Eishalle: Europaweite Ausschreibung nötig – Stadt baut, Betreiber offen

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Die Stadt Unna mache aus dem Eishallenprojekt „eine Raketenwissenschaft“, wird in den letzten Wochen immer öfter beklagt. Sie verschleppe die Sanierung bewusst, erklärte gestern in einem vierseitigen offenen Brief an die Ratsvertreter die Bürgerinitiative „Unna.braucht.Eis“ und kündigte der Stadt die Zusammenarbeit auf.

Die Verwaltung wiederum bleibt dabei: Sie handelt nach Recht und Gesetz.

In einer Pressekonferenz am heutigen Mittag (22. 4.) im Ratsaal stellten Bürgermeister Werner Kolter und die Verwaltungsspitze den weiteren Fahrplan vor, um den Bürgerentscheid vom 26. Mai 2019 umzusetzen.

  • Demnach ist nach umfassenden rechtlichen Prüfungen eine europaweite Ausschreibung des Sanierungsprojekts erforderlich, wenn es nach dem Konzept von UbE durchgeführt werden soll.
  • Bis diese entschieden ist, wird es einige Monate dauern.
  • Die Stadt baut – oder die Wirtschaftsbetrieb Unna  (WBU). Wer die Eishalle anschließend hingegen betreiben wird, ist offen.
  • Dass allein ein Verein oder eine noch zu gründende Gesellschaft die Halle saniert – ohne  verbindliche Zusage, hinterher auch den Betrieb durchzuführen – ist nach Ansicht der Verwaltung weder den Vereinen noch einer möglichen gGmbH zuzumuten und fällt daher aus.
  • Der Vorschlag von Unna.braucht.Eis. – die WBU bleibt Eigentümerin der Halle, der KJEC nutzt sie, und die Stadt nutzt sie auch z. B. für Kitas und Schulen – ist nach Bewertung der städtischen Gutachter ebenfalls nicht geeignet (Begründung ausführlich in der Vorlage).
  • Das bereits erfolgte Ausschreibungsverfahren für den Hochbau endete ergebnislos, muss wiederholt werden. Ein Ergebnis werde laut Stadt frühestens im Juni vorliegen.
  • Eingegangen sind hingegen „wertbare Angebote“ für Brandschutz, Bauphysik und Dachsanierung. Hier endete die Frist am 17. April.
  • Dem Projekt wird – unabhängig von den Einschränkungen der Corona-Krise – Vorrang eingeräumt.

Die alles legt die Verwaltung in einer umfangreichen Vorlage dar, die seit heute Mittag im elektronischen Ratsinformationssystem abrufbar ist. 

„Im Rahmen der Umsetzung des Bürgerentscheids zum Erhalt der Eissporthalle Unna hat die Kreisstadt Unna eine Stellungnahme in vergaberechtlicher Hinsicht bei der Kanzlei Becker, Büttner, Held (bbh), Köln, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, eingeholt. Ziel war es, eine vergaberechtlich zulässige Möglichkeit zu finden, die es ermöglicht das Konzept von „Unna braucht Eis“ (UbE) umzusetzen.

Die gutachterliche Stellungnahme wurde mit Vertreter*innen von UbE besprochen und von den Verfassern erläutert.

  1. Ergebnisse der Vergaberechtlichen Prüfung

Folgende Feststellungen der Gutachter sind dabei im Wesentlichen von zentraler Bedeutung:

  • „Die für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts zwingend anzuwendenden Schwellenwerte, oberhalb derer ein Vergabeverfahren durchzuführen ist, bemessen sich zurzeit wie folgt.
  • Für reine Bauleistungen beträgt der Schwellenwert 5.350.000 Euro.
  • Für reine Dienstleistungsaufträge beträgt der Schwellenwert 214.000 €.
  • Für Baukonzessionen und Dienstleistungskonzessionen (sowie Mischformen) beträgt der Schwellenwert 5.350.000 Euro.
  • Anzusetzen ist hierbei der jeweilige Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer (Seite 2).
  • Inhaltlich sind bei der Berechnung des Gesamtumsatzes gem. § 2 Abs. 4 Nr. 2 Konz VgV Einkünfte aus Gebühren oder Entgelten, die von den Nutzern der Eissporthalle (inkl. Gastronomie) gezahlt werden, anzusetzen. Einzurechnen sind zudem gem. § 2 Abs. 4 Nr. 3 KonzVgV die Zahlungen des Konzessionsgebers oder jeder anderen Behörde an den Konzessionsnehmer oder weitere finanzielle Vorteile jedweder Art, einschließlich Gegenleistungen für die Erfüllung von Gemeinwohlverpflichtung sowie staatlicher Investitionsbeihilfen.
    Eine Fortschreibung des Rentabilitätskonzepts der UbE durch die Public Sector Project Consultants GmbH (PSPC) vom 25.11.2019 (im Auftrag der Kreisstadt Unna) hat ergeben, dass bei einer Gesamtlaufzeit des Projekts von 30 Jahren ein Gesamtumsatz in Höhe von 26.264.507 Euro anfällt. Hinzuzurechnen zum Umsatz sind jedoch auch die durch die Kreisstadt gewährten Zuschüsse. Dem Gesamtumsatz sind demnach noch Zuschüsse der Kreisstadt Unna zur Darlehenstilgung i. H. v. 2.989.354 Euro hinzuzurechnen, sodass von einem Gesamtumsatz i. H. v. 29.253.861 Euro auszugehen wäre. Nicht eingerechnet ist hier auch der Wert der durch die Kreisstadt Unna zu gewährenden Bürgschaft zur Sicherung der nach dem Konzept vorgesehen Darlehenssumme i. H. v. ca. 3 Mio. Euro bzw. die Zuschüsse, die den Vereinen zu Anschubfinanzierung gewährt werden sollen. Der einschlägige EU-Schwellenwert von 5.350.000 Euro wäre um ein Mehrfaches überschritten. Eine detailliertere Schätzung des Auftragswertes kann damit unterbleiben. (Seite 21 f.)
  • Der Umsetzung des Projekts „#Eis.Phoenix“ ohne Ausschreibung stehen die Vorschriften des Kartellvergaberechts entgegen. Von der Umsetzung sollte deshalb abgesehen werden.“ (Seite 3)

Die Stellungnahme kommt zu dem Ergebnis, dass das vorliegende Konzept von UbE dem Kartellvergaberecht unterliegt, da die anzuwendenden Schwellenwerte deutlich überschritten sind. Damit wäre in diesem Fall eine europaweite Ausschreibung erforderlich.

  1. Alternative Vergabemöglichkeiten

Mit Vertreter*innen von UbE wurden weitere Alternativen diskutiert, um Sanierung und Betrieb gemeinsam zu vergeben. Diese waren jedoch aus verschiedenen rechtlichen Gründen nicht haltbar (siehe Zusammenfassung der Stellungnahme).

Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, Sanierung und Betrieb vergaberechtlich zu trennen. Eine Übertragung allein der Sanierung auf einen Verein oder eine noch zu gründende gGmbH ohne verbindliche Zusage, auch den Betrieb durchzuführen, ist aber nach Ansicht der Verwaltung weder den Vereinen noch einer möglichen gGmbH zuzumuten und fällt daher aus.

Denkbar ist allerdings eine Variante, in der die Sanierung durch die Stadt oder die Eigentümerin durchgeführt und der laufende Betrieb durch Dritte erfolgt. Eine Beteiligung von UbE/ KJEC wäre dann als Teilnehmer eines vergaberechtlichen Verfahrens möglich.

 

In der Anlage des Gutachtens sind Prüfkriterien aufgelistet nach denen die möglichen Alternativen in den folgenden Wochen überprüft werden.

 

  1. Von UbE vorgelegter Nutzungsvertrag

 

Anfang April hat UbE den Entwurf eines Nutzungsvertrag vorgelegt. Vorgeschlagen wird eine Vertragsbeziehung zwischen der WBU als Eigentümerin, dem KJEC als Nutzer und der Kreisstadt Unna, im Wesentlichen als Zuwendungsgeber insb. für die Nutzung der Eissporthalle durch Kindergärten und Schulen.

Die Kreisstadt Unna hat den Vertragsentwurf ebenfalls einer rechtlichen Bewertung, vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Stellungnahme von bbh unterzogen.

Zusammenfassend kommt der Gutachter zu dem Ergebnis:

„Der durch den UbE vorgelegte Vertragsentwurf ist aus unserer Sicht nicht geeignet, den Bürgerentscheid der Kreisstadt Unna vom 26.05.2019 umzusetzen. Er berücksichtigt wesentliche kommunalrechtliche Pflichten der Kreisstadt Unna sowie tatsächliche Gegebenheiten des Projektsachverhalts nicht oder nicht angemessen.

 Im Hinblick auf unsere vergaberechtliche Stellungnahme ergeben sich durch den Vertragsentwurf keine Änderungen. Vielmehr sind die durch den Vertragsentwurf ins Auge gefassten Ansätze, den Projektvertrag von einklagbaren Verpflichtungen des KJEC zu befreien sowie eine pauschale Erhöhung von Eisgeldern vorzusehen um eine Ausschreibungspflicht zu vermeiden, bereits in der Stellungnahme berücksichtigt.

 Wir raten daher dringend von einem Abschluss des Vertrages ab. Auch weitere Verhandlungen mit dem UbE bzw. dem KJEC als mögliche zukünftige Bewerber auf eine Konzessionsausschreibung sollten vermieden werden. Auf die Projektantenproblematik haben wir in unserer Stellungnahme hingewiesen (vgl. S. 32 der Stellungnahme).“

 

  1. Umsetzung der Baulichen Maßnahmen

Die Bauverwaltung arbeitet weiterhin intensiv daran, die Sanierung zu planen und umzusetzen.

Zur Auswahl der Büros für den Hochbau und für die Technische Ausrüstung wurden zwei separate Verfahren gestartet. Die Angebotsfrist endete am 09.04.2020, direkt im Anschluss findet durch das Büro compar eine Prüfung der Angebote statt.

Da mit Blick auf den Terminrahmen durch die Verwaltung von einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb auf ein Offenes Verfahren gewechselt wurde, werden lediglich die schriftlichen Angebote ausgewertet. Neben dem Preis mit einer Gewichtung von 30 % müssen die Büros ihr Büro und auch ihre Herangehensweise an die Projektaufgabe beschreiben, dies fließt mit 70 % in die Wertung der Angebote ein. Der mit dem Wechsel des Verfahrens verbundene Wegfall der Verhandlungsgespräche ist mit Blick auf die aktuelle „Corona-Krise“ positiv zu bewerten. Eine zielgerichtete Durchführung der Gespräche wäre unter den jetzigen Rahmenbedingungen nur schwer möglich gewesen.

Der Verwaltung liegen mittlerweile die Ergebnisse der Ausschreibung vor. Für die Technische Ausrüstung wurden von 2 Büros prüfbare Angebote eingereicht, die in die Wertung einbezogen werden können.

Hochbau

Für den Hochbau haben sich 10 Büros über die Vergabeplattform für den Erhalt der Ausschreibungsunterlagen freischalten lassen, allerdings hat keines dieser Büros ein Angebot eingereicht.

Das Verfahren für den Hochbau muss daher als ergebnislos angesehen werden.

Ziel der Verwaltung ist es, möglichst kurzfristig die Ausschreibung erneut auf den Markt zu bringen. Unter Berücksichtigung des Vergaberechtes und der damit verbundenen Fristen muss allerdings davon ausgegangen werden, dass frühestens Mitte Juni das Verfahren abgeschlossen werden kann.

Brandschutz u. a.

Neben diesen beiden Aufträgen wurde in der Vorlage 1772/20 ausgeführt, dass Aufträge für die Bauphysik, den Brandschutz und die Tragwerksplanung vergeben werden müssen. Für alle drei Gewerke wurden in der Zwischenzeit die Ausschreibungen vorbereitet und veröffentlicht. Die Angebotsfrist endete für alle drei Gewerke am 17.04.2020. Es sind für alle Gewerke Angebote eingegangen.

Nach erster kursorischer Durchsicht kann davon ausgegangen werden, dass für jede Leistung wertbare Angebote vorliegen, die beauftragt werden können. Eine weitere Prüfung erfolgt aktuell.

Damit kann gewährleistet werden, dass alle Fachplaner gleichzeitig beauftragt werden und sich als Planungsteam zusammenfinden und parallel ihre Arbeit aufnehmen können.

Die zu beauftragenden Planer werden auch die bisher vorliegenden Erkenntnisse zur Eisaufbereitungsanlage aufgreifen und in das Gesamtkonzept einarbeiten. Eine separate Ausweisung dieses Punktes wie bisher, wird daher nicht mehr erfolgen.

Ziel dieser Vorgehensweise ist es, eine wirtschaftliche Sanierungsvariante zu erarbeiten, die auf der einen Seite eine Sanierung der Eissporthalle mit dem Einsatz eines Minimums an finanziellen Mitteln ermöglicht und auf der anderen Seite nicht die späteren Instandhaltungs- und Betriebskosten außer Acht lässt.

  1. Zusammenfassung und weiteres Verfahren

Die aus der vergaberechtlichen Prüfung gewonnenen Erkenntnisse führen dazu, dass anhand von Kriterien verschiedene Alternativen der praktischen Umsetzung von Sanierung und laufendem Betrieb untersucht werden. Der sich daraus ergebende finale Vorschlag wäre politisch zu entscheiden und als verbindliche Anfrage beim Finanzamt einzureichen.

Parallel werden mit Hilfe des Projektplaners Grundlagen geschaffen, so dass die politischen Gremien über die Notwendigkeiten und Möglichkeiten in baulicher Hinsicht beraten und entscheiden können. Hierzu gehören z.B. die wirtschaftlichste Sanierungsvariante, eine eventuelle Öffnung für andere Nutzergruppen, der Umfang der täglichen und saisonalen Betriebszeiten oder die Wahl einer Eisaufbereitungsanlage im Kontext der umliegend angedachten Bebauung. Aufgrund des erfolglosen Ausschreibungsverfahrens für den Hochbau können erste Ergebnisse erst nach den Sommerferien präsentiert werden.

Eine weitere Einbeziehung von UbE sowie des KJEC mit ihrem eissportlichen Sachverstand ist, im Rahmen des vergaberechtlich vertretbaren, weiterhin wünschenswert. (Anmerkung: Dies hat UbE mit gestrigem offenem Brief an die Ratsvertreter ausgeschlossen.)

Im Sinne der angestrebten Transparenz des Verfahrens wird die Verwaltung die Öffentlichkeit und den Rat weiterhin regelmäßig über Verfahrensstände informieren und dem Rat entsprechende Beschlussvorlagen vorlegen.

 

 

1 KOMMENTAR

  1. Ich verstehe die Reaktion von UbE nach diesem Artikel viel besser. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Warum braucht Bergkamen keine teuren Gutachten und keine europaweite Ausschreibung? Weil sie eine Eishalle wollen. So einfach ist das. Dieses Gutachten scheint nur einem Zweck zu dienen: Das Konzept der Bürgerinitiative zu zerstören. Die Politiker in Unna haben es noch immer nicht überwunden, dass der Bürger ihnen ihre Grenzen aufgezeigt hat. Indem er sich für den Erhalt der Eishalle ausgesprochen hat. Wie hier mit der Bürgerinitiative umgegangen wird, so wird auch mit dem Bürger umgegangen. Man fühlt sich so machtlos und hilflos gegenüber diesen Politikern, die jedes Gefühl für Anstand und Fairness verloren haben. Es ist so traurig, was hier in Unna passiert.

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