Impfzentrum Unna impft Vorerkrankte nur in Härtefällen: Trotz Termin also zum Hausarzt – Leser berichten von völligem Chaos

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Im Impfzentrum Unna: Abmeldebereich Foto: ©A. Reichert

Der Termin wurde über die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung (KVWL) schon Wochen im voraus gebucht, vor Ort jedoch am Tag der geplanten Impfung kommt die Auskunft: „Tut uns leid, Sie sind leider noch nicht berechtigt.“

Ärger und der Frust sind groß.

Hohe Wogen schlägt seit Samstag (27. 3.) unser Bericht über das offensichtliche Organisationschaos am Impfzentrum Unna. Insbesondere berichten in Facebook-Kommentaren zahlreiche Leserinnen und Leser mit Vorerkrankungen darüber, dass sie vor Ort am Impfzentrum abgewiesen wurden, obwohl sie im besten Glauben an die Impfpriorisierung laut NRW-Gesundheitsministerium den Termin gebucht hatten, oft viele Wochen im Voraus.

Auch der frühere Unnaer Vizebürgermeister Frank-Holger Weber buchte als COPD-Erkrankter einen Termin für den 31. März, also dem Dienstag in der Karwoche.

Um just den beschriebenen Ärger zu vermeiden, am Impfzentrum am gebuchten Tag abgewiesen zu werden, schickte der 63-Jährige bereits am 12. März eine Mail mit Bitte um Klärung an den Kreis Unna – schließlich wollte er sich überflüssige Wege und allen Betroffenen Zeit und Ärger ersparen.

Antwort bekam er nicht – bis gestern Nachmittag (27. März), berichtete der frühere Ratspolitiker unserer Redaktion:

In einem seltsamen Zufall nur vier Stunden nach der Rundblick-Berichterstattung über das Wirrwarr am Impfzentrum traf bei Frank-Holger Weber eine automatisierte Antwortmail aus dem Impfzentrum Unna ein. Darin erfuhr der COPD-Patient nunmehr: Den Weg nach Königsborn kann er sich am Dienstag sparen.

„Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Anfrage“, beginnt die Mail:

„Sollten Sie sich aufgrund einer Vorerkrankung mit dem Wunsch auf eine vorzeitige Impfung an uns gewandt haben, so teilen wir Ihnen in Bezug auf Ihre Anfrage folgendes mit:

Personen mit Vorerkrankungen werden ab 06. April in den niedergelassenen Arztpraxen geimpft. Wir bitten Sie daher, sich zu gegebener Zeit einen Impftermin in einer Arztpraxis zu holen. Eine Terminvergabe für das Impfzentrum Unna ist leider nicht möglich.

Hiervon ausgenommen sind sogenannte Härtefallanträge. Diese setzen eine individuelle, detaillierte ärztliche Begründung voraus, welche einen Anspruch auf Schutzimpfung mit höchster Priorität (§ 2 Coronavirus-Impfverordnung) belegt. Ein solcher Härtefallantrag bedarf der Schriftform, eine Email ist nicht ausreichend!

Der Antrag ist zu richten an das Gesundheitsamt >>Härtefallantrag Coronaschutzimpfung<< Platanenallee16 in 59425 Unna

Begleitpersonen von Schwangeren können voraussichtlich ab Mitte April ein Impfangebot in gynäkologischen Praxen erhalten.

Die Aufnahme auf eine Reserveliste ist derzeit leider nicht möglich.

In Bezug auf alle weiteren Anfragen bitten wir um Verständnis, dass die Beantwortung aufgrund des hohen E-Mail-Aufkommens derzeit etwas längere Zeit in Anspruch nimmt.

Ihr Impfzentrum Unna.“

So sind die Regeln laut den aktuellen Anordnungen des Gesundheitsministeriums NRW:

Viele chronisch Kranke und andere Vorerkrankte dürfen in den Impfzentren laut Ministerium schon ab sofort geimpft werden – sofern es dort freie Impfstoffkontingente gibt.

Dazu teilte eine Sprecherin des Ministeriums auf Nachfrage des WDR mit: „Sofern ein Impfzentrum ein solches Zusatzangebot einrichtet, werden die Kreise und kreisfreien Städte hierzu in geeigneter Weise (in der Regel im Rahmen von Presse und Öffentlichkeitsarbeit) aufmerksam machen.“

Generell sollen Vorerkrankte nach Ostern in den Hausarztpraxen geimpft werden. Diese sollen die Auswahl der in Frage kommenden Patientinnen und Patienten anhand ihrer Patientenkarten treffen, müssen dabei aber die Impfpriorisierung einhalten. Die Hausärzte bekommen zunächst nur ein geringes Kontingent an Impfdosen zur Verfügung gestellt – 18 bis maximal 50 Dosen pro Woche.

Ab dem 6. April können sich laut Ministerium über 70-Jährige einen Termin fürs Impfzentrum besorgen. Geimpft wird ab dem 8. April „jahrgangsweise“. Alle Über-70-Jährigen sollen per Post eingeladen werden, zuerst die 79-Jährigen, als Letztes die 70-Jährigen. Wer keine Post bekommen hat, darf trotzdem schon ab dem 6. April einen Termin vereinbaren.

Empfohlen wird eine Terminvereinbarung online unter www.116117.de. Telefonisch lässt sich der Impftermin über die Rufnummer 116117 vereinbaren. Geimpft wird im Impfzentrum.

Erfahrungen von Rundblick-Leserinnen und -Lesern, berichtet via Facebook

  • „Ich bin sehr auf die kommende Woche gespannt. Aus meiner Familie haben zwei Personen (72 und 52 Jahre) einen Impftermin im Impfzentrum Unna. Beide haben den Anspruch der Prio 2 durch das ärztliche Attest. Diese Gruppe ist laut RKI ab Ende März an der Reihe. Leider habe ich schon viele Patienten in der Praxis gehabt, die abgewiesen wurden. Und es stimmt hier einfach NICHT , dass diese Impfungen richtig weiter gegeben werden. Der Kreis Unna zieht schön seine eigenen Mitarbeiter vor. Hier geht die Information raus sich innerhalb 45 Minuten bereit zu halten. Es sind Büromitarbeiter, ohne jeglichen Kontakt zu Kunden. Eine Unverschämtheit gegenüber allen chronisch Kranken. Das ist Betrug und alle machen mit…“

„Ich habe auch ein Attest vom Lungenfacharzt bekommen, aber ich wurde gestern schon beim Anruf 116 117 abgewiesen. Erst die 80-Jährigen, wurde mir gesagt und ich bin erst 63.“

  • „Ich hatte gestern einen Termin gehabt. Weil ich erst 53 bin, habe ich per Mail ein Ärztliches Attest hingeschickt und meine Grunderkrankung. Erst im Impfzentrum selber würde geprüft, ob ich Anspruch habe, und dann Entscheidung: Ich wurde geimpft. Aber zwei Leute wurden wieder ohne Impfung nach Hause geschickt, die hatten auch ein ähnliches Attest.“

„Meine Mutter ist 84, COPD-erkrankt, sie hat damals, als es möglich war, sich anzumelden, einen Termin für ihre erste Impfung am 12. April bekommen.“

  • „Meine Mutter ist auch 84 Jahre, hat COPD und Lungenenfribose. Mitte Februar habe ich endlich einen Termin für sie bekommen für Ende April und Ende Mai… Ich hatte es wochenlang täglich versucht, einen Termin zu bekommen. Es hieß immer, versuchen Sie es morgen wieder, Sie müssen Geduld haben… Irgendwann hat man die aber auch nicht mehr… Aber jetzt haben wir einen Termin, ich bin nur gespannt…“

„Die Heilmittelerbringer dürfen sich laut Impfverordnung seit Ende Februar impfen lassen… nirgendwo steht, dass der Arbeitgeber den Termin vereinbaren soll/muss… und auch die Impfhotline weiß davon nichts… also wird man trotz Bescheinigung des Arbeitgebers und berechtigtem Termin im Impfzentrum abgewiesen.“

„Meine Mutter hat ein Attest, bräuchte dringend die Impfung. Alle Telefonate laufen ins Leere. Melden Sie sich in ein paar Wochen nochmal. Keine Antwort auf E-Mails. Es ist zum Verzweifeln. Wir versuchen seit Wochen einen Termin zu bekommen – keine Chance.“

  • „Ich bin da heute hergefahren. Das war so unfassbar voll. Die ganzen älteren Damen und Herren standen da mit Rollatoren oder Krücken im Sturm und Regen und haben gewartet. Die Leute können teilweise kaum noch stehen und müssen da so lange warten. Finde das nicht gut gelöst.“

„Vielleicht sollte man mal diese ganze Bürokratie überdenken. Kein Wunder, dass es in Deutschland ewig dauert. Meine Frau und ihre Kollegen haben Gleiches erlebt bzw erleben es gerade noch. Komplettes Chaos und wenig Durchblick. Wenn so ein privater Betrieb arbeiten würde, gäbe es kein Weihnachtsgeld mehr, da es vorher schon ein Ende gegeben hat.“

„Das Chaos in NRW ergibt sich durch die unübersichtlichen Zuständigkeiten. Nicht eine Stelle regelt die Terminvergabe, sondern mehrere. 116 117 regelt die Terminvergabe für die Personen nach Alter, das Impfzentrum die restlichen. Leider hier zurzeit nur die Berechtigten nach Berufsgruppe. Alle anderen Berechtigten, die ebenfalls schon geimpft werden dürften, finden hier kein offenes Ohr und erhalten schon ga rnicht einen Termin. Impfberechtigte Vorerkrankte werden beim Impfzentrum Unna abgewiesen und auf den Hausarzt verwiesen – dann ab 6.4. Ich hatte bei meinen unzähligen Telefonaten jedoch immer das Gefühl, dass keine Stelle richtig weiß, wer für was denn zuständig ist.“

Zwei positive Erfahrungen wurden auch berichtet:

„Bei uns hat alles gut geklappt. Waren alle freundlich und hilfsbereit.“

  • „Ich konnte meine Mutter (85) ohne Probleme anmelden. Am Ostersonntag bekommt sie ihre 2. Impfung. Sie berichtete, dass im Impfzentrum alles gut organisiert war und die Leute super nett waren. Ich wollte damit nur zeigen, dass nicht alles schlecht ist.“

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