Kerzen, Blumen und Stofftiere vor dem Amtsgericht Unna – Zum Hintergrund des Weimar-Urteils

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Nicht jeder Kritiker der Coronamaßnahmen ist automatisch ein "Querdenker" und erst recht nicht automatisch ein Staatsfeind, betont der NRW-Innenministerium. Hier die geschmückte Treppe vor dem Amtsgericht Unna am 2. Mai, als deutschlandweit Sympathiebekundungen für den Familienrichter aus Erfurt stattfanden, welcher Masken im Unterricht für nicht rechtmäßig erklärt hatte. (Foto Privat)

Ein umstrittenes Amtsgerichtsurteil schlug bundesweit Kreise – und erreichte am Maifeiertag auch Unna und zahlreiche weitere Städte mit eigenen Amtsgerichten.

Die steinerne Treppe des Gerichts an der Friedrich-Ebert-Straße in Königsborn ist an diesem 1. Mai mit Blumen, Kerzen und Stofftieren geschmückt. Dorthin drapiert von Menschen, die mit den Coronamaßnahmen speziell an den Schulen nicht einverstanden sind – und mit Maßnahmen, die gegen einen Richter aus Weimar ergriffen wurden.

Hintergrund ist ein Urteil des Amtsgerichts Weimar gegen die Maskenpflicht an zwei Weimarer Schulen. Es hatte ausschließlich für diese beiden Schulen Gültigkeit, was das Land Thüringen auch umgehend öffentlich betonte.

Gleichwohl feierten Masken-Kritiker in ganz Deutschland das Urteil als bahnbrechend und als Bestätigung ihrer Skepsis. In weiten Teilen der Bevölkerung sorgte es hingegen für Unverständnis bis hin zu großer Empörung.

Der betreffende Familienrichter hatte Anfang April mit einer einstweiligen Anordnung die Maskenpflicht an zwei Weimarer Schulen ausgesetzt und verfügt, dass die Schulkinder – entgegen dem Hygienekonzept des Landes Thüringen – keine Masken im Unterricht tragen müssten. Danach wurden mehrere Anzeigen gegen den Richter gestellt.

Die Staatsanwaltschaft geht nun der Frage nach, ob er seine Zuständigkeit überschritten hat. Es bestünden „Anhaltspunkte dafür, dass der Familienrichter willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelte“, heißt es in einem Bericht der FAZ.

Im Zuge der Ermittlungen wegen des Verdachts der Rechtsbeugung wurden Büro, Wohnung und Auto des Richters durchsucht. Dabei seien sein Handy und weitere Beweismittel sichergestellt worden.

Den Beschluss des Familienrichters stufte das Verwaltungsgericht zuvor als „offensichtlich rechtswidrig“ ein. Das Familiengericht habe keine Befugnis, Anordnungen gegenüber Behörden und deren Vertretern zu treffen. Für eine solche Anordnungskompetenz fehle die gesetzliche Grundlage.

Am 1. Mai nun legten Befürworterinnen und Befürworter des Amtsgerichtsurteils weiße Rosen und Grabkerzen vor Gerichten in ganz Deutschland nieder. Auch vor dem Amtsgericht in Unna und vor dem in Schwerte: Dort wurden zusätzlich bedruckte Zettel abgelegt. Auf ihnen stand: “LIEBE FRIEDEN FREIHEIT DEMOKRATIE. Für den seriösen Weimarer Richter. GOTT ES SCHUTZ. GOTT IST ALLMÄCHTIG.”

Die Gegenstände vor dem Amtsgericht Unna wurden von der Polizei noch am selben Abend fortgeräumt.

In Weimar selbst versammelten sich am Samstag ca. 1000 Demonstranten am Amtsgericht, trotz eines gerichtlich bestätigten Verbots. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei, berichtet der MDR.

Das Weimarer Urteil und die Stellungnahme des Landes Thüringen

 Am 11. April berichteten wir auf Rundblick:

Das Weimarer Amtsgericht hat per einstweiliger Anordnung verfügt, dass an zwei Weimarer Schulen die Maskenpflicht nicht angeordnet werden darf. Auch Schnelltests wurden untersagt.

Das Bildungsministerum Thüringen erklärte dem MDR, dass sich die Entscheidung des Gerichtes auf die zwei Schulen in der Stadt Weimar beschränke. Das Ministerium prüfe derzeit das weitere Vorgehen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – der Anfang April die Schließung von Schuhgeschäften als verfassungswidrig erklärt hatte – bezeichnete währenddessen das Urteil der Amtsrichter in Weimar als „höchst fragwürdige Einzelentscheidung“.

Hintergrund: Aufgrund einer Demonstration am Wochenende hatten sich Gegner der Coronamaßnahmen in München auf das Weimarer Urteil berufen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht es jedoch im Widerspruch zur überwiegenden Rechtsprechung in der Corona-Pandemie.

Das Thüringer Bildungsministerium stellt dazu folgendes fest:

  1. Eine ordnungsgemäße Bekanntgabe des Beschlusses ist bisher nicht erfolgt. Weder den Schulen noch der Landesregierung liegt der Beschluss in schriftlich ausgefertigter Form vor. Bisher kennen wir lediglich eine Mail an die Schulleitungen.
  2. Wie jede gerichtliche Entscheidung kann auch dieser Beschluss rechtliche Wirkung allein für die am Verfahren Beteiligten entfalten. Vorliegend sind das zwei Schüler. Der Beschluss hat keine Auswirkungen auf die Infektionsschutzmaßnahmen, die für die Thüringer Schulen insgesamt angeordneten wurden. Sie bleiben rechtmäßig in Kraft. Gleiches gilt für zusätzlich verfügte Infektionsschutzmaßnahmen in Kreisen mit hohen Infektionszahlen.
  3. Der Beschluss wirft gravierende verfahrensrechtliche Zweifel auf. So beschränkt sich die Zuständigkeit des Familiengerichts in Sorgerechtsverfahren auf Fragen des Sorgerechts; die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen oder Rechtsverordnungen der Landesregierung obliegt dagegen den Verwaltungsgerichten. Auch können nur konkret benannte natürliche oder juristische Personen Adressat von gerichtlichen Ge- oder Verboten sein; die „Leitungen und Lehrer“ zweier Schulen, an die sich der Beschluss richtet, erfüllen diese Grundvoraussetzung nicht.
  4. Ob die Entscheidung angesichts dieser und weiterer verfahrensrechtlicher Probleme überhaupt rechtliche Wirkung entfaltet und Bestand haben kann, muss obergerichtlich überprüft werden. Das Bildungsministerium wird daher schnellstens eine obergerichtliche Prüfung des Beschlusses anstrengen.
  5. Zum Umgang mit den zwei von der Entscheidung betroffenen Kindern steht das Bildungsministerium mit den Schulen im Austausch. Im Übrigen gelten an den zwei betroffenen Schulen in Weimar und im ganzen Freistaat die Infektionsschutzmaßnahmen für alle Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler unverändert weiter.

Ein nicht allgemeingültiges Urteil fällten die Weimarer Richter bereits im Januar:

Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens entschieden sie, dass das allgemeine Kontaktverbot in der Thüringer Corona-Verordnung vom Frühjahr 2020 verfassungswidrig sei.

Hintergrund hierzu: Ende April vergangenen Jahres hatte ein Mann zusammen mit 7 weiteren Personen im Hof eines Wohnhauses in Weimar Geburtstag gefeiert. Laut der kurz zuvor in Kraft getretenen Verordnung war der gemeinsame Aufenthalt nur mit höchstens einer haushaltsfremden Person erlaubt.

Die Stadt verhängte im Oktober ein Bußgeld gegen den Mann. Dieser klagte dagegen.

Das Amtsgericht gab ihm Recht: Es sah den Bußgeldbescheid als verfassungswidrig an, da in der Verordnung des Landes eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage fehle. Zum anderen verletze das Kontaktverbot die Menschenwürde lt. Grundgesetz Art. 1.

Ein solches Kontaktverbot sei nur mit der Menschenwürde vereinbar, wenn es einen Notstand gebe, bei dem das Gesundheitssystem drohe zusammenzubrechen.

Das Urteil des Amtsgerichtes Weimar ist nicht allgemeingültig. Bei Rechtsverordnungen, die nicht vom Bundestag oder von einem Landtag beschlossen wurden, dürfe jedes Gericht selbst über die Verfassungsmäßigkeit entscheiden. Der Kläger musste demnach das Bußgeld nicht zahlen.

Dies wäre demnach dann nicht mehr möglich, wenn der Bundestag – wie es von der Bundesregierung vorgesehen ist – über bundesweite Verschärfungen der Coronamaßnahmen beschließt und dazu das Bundesinfektionsschutzgesetz ändert.

3 KOMMENTARE

  1. Das mit dem angeblichen Coronavirus nimmt ekelhafte, religionsähnliche Züge an: ist jemand nicht der Meinung der, nennen wir die Meinungsvorgeber als Platzhalter mal „Kirche“ , kommt die „Inquisition“ , fordert Widerruf, oder drangsaliert noch schlimmer.

    „Wenn das Geld im Kästchen klingelt, die Seele in den Himmel springet“ – Ablasshandel kommt bald auch wieder.

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