frei.
Causa 2: Herr Hüppe, Herr Clooney und der Persilmann
Eine frappante Ähnlichkeit mit einem bekannten Hollywoodschauspieler dünkt uns von einem bestimmten Wahlplakat des hiesigen CDU-Wahlkreiskandidaten entegenzuspringen, deshalb werfen wir die Frage unter dem Motto „Wahlplakate für Cineasten“ launig in die Community. Noch bevor die ersten Humorbeflissenen (die zum Glück unter allen Plakateposts die erschlagende Überzahl ausmachen, Danke dafür!) genüsslich Kaffeetässchen posten, „Clooney!“-Kommentare mit Herzchen verzieren oder umgekehrt lästern „Clooney sieht eindeutig besser aus“, noch vor alldem also fordert ein misstrauischer Forist mit galligem Unterton, dass jetzt wohl hoffentlich auch Plakate von „den anderen Parteien“ gepostet werden.
Von allen über 40 bei der Wahl antretenden? Oder was meint der Leser? Wohl nicht werden wir alle posten, wohl aber die, die aktuell im Bundestag vertreten sind, sofern sie wiederum bei uns im Kreis antreten und sofern sie überdies noch bei uns im Kreis plakatieren. Uff. Der Forist gibt sich zufrieden (fragt sich, wie lange), ein anderer kräht die Frage raus: „Was is´n das für´n Vogel!“ Es steht auf dem Plakat, was das für ein Vogel ist, erklären wir ihm und fragen höflich, ob wir es ihm vorlesen sollen.
Wieder ein anderer entdeckt evidente Ähnlichkeit des CDU-Kandidaten mit dem Persilmann („da weiß man, was man hat, guten Abend!“), während auf unserem Instragram-Account derweil sehr bissige Bemerkungen kommen von wegen „einseitiger Wahlwerbung“. Man hat dort offenbar übersehen, dass wir auch schon andere Wahlplakate gepostet haben, darunter die FDP, die SDP oder Herrn Hüppes Parteifreund Paul Ziemiak im Mülleimer an der B7. Das ist ja nicht so wirklich nett und nicht wirklich Werbung.
Clooney-Verschnitt Hüppe selbst beweist trotz ziemlich giftiger Bemerkungen unter seinem Konterfei begrüßenswerten Humor und schlägt selbst unter unserem Post mit einem Fotokommentar auf, welcher ihn Seit´ an Seit´ mit dem amtierenden Bundespräsidenten zeigt: „Ich habe extra die Brille abgenommen, weil ich immer öfter mit Frank-Walter Steinmeier verwechselt werde.“ Sehr sympathisch doch, wenn man auch über sich selbst lachen kann, allerdings gibt es zugegeben auch Schlimmeres, als ausgerechnet dem göttlichen George Clooney zu ähneln. Der Persilmann hingegen… ach, lassen wir das.
Causa 3: Herr Sacher, die Grünen und das Schweigen der Lämmer
Wahlplakate für Cineasten, nächste Runde. „Bereit, wenn ihr es seid“ – an welchen Hollywoodfilm macht dieses und machen alle weiteren Grünenplakate eine Anleihe? Häme, Spott und Schadenfreude kübelt die Community über Herrn Sacher und allgemein über die Grün*innen herunter, massenhafte Vergleiche mit dem Hulk oder sonstigen grünfarbigen Ungestalten dürften den Grünen nicht eben schmeichelhaft zu Gesicht stehen.
Doch stoisch, möglicherweise mit geballter Faust in der Jutetasche erträgt die Grünenfangemeinde den geballten Spott, auf RB-Instagram erntet der grüne Herr Sacher sogar ein paar Herzchen und einen freundlichen Kommentar, dass diese grün durchwirkten Plakate doch sehr hübsch anzusehen seien. Ist doch auch mal fein.
Den Bezug zum Hollywoodhit „Das Schweigen der Lämmer“ und Erzbösewicht Hannibal Lecter – „Bereit, wenn Sie es sind“ – entdecken dann auch tatsächlich einige handverlesene Filmexperten unter unseren Foristen, all verzichten dankenswerterweise darauf, gleich noch die blutigen Filmsequenzen als Beleg mitzuschicken. Karnivoren generell passen ja auch nicht wirklich zu Grün, gell?
Causa 4: Herr Scholz und Respekt für dich
Ob für dieses Olaf Scholz-Plakat nun „Der Pate“ Pate stand oder vor sozialdemokratisch blutrotem Vorhang der Horroschocker „Return of the living dead“ Revival feiern soll, wird unter diesem inflationär im Kreis Unna geklebten Kanzlerkandidatenplakat erst überhaupt nicht diskutiert.
Es geht unter Olafs Konterfei biestig bis bitterböse zu. Mehrere offenbar nicht der SPD zugeneigte Foristinnen verbitten sich zickig die plumpe Duzerei „vom Olaf“, ein augenscheinlicher SPD-Parteigänger oder zumindest -potentieller Wähler stellt humorbefreit die (offenbar rhetorisch gemeinte) Frage, ob Medien nicht neutral berichten sollten? Sollten sie, geben wir diesem offensichtlichen Rundblickneuling freundlich zur Antwort und erlauben uns, ihn auf die bisherigen Wahlplakatefolgen hinzuweisen (mit Links, immer für Sie da); doch davon will er und wollen verschiedene andere Genoss:innen offenbar nichts wissen.
Es entbrennt eine grell-verbissene Debatte über den so einseitig parteilichen Rundblick. Spätestens hier stellen wir fest (und werden das mit einem weiteren SPD-Plakatepost noch untermauert bekommen): Wiie wir´s machen, ist es falsch – posten wir ein Wahlplakat, ist es mal Werbung, mal ist es Antiwerbung, mal ist es Werbung für „alle anderen“ und mal Werbung für alle, die wir nicht gepostet haben. Anstrengend.
Causa 5: Herr Kaczmarek und kein Respekt für dich
Damit nicht erneut irgendwelche humorbefreiten Parteigänger jeglicher Coleur über uns herfallen, denken wir diesmal: Machen wir nichts falsch, verlinken wir den entsprechenden Post einfach original von der Seite der jeweiligen Partei. Dann kann ja nichts schiefgehen. Denken wir liegen schief.
Besagter Post ist das fraglose Ärgernis des SPD-Ortsvereins Bönen, welcher ein mit orangeroter (warum gerade orange…? ein Schelm, wer…) Clownsnase verunziertes Plakat ihres Wahlkreiskandidaten und Bundestagsabgeordneten Oliver Kaczmarek postet und ärgerlich dazuschreibt: Jetzt musste man entlang der ganzen Bahnhofstraße neu plakatieren. Acht Plakate neumachen, am Sonntagmorgen!
Das ist zweifellos ärgerlich, mühsam und nicht zum Lachen und ist bei unserer Verlinkung auch absolut nicht lächerlich gemeint. Etwas unfreiwillig komisch sieht Herr Kaczmarek mit dieser orangenen Nase im Gesicht freilich schon aus, weshalb (tut uns leid, liebe Genossen…) die Zahl der Lach-Emojis mit großem Abstand die mitfühlenden, verärgerten oder auch nur neutralen Regungsbekundungen übertrifft. Jetzt soll die Community mal NICHT lachen und lacht. Der Forist, das unbekannte Wesen.
Kandidat Kaczmarek bekommt ähnlich wie seine Mitbewerber auch verschiedene unfreundliche Kommentare zu politischen Entscheidungen verpasst, was allerdings einen eindeutigen „Altparteien“-Gegner unter der Foristenschaft nicht daran hindert, hinter diesem lediglich verlinkten Post einer faktischen Sachbeschädigung auf Kosten – diesmal – der SPD „wieder mal“ die übliche einseitige Parteinahme der linksgrünen Systemjournaille zu wittern. Nicht bloß zu wittern, sondern im anklagenden Ton herauszuposaunen, dass wir als Rundblick quasi Systemnutten sind (wir haben es mal vereinfachend formuliert). Das alles unter mehr als einem Dutzend Beifallklatschern.
Wir haben uns dann noch (jetzt selbst angesäuert) die Mühe gemacht, dem nichtzahlenden Kunden verschiedene Artikel (nicht bloß Posts…) über Vandalismus zu Ungunsten der AfD aus unserem Archiv herauszusuchen, bevor wir entschieden haben, dass wir das künftig nicht mehr machen wollen. Was Wahlplakate angeht, halten wir uns bis zum Wahlsonntag um 18 Uhr lieber an den großen Meister Loriot:
„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“
Es grüßt ironisch die Rundblick-Redaktion.