Zur Diskussion über eine Maskenpflicht im Zuge der Corona-Pandemie nimmt der Unnaer Arzt Gerhard Blumhardt eine klare Position ein. Hier seine Argumente als Lesermeinung.
„In verschiedenen Meldungen der letzten Tage ist zu lesen, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einer Maskenpflicht eher skeptisch gegenüberstehe. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, daß mit dem Tragen einer Maske etwas gewonnen wäre, sagte der WHO-Nothilfedirektor Michael Ryan in Genf.
Diese Einschätzung der WHO ist aus meiner Sicht sehr fragwürdig und bestätigt die zweifelhafte Rolle der WHO in der Bewertung der Coronapandemie.
Bei der Analyse der Infektionszahlen mit dem Coronavirus zeigt sich, dass wir uns in der exponentiellen Phase der Ausbreitung befinden. Gemäß der derzeitigen Dynamik bedeutet dies geschätzt eine Verdoppelung der Fälle alle 4-5 Tage und eine Verzehnfachung der Infektionen alle zwei Wochen. Die Krankenhäuser sind bis jetzt noch nicht in wesentlichem Umfang mit Coronaerkrankten konfrontiert und die Situation ist sehr gut beherrschbar.
Um zu erreichen, daß dies auch in Zukunft so bleibt, ist es erforderlich, die Verbreitungsgeschwindigkeit der Infektion zu verlangsamen, „die Kurve abzuflachen“ wie es von den Experten genannt wird. Deshalb sollte als unterstützende Maßnahme unbedingt in der Öffentlichkeit ein Mundschutz getragen werden.
Beim Mundschutztragen für alle geht es nicht um die Hochleistungspartikelfilter, sondern ein einfacher Mundschutz (OP Mundschutz) tut es auch. Wenn diese nicht verfügbar sind, helfen auch selbstgenähte Masken, wie sie im Internet als Nähanleitung weit verbreitet sind. Beispielhaft wäre hier das Vorgehen in Tschechien anzuführen, wo ein Erlass der Regierung zum Mundschutztragen und eine Kampagne zum Selbernähen dazu geführt haben, dass auch bei einem Mangel an käuflichen Masken im öffentlichen Raum der Mundschutz weit verbreitet ist.
Das Problem ist nur, Masken sind im Handel nicht erhältlich. Unter diesem Aspekt ist auch die Aussage des Gesundheitsministers zu sehen, der eine generelle Maskenpflicht nicht für nötig hält. Diese ist wohl schwerlich anzuordnen, wenn gleichzeitig Masken fehlen.
Deshalb ist auch bei uns eine vorübergehende Improvisation mit selbstgenähten Mundschützern notwendig.
Folgendes sind die Argumente, für das Tragen eines Mundschutzes sprechen:
1. Die Virusinfektion wird hauptsächlich durch die ca. 85% der beschwerdefrei oder beschwerdearm Infizierten übertragen, die überhaupt nicht wissen, daß sie das Virus ausscheiden und damit unkontrolliert und unbewusst zur Weiterverbreitung beitragen. Diese unerkannte Weitergabe des Virus kann durch einen Mundschutz reduziert oder sogar verhindert werden, weil der Mundschutz die Verbreitung der Tröpfchen beim Sprechen und Husten einschränkt. In diesem Falle wird die Kontaktperson vor der Infektion geschützt, was unter epidemiologischen Gesichtspunkten der allerwichtigste Nutzen des Mundschutztragens ist.
2. Die Maske verhindert das unwillkürliche und schwer zu kontrollierende Berühren von Augen, Mund- und Nasenregion, was zur Schmierinfektion führt, wenn vorher mit der Hand eine virusbelastete Oberfläche angefaßt wurde. In diesem Fall wird der Mundschutzträger selbst vor einer Infektion geschützt.
3. Die einfachen Masken können nicht, wie die im Krankenhaus zu tragende Schutzausrüstung, eine Infektion durch Anhusten oder Anniesen verhindern, jedoch wird durch den Mundschutz ein Teil der Tröpfchen abgefangen und damit die Anzahl der aufgenommenen Viren reduziert. Durch die reduzierte Viruslast dauert es länger bis es zum Ausbruch der Erkrankung kommt. Daher verbleibt dem Immunsystem des Körpers mehr Zeit für die Bildung einer Abwehrreaktion und die Erkrankung verläuft möglicherweise leichter. Also wieder ein Argument für den Mundschutz mit positivem Effekt für den Träger.
Der Nutzen des einfachen Mundschutztragens wird auch durch die Zahlen aus Asien nahegelegt, wo in Ländern mit einer „Mundschutztradition“ (Japan, Hongkong und Singapur) die Ausbreitungskurve mit einer Verdoppelungszeit von mehr als einer Woche deutlich flacher verläuft als in Europa.
Niemand sollte sich genieren, jetzt mit einem Mundschutz in der Öffentlichkeit aufzutreten. Corona geht uns alle an.
Schützen wir uns selbst, genauso wichtig aber auch die Anderen. Ich denke da an die vielen Mitarbeiter im Einzelhandel, Arztpraxen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, etc. die an vorderster Front stehen und eine formidable Leistung erbringen und die unseren allergrößten Dank und Respekt verdienen. Wir sollten bei absehbarem Kontakt mit anderen Personen in der Öffentlichkeit so schnell wie möglich einen Mundschutz tragen.“
Gerhard Blumhardt, Unna