Dortmunds Polizeichef Lange: „Wird nicht alles schlimmer – Kriminalitätsentwicklung wird immer besser“

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Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange. (Foto Polizei Dortmund)

Immer weniger Kriminalität, darüber freut sich Dortmunds Polizeichef Gregor Lange (SPD). „Für Dortmund können wir nach wie vor sagen: Es wird nicht alles schlimmer.“

In einer Pressemitteilung vom Freitag (18. 12.) verkündet Lange einen entsprechenden Trend. Die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner sei zwischen 2014 und 2019 in Dortmund um ein Drittel gesunken.

Damit belegt Dortmund in einem aktuellen Städte-Ranking den drittbesten Platz im Bereich „Entwicklung Kriminalität“. Der Vergleich ist Teil einer jährlich neu aufgelegten Studie der IW Consult GmbH in Köln, die 71 deutsche Städte und Kreise mit mehr als 100.000 Einwohnern in mehreren Kategorien vergleicht.

Polizeipräsident Gregor Lange: „Zwischen 2014 und 2019 ist die Zahl der Straftaten deutlich gesunken. Für 2020 ist bereits jetzt erkennbar, dass sich dieser Trend fortsetzt. Da die Kriminalitätsentwicklung ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität in einer Stadt ist, können wir bei diesem kontinuierlichen Rückgang von einem nachhaltigen Erfolg sprechen. Wir werden uns darauf aber nicht ausruhen – im Gegenteil: die Zahlen motivieren uns, den Erfolg weiter auszubauen.“

In einem Vergleich der Monate Januar bis November zeigt Lange die Kriminalitätsentwicklung in Dortmund auf:

2014	80.354
2015	78.146
2016	70.576
2017	62.564
2018	61.583
2019	57.615
2020	56.584 

(Anmerkung unserer Redaktion dazu: Die Statistik zeigt die Straftaten, die angezeigt wurden.)

Gregor Lange: „Sicherheit ist ein wichtiger Standortfaktor für eine Großstadt. Am Ende geht es nicht nur um das Sicherheitsgefühl der Menschen, sondern auch um die Wahrnehmung der Stadt von außen. Für Dortmund können wir nach wie vor sagen: Es wird nicht alles schlimmer.“

„Auflösungserscheinungen bei der Nazi-Szene“

Die Wahrnehmung von außen, will der Polizeipräsident beobachtet haben, habe sich in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Nazi-Szene in Dortmund focussiert. Aktuell seien dort Auflösungserscheinungen erkennbar.

„Führende Köpfe haben Dortmund verlassen, weil eine demokratische Mehrheit sie bei der letzten Kommunalwahl ins Abseits gestellt hat – oder sie verbüßen gerade mehrjährige Haftstrafen. Dieses Umfeld ist für ein rechtsextremes Milieu nicht gerade attraktiv.“

Den Einsatz der „Soko Rechts“ beim Staatsschutz der Polizei verlängerte Polizeipräsident Gregor Lange im Sommer 2020 auf unbestimmte Zeit: „Wegzüge aus Dortmund und lange Haftstrafen sind die Ergebnisse intensiver Ermittlungen und eines permanent hohen Drucks von vielen Seiten. Diesen Druck müssen Polizei und Zivilgesellschaft langfristig aufrechterhalten. Nur so können wir die Erfolge auch in diesem Bereich fortführen.“

Lange weiter: „Die Dortmunder Polizei wird jetzt nicht den Fehler machen, die aktuellen Entwicklungen in der Nazi-Szene bloß zur Kenntnis zu nehmen. Sie beobachtet die Entwicklungen und die personellen Verschiebungen in dem Milieu weiter sehr genau. Diese Szene ist und bleibt gefährlich. Feinden der Verfassung begegnen wir mit dem Polizeigesetz und dem Strafgesetzbuch. Die Mittel des Rechtsstaats und der Demokratie sind am effektivsten.“

Die nächste „Polizeiliche Kriminalitätsstatistik“ für das Jahr 2020 wird voraussichtlich landesweit und in den einzelnen Polizeibehörden im Februar 2021 vorgestellt.

Dazu schauten wir uns im Februar vorigen Jahres einmal die Aussagekraft der „PSK“ an. Hier unser damaliger Artikel, veröffentlicht am 17. Februar 2019.

Pressekonferenz zur Vorstellung der „PKS 2018“ am 13. 2. auch in der Polizeiwache Unna. (Foto RB)

„Trau keiner Statistik…“ – Was sagt die „Polizeiliche Kriminalitätsstatistik“ eigentlich wirklich über die Kriminalität aus?

„Straftaten im Kreis Unna auf Zehn-Jahres-Tief“, „NRW so sicher wie seit 30 Jahren nicht mehr“: Was am Mittwoch (13. 2. 19) bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik 2018  landesweit und auch von der Kreispolizeibehörde Unna freudig als „good news!“ verkündet wurde, stieß bei den Lesern statt auf Freude ganz überwiegend auf Ungläubigkeit bis Fassungslosigkeit, triefenden Spott bis buchstäblich Hohngelächter.

Abzulesen war das überdeutlich an der immensen Zahl an „Lach-Emojis“ ( 😀 ) auf Facebook, die die Berichte über die laut Statistik so deutlich gestiegene Sicherheit quittierten: Ausgerechnet auf der eigenen Facebookseite der Kreispolizei Unna  betrug die (Hohn-)Lachsmiley-Quote bis zum Mittwochabend noch demoralisierende 100 Prozent.

Ein ähnliches Bild bot sich auch in allen anderen Foren und ebenso in den Kommentarspalten lokaler wie überregionaler Onlinemedien. Einhelliger Tenor: „Ja nee, is klar“ – „Das glaubt ihr doch selber nicht“… und ähnliche Belustigungsäußerungen mehr.

Die zunächst 100-Prozent-Ansammlung (inzwischen ca. 98 %) lachender Emojis unter unserem eigenen Bericht „Kriminalität im Kreis sank laut PKS auf 10-Jahres-Tief“ kommentierte ein User mit der nüchternen Feststellung:

„Leider muss man davon ausgehen, daß die Leute das nicht wirklich lustig finden, sondern dass es sich eher um eine Art verbittertes Hohngelächter handelt. 😒

Aber wieso ist das so und wieso klafft zwischen offiziell verkündeter und subjektiv wahrgenommener Kriminalität in diesem Jahr eine derartige Kluft?

Erklärungsversuch Nr. 1: „Das Internet“ bzw. die Onlinemedien sind „Schuld“ – sie vermitteln durch ihre permanente Berichterstattung jedweder Straftaten ein verzerrtes Bild, das die reale Lage weitaus schlimmer erscheinen lässt, als sie wirklich ist. 

  • Da ist bestimmt etwas dran. ABER. Die Onlinemedien berichten schon seit vielen Jahren entsprechend, weshalb dieser Erklärungsansatz nur unzureichend greift. Unsere eigene Redaktion berichtet seit Juni 2013 täglich über Straftaten aus dem Kreis Unna, den angrenzenden beiden Nachbarkreisen (MK und Kreis Soest) und den angrenzenden beiden Großstädten Dortmund und Hamm. Der Umfang der berichteten (bekannt gewordenen – durch Polizei oder Leserhinweise) Straftaten ist obektiv messbar in den letzten Jahren teils massiv angestiegen, insbesondere das „Messer“-Fotosymbol haben wir in den ersten beiden Rundblick-Jahren praktisch überhaupt nicht gebraucht – inzwischen müssen wir es teilweise mehrmals an einem Tag „benutzen“.

Erklärungsversuch Nr. 2: „Die Menschen WOLLEN einfach glauben, dass „es immer schlimmer wird.“

  • Einige bestimmt. Aber so viele – bis zu 100 Prozent eines beliebigen Mediums? Hängen derart viele Menschen in der Falle „rein gefühlte Unsicherheit“ und blenden bewusst die (immer sicherere) Realität aus?

Erklärungsversuch Nr. 3: Die Polizeiliche Kriminaltiätsstatistik sagt über die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung nur bedingt etwas aus.“ Die Kreispolizeibehörde Märkischer Kreis stellt ihrer „PSK“ für das Jahr 2018 folgenden Passus voran: „Aussagekraft der PKS eingeschränkt durch Dunkelfeld (nicht angezeigte Straftaten). Zahlen bilden lediglich polizeilich bekannt gewordenen Straftaten ab (Hellfeld)… Dunkelfeld abhängig von z.B. Anzeigebereitschaft der Bevölkerung und Art der Delikte.“

Heißt also: Die „PSK“ bildet ausschließlich die angezeigten Straftaten ab, und die Anzeigebereitschaft der Bürger wiederum variiert je nach Art der Straftat.

Während Landrat Michael Makiolla diese These auf Nachfrage in der PSK-Pressekonferenz vehement verneinte – die Bürger entschlössen sich im Gegenteil heute in größerer Zahl zur Anzeige als früher, behauptete er – , deckt sich die vorgeschaltete Bemerkung der MK-Polizei mit folgender Feststellung im „faktenfinder“ der ARD-Tagessschau:

„Nach wie vor dominieren Eigentums- und Vermögensdelikte wie Diebstahl, Betrug, aber auch der Wohnungseinbruch die PKS. Dies liegt aber nicht zuletzt daran, dass diese Taten aus versicherungstechnischen Gründen fast immer (Autodiebstahl, Einbruch) oder doch weit überwiegend zur Anzeige gebracht werden.

Laut einer niedersächsischen Befragung zu Sicherheit und Kriminalität werden 95 % der Autodiebstähle und 81 % der Wohnungseinbrüche angezeigt. Dagegen sind es bei Körperverletzungen nur 36 %  und bei Sexualstraftaten sogar nur 6 %.

…. Der Kriminologe Henning Ernst Müller von der Universität Regensburg ist „einerseits erfreut darüber, dass es endlich eine breite Debatte über die Aussagekraft der PKS gibt“. Denn die Kriminalstatistik der Polizei sei „eigentlich keine solche“, wie Müller im juristischen Expertenforum des C.H. Beck Verlages schreibt,

„sondern eine Aufzeichnung der polizeilichen Tätigkeit im Bereich der Strafverfolgung“.

Die meisten Angaben hingen von Strafanzeigen ab, deren Häufigkeit keineswegs mit der tatsächlichen Kriminalität einhergehe.

http://faktenfinder.tagesschau.de/…/pks-kriminalitaet…

Eindeutige Worte zur Aussagekraft der PSK findet auch Ralf Piekenbrock aus Selm, Vorsitzender des Kreisverbandes DBD (Demokratische Bürger Deutschland), der selbst auch Polizeibeamter ist:

„Sprecht mit Polizeibeamten, die auf der Straße oder in der Sachbearbeitung tätig sind. Gerade die Sachbearbeiter wissen, wie viele Dienstanweisungen zum Führen der PKS es in den letzten Jahren gegeben hat, um es besser aussehen zu lassen.

Sicher habt ihr Recht, das der Informationsfluss in Zeiten von Internet und sozialen Medien wesentlich grösser ist.

Aber das Einsatzaufkommen für die Kollegen und die Gewaltbereitschaft auch gegen Polizisten haben exorbitant zugenommen.

Wenn viele Kollegen, die mittlerweile Hunderte von Überstunden vor sich herschieben und täglich mit dem schwindenden Respekt und der steigenden Aggressivität auf der Strasse zu kämpfen haben, solche „Erfolgsmeldungen“ hören, steht denen die Galle bis Unterkante Oberlippe.“

  • Eine Art „Schönreden“ ist, kritisch betrachtet, auch die Art, wie die PSK die Ausländerkriminalität erfasst: Zwar werden die ermittelten Tatverdächtigen (TV) seit einigen Jahren in „ausländische“ und „deutsche“ TV aufgeschlüsselt, doch unter „Deutsche“ – die je nach Behörde 68 bis über 75 Prozent ausmachen – sind auch alle Doppel- und Mehrfachstaatler gefasst, unter „Ausländer“ ausschließlich Menschen mit nur einer (nichtdeutschen) Staatsangehörigkeit. Der Anteil Nichtdeutscher an der Gesamtbevölkerung eines Kreises/einer Stadt bleibt in der Statistik unerwähnt.

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